1.1 Darstellung der Thematik/
Bei der Betrachtung der Thematik, in Stefan Zweigs "Schachnovelle", ist ein deutliches ge¬genüberstehen zweier Themen zu erkennen. Zum einen ist es die "Menschlichkeit" oder, laut Zweig, die "Geistigkeit" und zum anderen ist es die "Unmenschlichkeit" oder auch "Ungei¬stigkeit".
Das erste vordergründige Thema der Novelle ist der Kampf zweier Monomanen miteinander, genauer: eines von Natur aus völlig einseitig begabten Menschen mit einem, den aüßere Umstände zeitweilig in eine Manie verfallen ließen. Beide verkörpern eine Daseinsform: die "Geistigkeit" und die "Ungeistigkeit".
Die "Ungeistigkeit" wird von der Person Czentovic verkörpert, der, wie schon erwähnt, ein völlig einseitig begabter Mensch ist. Dies hängt mit seiner frühen Kindheit zusammen, in der er, nach dem Tode seines Vaters, von einem Pfarrer aufgezogen wurde. Dies ist ja noch nicht schlecht, jedoch vermochte der Pfarrer nicht, trotz allen Bemühens, den oft total abwe¬send erscheinenden Jungen, durch häusliche Nachhilfe, in der Schule weiter zu bringen. Das ist auch der Grund, warum Czentovic eigentlich nichts kann, außer Schachspielen.
Die "Geistigkeit" wird durch einen gewissen Dr.B. dargestellt. Der gelangte, nach der Inhaf¬tierung durch die Gestapo und einer wochenlangen totalen Isolierung, an ein Buch, das die Meisterpartien des Schachs enthielt. In seiner totalen Isolierung, beginnt er diese Partien gegen sich selbst nach zu spielen. Er erreicht so eine Spaltung seines Geistes, wodurch er allerdings in eine Manie verfällt.
``Im Zusammenspiel aller Kräfte unter Führung des Geistes liegt für Zweig der Ausdruck des rein menschlichen. Darum ist letzten Endes die einseitige Ausrichtung Dr.B.'s zur imaginie¬renden Abstraktion - während seiner Gefangenschaft - ein Mangel, der notwendig zur Kata¬strophe führen mußte und dem Träger wieder zum Verhängnis wird, sobald er der Manie wieder verfällt.``
1.2 Skizze des Inhalts
Beim besteigen eines Passagierdampfers, der von New York nach Buenos Aires fahren soll, wird der Erzähler von einem Freund darauf aufmerksam gemacht, daß mit demselben Schiff der Schachweltmeister Czentovic fährt, ein gefeierter aber sehr unzugänglicher Mann. Das psychologische Interesse des Erzählers ist geweckt, und er versucht, da der direkte Weg ausgeschlossen ist, durch öffentliches Schachspielen die Bekanntschaft des Meisters zu machen. Sein bald gefundener Partner vermittelt, sobald er von der Person des berühmten Mitpassagiers erfährt, eine Simultanpartie mit der in Czentovic's Vertrag festgesetzten Be¬zahlung.
Mehrere Laien spielen gemeinsam gegen den hochmütig auftretenden Schachmeister und verlieren die erste Partie. Bei der Revanche werden sie unerwartet von einem Fremden be¬raten, der ihnen zum Erstaunen nicht nur des Meisters zu einem Remis verhilft. Gebeten, alleine eine Partie mit Czentovic auszutragen, lehnt der Unbekannte bescheiden ab und zieht sich zurück. Der Erzähler übernimmt es, den Fremden aufzusuchen und zu einer weite¬ren Partie zu bewegen. Dabei erfährt er die Leidensgeschichte des Dr.B.. Nach wochenlan¬ger politischer Haft, in der er, außer in Verhören, weder sprechen noch lesen noch schreiben durfte, fiel ihm ein Schachbuch mit Meisterpartien in die Hände. Obwohl nur mittelmäßiger Schachspieler, spielte er die Partien im Geiste nach, wobei er sich selbst zum Gegner hatte. Als er das Schachbuch bereits auswendig konnte, dachte er sich selbst neue Partien aus und rief so, in gesteigertem Maße gegen sich selbst fechtend, eine allmähliche Spaltung sei¬nes Ich's hervor. Nach weiteren Wochen der Abgeschiedenheit führte der quälerische Kampf zu einer schweren Nervenkrise. Dr.B. wurde zwar von seiner künstlich erzeugten Schizo¬phrenie geheilt und aus der Haft entlassen, doch rieten ihm die Ärzte, nicht mehr Schach zu spielen. Dennoch läßt er sich dazu bewegen, zur Probe eine einzige Partie gegen den Schachweltmeister zu spielen.
Er gewinnt die erste Partie. Zur zweiten aufgefordert, ist er, vom Spielfieber ergriffen, sofort bereit. Dabei gerät er geistig in eine andere Partie und spielt statt der realen die ihm vor¬schwebende irreale. Aus seinem aufbrausenden Zorn über den vermeintlichen Irrtum seines Gegners, weckt ihn ein mahnendes Wort des Erzählers. Sofort begreift er die wirkliche Lage, entschuldigt sich und zieht sich zurück.
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