Startseite   |  Site map   |  A-Z artikel   |  Artikel einreichen   |   Kontakt   |  
  


deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Auseinandersetzung mit der ns- problematik


1. Drama
2. Liebe

2.1. Frage nach Hannas Schuld >

Im Prozess wird Hanna, wie auch ihre vier Mitangeklagten, zu Last gelegt, dass sie aufgrund ihrer Tätigkeiten als SS- Aufseherin an den nationalsozialistischen Verbrechen als beteiligte Mittäterin erscheinen. Aufgrund Hannas Aussage, im Herbst 1943 freiwillig zur SS gegangen zu sein, obwohl ihr bei Siemens eine bessere berufliche Stellung als Vorarbeiterin angeboten worden war, erscheint sie als überzeugte Nationalsozialistin. "Ihr eigentliches Motiv, nämlich der innere Zwang, die Lebenslüge ihres Analphabetismus nicht aufgeben zu wollen, bleibt dem Gericht verborgen."12 Entscheidend für die Frage nach ihrer Schuld ist aber auch Hannas Einstellung zu ihrem verhalten als SS- Aufseherin während des Prozesses. Zunächst zeigt sie sich naiv- ehrlich und sorglos untaktisch, wenn sie die Selektion beschreibt oder die Ereignisse um den Kirchenbrand schildert. So scheint sie zum Teil mit einem gewissen kämpferischem Eifer, allein der Wahrheit verpflichtet zu sein.

" Wo sie meinte, ihr geschehe Unrecht, widersprach sie, und sie gab zu, was ihres Erachtens zu Recht behauptet und vorgeworfen wurde. [.] Aber sie merkte nicht, dass ihre Beharrlichkeit den vorsitzenden Richter ärgerte. Sie hatte kein Gefühl für den Kontext, für die regeln, nach denen gespielt wurde, für die Formeln, nach denen sich ihre Äußerungen und die der anderen zu Schuld und Unschuld, Verurteilung und Freispruch verrechneten." 13



Letztlich aber verhält sie sich töricht und hilflos, wenn sie etwas mit dem Hinweis auf ihr Pflichtbewusstsein und ihre Verantwortung rechtfertigt, die Gefangenen auf der Flucht in jene Kirche eingeschlossen zu haben, die dann in Brand gerät.

"Hanna merkte, dass sie ihrer Sache mit dem, was sie sagte, keinen Dienst erwies. Aber sie konnte nichts anderes sagen. [.] Weil sie nicht ein noch aus wusste, wandte sie sich wieder an den Vorsitzenden. ,Was hätten Sie denn gemacht?' [.] Der Vorsitzende schüttelte stumm den Kopf." 14



Hanna verteidigt eine Ordnung, die nicht zu verteidigen ist. Damit erscheint sie als eine prinzipiell uneinsichtige Täterin, die sich und der Gesellschaft auch mit zeitlichem Abstand von über zwanzig Jahren das Schuldhafte ihres Verhaltens nicht eingestehen will. Dazu passt dann auch, dass Hanna während der Verkündung der lebenslänglichen Haftstrafe hochmütig und verletzt wirkt. Hannas Schuld besteht also nicht nur in den Vergehen als KZ- Aufseherin, sondern auch in ihrer Uneinsichtigkeit während des Prozesses. Gebrochen wird ihre Schuld durch die Tatsache, dass sie um ihren Analphabetismus nicht zu bekennen Verbrechen auf sich nimmt, die sie in diesem Ausmaß nicht begangen hat. Dies aber entlastet Hanna letztlich nicht.

Michael ist allerdings wie auch der Leser in einer wissenderen Position als die Prozessbeteiligten. Er weiß darum, dass Hanna durch den Umstand, dass sie ihren Analphabetismus nicht offenbaren will, den Mitangeklagten und ihren Verteidigern Gelegenheit gibt, ihr ungerechtfertigt die Hauptschuld anzulasten.

Der Jurist Schlink macht auf ein offenbar juristisches Phänomen hin. Ein Gerichtsurteil ist immer von den Fakten und Informationen abhängig, die in Erfahrung zu bringen sind und die eine bestimmte, vermeintlich angemessene Bewertung nahe legen. Ein Urteil kann so objektiv betrachtet, auch ungerecht erscheinen.

Es könnte der Eindruck entstehen, Hanna sei nun ihrerseits in der Rolle eines Opfers. Dagegen spricht jedoch eindeutig, dass Schlink die weitere Handlung so verlaufen lässt, dass Hanna ihr schuldhaftes Verstricktsein in die NS- Verbrechern selbst einsieht und mit der Konsequenz der Selbsttötung auch akzeptiert.

