Der Schreiber Licht trifft am Morgen in der Gerichtstube den Dorfrichter Adam in nicht besonders guter Verfassung an. Er hat Wunden am Kopf, das Gesicht ist zerschunden, und er scheint überhaupt ungewöhnlich mitgenommen und zerstört. Er gibt vor, beim Aufstehen aus dem Bett hingefallen zu sein und sich am Ofen gestoßen zu haben. Das ist umso peinlicher für ihn, als- wie der Schreiber erfahren hat-der Gerichtesrat Walter sich auf seiner Revisionsbereisung der Ämter in der Nähe befindet. Kaum hat Adam nur das Nötigste für den möglichen hohen Besuch richten lassen- nicht einmal eine Perücke ist zur Stelle-, ist der Gerichtsrat schon da. Kahlköpfig, muß er sofort mit der Amtsausübung beginnen, da heute Gerichtstag ist. Der Gerichtsrat wird der Verhandlung beiwohnen. Es erscheint streitentes Bauernvolk.
Frau Marthe Rull beschuldigt Ruprecht, den Sohn des Bauern Veit Tümpel, einen Krug im Zimmer ihrer Tochter Eve zertrümmert zu haben. Er war mit Eve verlobt, beschimpft seine Braut jetzt aber mit "Metze"(1). Frau Marthe bestätigt ihrer Tochter gegenüber: "Dein guter Name lag in diesem Topfe, und vor der Welt mit ihm ward er zerstoßen." Noch ehe die Gerichtssitzung beginnt, versucht Adam, Eve beieite zu nehmen und ihr heimlich unter Hinweis auf ein Papier zu drohen. Nach zweimaliger Aufforderung des Gerichtsrates beginnt Adam endlich mit dem Verhör. Marthe Rull trägt umständlich und unter genauester Schilderung der Beschaffenheit des zerbrochenen Kruges vor, wie sie am Abend durch laute Männerstimmen und einem Tumult in die abgelegene Kammer ihrer Tochter Eve gelockt wurde, wie dort der Krug zertrümmert lag, und wie sie Eve, die Hände ringend, mit dem "Flaps"(2), dem Ruprecht, antraf. Ruprecht habe behauptet, nicht er habe den Krug vom Sims herabgestoßen, sondern ein anderer. Ruprecht bestätigt, daß er bei Eve war, stellt aber fest, daß ein anderer Mann bei ihr angetroffen habe- wer es war, hat er nicht erkannt-, daß dieser,als er polternd in Eves Kammer einbrach, aus dem Fenster gesprungen sei. Als er dem Flüchtigen nachspringen wollte, habe dieser ihm eine Handvoll Sand in die Augen geworfen. Adam, der immer wieder das Verhör in die Länge zu ziehen oder es auf ein anderes Gleis zu schieben versucht, meint schließlich, das die Sache sich gut zu einem "Vergleich" eigne. Der Gerichtsrat, dem das sonderbare Gebaren des Dorfrichters längst aufgefallen ist, besteht darauf, der Sache auf den Grund zu gehen. Letzten Endes kann nur Eve das Rätsel lösen und sagen, wer der Mann war, der vor Ruprecht zu ihr in die Kammer kam. Adam möchte zu gern den Verdacht auf den Flickschuster Leberecht gelenkt wissen. Eve erklärt, daß nicht Ruprecht den Krug zerschlug, doch sie glaubt, weitere Aufklärungen vermeiden zu müssen:"Es ist des Himmels wunderbare Fügung, die mir den Mund in dieser Sache schließt."In Wahrheit fürchtet sie für das Leben ihres Ruprecht, wenn sie den Dorfrichter beschuldigt. Erst eine neue Zeugin, die Muhme Brigitte, bringt Licht in das Dunkel. Bis sie herbeizitiert wird, traktiert Adam den Gerichtsrat mit einem Frühstück und Rheinwein und wendet seine ganze Schläue und Beredsamkeit an, von der Sache abzulenken und auch den Verdacht abzuwehren, der bereits auf ihn gefallen ist. Die Aussage der Muhme Brigitte bringt es aber an den Tag: sie