Michaels Entdeckung das Hanna eine Verbrecherin ist, erklärt seine vorhandene Distanz im zweiten Teil. Er distanziert sich von ihr, weil er meint, durch die Liebe zu einer KZ- Aufseherin mitschuldig geworden zu sein. "Distanz ist freilich das allgemeine Kennzeichen von Michaels sozialen Verbindungen." 15 Auch zu seinen Kommilitonen gibt es kaum Nähe. Zentral ist allerdings auch hier seine persönliche Erfahrung mit Hanna als NS- Verbrecherin: "Was das dritte und eigentliche Thema der Studentenbewegung anging, die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit, spürte ich eine solche Distanz zu den anderen Studenten, dass ich nicht mit ihnen agitieren und demonstrieren wollte." 16



2.2. Umgang mit der Schuld der Nachgeborenen



Michael selbst, mit seinen ca. 20 Jahren, ist zunächst ein typischer Vertreter seiner Generation, "der 68- Generation" 17, die sich mit dem Verhalten ihrer Eltern während der Zeit des Nationalsozialismus sehr engagiert und kritisch auseinandersetzt. "Aufarbeitung! Aufarbeitung der Vergangenheit! [.] dass verurteilt werden müsse, stand für uns fest. Ebenso fest stand für uns, dass es nur vordergründig um die Verurteilung dieses oder jenes KZ- Wächters ging. Die Generation, die sich der Wächter bedient oder sie nicht gehindert oder sie nicht wenigstens ausgestoßen hatte, als sie sie nach 1945 hätten ausstoßen können, stand vor Gericht, und wir verurteilten sie in einem Verfahren der Aufarbeitung und Aufklärung zu Scham." 18 Doch da er seinen Eltern kein Fehlverhalten vorwerfen kann, wird die NS- Problematik für Michael eine konkrete, persönliche Angelegenheit. Er fühlt sich schuldig, weil er eine Verbrecherin geliebt hat und belastet sich damit selbst. Der Autor arrangiert das Handlungsgeschehen auf eine spezifische Weise, indem er Michael "aus der Retrospektive auch theoretisch analysieren lässt. Michael konstatiert, dass ihn und seine Generation dies alles mit Scham erfüllt habe." 19 Michael stört die Selbstgerechtigkeit, der Folgegenerationen, die die Menschen zu NS- Zeiten verurteilen. Er plädiert für einen verantwortungsbewussten, sowie vorsichtigen und fairen Umgang mit der NS- Vergangenheit, vor allem derer, die Unbeteiligt waren.



2.3. Problem der Widergutmachung



Dieses Problem wird am Ende des Romans angesprochen, als Michael einer ehemaligen KZ- Insassin, Hannas gespartes Geld überbringen will, um ihr Testament zu erfüllen. Doch die ehemalige Insassin verbindet mit der Annahme des Geldes die Absolution für Hanna, die sie aber "weder erteilen kann noch will" 20. Die Lossprechung der Schuld der NS- Täterin wird also von Seiten des Opfers verweigert. Eine Wiedergutmachung ist unmöglich, die Opfer können den Tätern nicht einfach verzeihen. Jedoch muss das Verbüßen von Schuld nicht ohne eine gewisse Anerkennung bleiben. Die Inhaftierte erlaubt nämlich schließlich, Hannas Geld in Hannas Namen einer jüdischen Organisation gegen Analphabetismus zukommen zu lassen.

 
 

Datenschutz
Top Themen / Analyse
Arrow Schritte der Gedichtsinterpretation
Arrow Inhaltliche Beschreibung zu "Paris im 20. Jahrhundert"
Arrow LESEFRÜCHTE - -Narziß und Goldmund
Arrow Botschaft von
Arrow Effi Briest Inhaltsangabe - Fontanes Wirken
Arrow HEINRICH VON KLEIST(1777-1811) -
Arrow DIE FREMDARTIGEN BEGRIFFE IN DER NOVELLE KATZ UND MAUS
Arrow Fotorealismus (Hyperrealismus)
Arrow Death- and Disaster Serie
Arrow Marlen HAUSHOFER


Datenschutz
Zum selben thema
icon Grammatik
icon Charakteristik
icon Präsentation
icon Buchvorstellung
icon Untertan
icon Tragödie
icon Film
icon Theater
icon Legende
icon Erörterung
icon Problematik
icon Inhaltsangabe
icon Sprache
icon Textinterpretation
icon Struktur
icon Zusammenfassung
icon Textanalyse
icon Interpretation
icon Novelle
icon Analyse
icon Literatur
icon Definition
icon Erlebnisbericht
icon Aufsatz
icon Inhaltsangabe
icon Literaturarbeit
icon Komödie
icon Leben & Werke
icon Vergleich
icon Charakterisierung
icon Argumentation
icon Hintergründe
icon Szenenanalyse
icon Inhaltszusammenfassung
icon Buch
icon Rezension
icon Buchbesprechung
icon Inhalt
icon Gedicht
icon Biographie
icon Autor
A-Z deutsch artikel:
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #

Copyright © 2008 - : ARTIKEL32 | Alle rechte vorbehalten.
Vervielfältigung im Ganzen oder teilweise das Material auf dieser Website gegen das Urheberrecht und wird bestraft, nach dem Gesetz.
dsolution