hat die Perücke gefunden, die Adam auf seiner Flucht verloren hat, und sie hat die Spuren im Schnee verfolgt, die unabweisbar zum Hause des Schuldigen führen. Der Klumpfuß des Dorfrichters erweist sich als verräterisch, und die neue Ausrede, daß es möglicherweise der Teufel selbst gewesen sei, verfängt wenig. Als Adam den Spruch fällt, nach welchem Ruprecht als Schuldiger ins Gefängnis soll, geht die empörte Eve endlich aus ihrer Zurückhaltung heraus."Der Richter Adam hat den Krug zerbrochen!" Er war es, der bei Eve in der Kammer war. Adam ergreift nach dieser Entlarvung schleunigst die Flucht. Eve aber wirft sich dem Gerichtsrat zu Füßen und fleht ihn an, Ruprecht vor der Konskription(3) zu retten. Adam hat ihr mit einem gefälschten Papier gedroht, Ruprecht würde zum Militär eingezogen und müsse nach Ostindien, von wo kaum einer lebend zurückkehren würde. Er wolle und könne es verhindern. Um ein Attest auszufertigen, schlich er in ihr Zimmer, "so Schändliches, ihr Herren von mir fordernd, daß es kein Mädchenmund wagt auszusprechen." Das ist das Ende der Richterlaufbahn Adams. Der Gerichtsrat setzt den Schreiber Licht zu seinem Nachfolger ein, will jedoch das Äußerste bei der Bestrafung Adams verhindern, wenn er die Kassen in Ordnung findet. Eve und Ruprecht können sich versöhnen. Frau Marthe Rull aber gibt sich noch nicht zufrieden. Sie will bei der Regierung in Utrecht um den zerbrochenen Krug klagen.
1 Metze: urspr.: Mädchen; später zur Bedeutung "Hure" abgesunken
2 Flaps: von Flappe"Maul" Anlaß:
3 Konskripton: listenmäßige Aushebung zum Heeresdienst
Anmerkungen:
Wer den ganzen Reiz dieser Komödie auskosten will, muß durch die Komik der außeren Vorgänge hindurch den Hintersinn erspüren, den Kleist zart, aber deutlich durchscheinen läßt. Schon die sprechenden Namen der Hauptpersonen deuten darauf: der Dorfrichter als der "alte Adam" der seine Begehrlichkeit auf die junge Eve zu Fall bringt, diese sein heller Gegenpol, gefeit durch die Liebe zu ihrem Ruprecht, von dem sie dieselbe opferbereite Liebe fordert. Der Gerichtsrat als "Walter" der Gerechtigkeit und Abgesandter höherer Macht, dem der Schreiber "Licht" hilft, die dunkle Affaire zu durchleuchten. Der Gerichtsprozeß mit dem Schuldigen als Richter; Adam kennt seine Schuld nur allzu gut, und versucht sie mit aller Durchtriebenheit zu vertuschen.Seinem grotesken Gerichtsverfahren läuft das Walters entgegen, das die Wahrheit endlich zuTage bringt; in der kunstvollen Verschlungenheit der beiden Prozesse liegt die durch Verzögerungen gesteigerte Spannung des Spiels, dessen Humor um Haaresbreite von der Tragik geschieden ist.Der Dorfrichter in der Mischung von breiter Behäbigkeit, genialer Gerissenheit, bösem und wieder Armen , gehetzten Teufel so unausdeutbar schillernd, ebenso die anderen Gestalten, wobei neben der Eve , vor allem die Frau Marthe Rull mit ihrer prachtvollen Zungenfertigkeit unvergeßlich bleibt.
Über den Anlaß zur Entstehung des Stücks berichtete Kleist in einer Vorrede: "Diesem Lustspiel liegt wahrscheinlich ein historisches Faktum, worüber ich jedoch keine nähere Auskunft habeauffinden können, zum Grunde. Ich nahm die Veranlassung dazu aus einem Kupferstich, den ich vor mehreren Jahren in der Schweiz sah."
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