In tiefsten Elend lebende Weber zetteln einen Aufstand an. Die Villa des Fabriksherrn Hrn. Dreißiger wird gestürmt. Die Weber wollen weiterziehen, haben jedoch nicht nur gegen die örtliche Polizei zu kämpfen, sondern auch gegen das eingesetzte Militär. Am Ende des Werkes vertreiben die Weber das Militär aus ihrer Stadt und ziehen weiter.
1. Akt:
Die Weber kommen zur Ablieferung ihrer Waren nach Peterswaldau zu den Dreißigern. Auch der Weber Bäcker, der am Vortag vor Dreißigers Haus mit einer Gruppe von anderen Webern demonstriert und das "Blutgericht" gesungen hat, ist zur Ablieferung gekommen. Expedient Pfeifer verkündet eine Lohnkürzung. Diese wird jedoch vom selbstbewußte Bäcker nicht ohne Protest hingenommen, was so den ersten Konflikt provoziert. Bäcker will sich nicht mehr länger mit den Ausbeutungsverhältnissen abfinden. Es erscheint Dreißiger und droht, das Singen des Blutgerichtes polizeilich zu unterbinden und Bäcker zu entlassen. Bäcker bleibt jedoch bei seiner Haltung.
2. Akt:
Der Akt beginnt mit einer neuerlichen Darstellung der Not der Weber bei Ansorge und der Familie Baumert. Es erscheint Moritz Jäger. Er ist kein Weber, teilt nicht Not und Elend mit ihnen und war wegen seines Militärdienstes längere Zeit nicht in der Stadt; jedoch erscheint er als ein Vertrauter. Er stammt aus dem Webermilieu und ist im Dorf aufgewachsen. Er kennt das Elend der Weber und fühlt sich mit ihnen solidarisch.
Baumert schlägt Jäger vor, die Sache der Weber in seine Hände zu nehmen. Jäger entgegnet mit großen Worten. Die Szene wird dann durch das Singen vom Blutgericht fortgesetzt. Am Ende des Liedes springt Baumert auf und schimpft über die Fabrikanten. Viele Weber schließen sich an. Damit ist endgültig in den Köpfen der Weber ihre Aussichtslosigkeit eingedrungen, die zuvor noch durch beruhigende Reden beschwichtigt waren.
3. Akt:
Dieser Akt spielt in einer Gastwirtschaft. Es treten neben den Webern eine große Anzahl von Figuren auf, die nicht unmittelbar aus dem Milieu stammen: der Wirt Welzel und seine Familie, ein Bauer, ein Förster ,der Lumpensammler Hornig, der Schmied Wittig und schließlich der Gendarm Kutsche.
Zu Beginn betreten eine Schar von Webern, angeführt von Bäcker und Jäger lärmend die Gaststätte. Sie besprechen Aktionen gegen die Dreißiger. Wittig teilt zwar nicht das Elend der Weber, jedoch hat er einen kämpferischen Standpunkt in der Frage der sozialen Ungerechtigkeit. Als ihn einige alte Weber auffordern, sich zu ihnen zu setzen, lehnt er ab.
Wittigs Verhalten ändert sich jedoch, als Gendarm Kutsche erscheint. Wittig haßt die "Obrigkeit" und damit auch Kutsche. Er gerät mit diesem in ein Streitgespräch. Als schließlich Kutsche das Singen des Blutgerichtes verbieten will, solidarisiert sich Wittig mit den Webern. Unter dem Gesang des Blutgerichtes verlassen die Weber, angeführt von Bäcker und Wittig, schließlich die Gaststätte.
4. Akt:
Im 4 Akt eskaliert das Geschehen. Zu Beginn schildert Hauptmann das luxuriöse Leben im Kreis der Familie. Die Teetafel wird dann durch den Gesang des Blutgerichtes gestört. Als darauf Weinhold, im Gegensatz zu Kittelhaus, meint, die Weber seien eben hungrige Menschen, entläßt Dreißiger ihn. Dies zeigt die Ignoranz Dreißigers. Als Jäger festgenommen wird und dann im Beisein des inzwischen erschienenen Gendarmen und Polizeiverwalters in den Räumen Dreißigers verhört wird, zeigt der Weber keine Furcht. Am Ende spuckt er sogar auf den Boden. Als Jäger abgeführt wird, hält Dreißiger die Situation für bereinigt.
Jäger wird schließlich befreit und die Weber dringen in das Haus der Dreißiger ein. Die Dreißiger fliehen, und die Weber demolieren die Räume.
5.Akt:
Im 5. Akt steigert Hauptmann nochmals den Aufstand. Nicht nur daß die Demolierungen, jetzt im Hause des Fabrikanten Dittrich, weitergehen, sondern auch der Kampf gegen die staatliche Obrigkeit weitet sich aus. Nun steht den Webern auch das Militär gegenüber.
Zu Beginn zeigt jedoch der Autor neuerlich die Verhältnisse der Weber, diesmal im Haus der Familie Hilse in Langenbielau. Im Anschluß an diese Szene berichten Hornig und Schmidt über die Vorfälle in Peterswaldau und den dortigen Abmarsch der Weber. Die Weber ziehen nun Richtung Langenbielau. Immer mehr Menschen schließen sich der Menge an. Auch der Kampf gegen das Militär wird in Berichten vermittelt.
Als die Kämpfe im Ort Langenbielau sich fortsetzen, wird Hilse durch eine Militärkugel getötet. Er wurde zwar gewarnt, doch aus Sturheit, so z.B. konnte keiner ihn von seiner Ablehnung des Aufstandes abbringen, blieb er am Fenster seiner Wohnung sitzen. Schließlich vertreiben die Weber das Militär.
Das Lied "Bluttgerichte", das in "Dreißicherlied" umbenannt wurde:
Hier im Ort ist ein Gericht,
noch schlimmer als die Vehmen,
wo man nicht erst ein Urteil spricht,
das Leben schnell zu nehmen.
Hier wird der Mensch langsam gequält,
hier ist die Folterkammer,
hier werden Seufzer viel gezählt
als Zeugen von dem Jammer.
Die Herren Dreißiger die Henker sind,
die Diener ihre Schergen,
davon ein jeder tapfer schind't,
anstatt was zu verbergen.
Ihr Schurken all, ihr Satansbrut,
ihr höllischen Kujone,
ihr freßt der Armen Hab und Gut,
und Fluch wird euch zum Lohne.
Hier hilft kein Bitten und kein Flehn,
umsonst ist alles Klagen.
"Gefällt's euch nicht, so könnt ihr gehn
am Hungertuche nagen."
Nun denke man sich diese Not
und Elend dieser Armen,
zu Haus oft keinen Bissen Brot,
ist das nicht zum Erbarmen?
Erbarmen, ha! ein schön Gefühl,
euch Kannibalen fremde,
ein jedes kennt schon euer Ziel,
's ist der Armen Haut und Hemde.
Entstehung:
Entstehungszeit: 1891-1892.
Das Drama "Die Weber" hat Gerhart Hauptmann seinem Vater Robert Hauptmann gewidmet.
Als Grundlage dienten Erzählungen des Vaters vom Großvater. Ergänzungen lieferten detaillierte Studien sowie 2 Informationsreisen ins schlesische Webergebiet 1891. Sie spielten sich im Juni 1844 in den schlesischen Orten Kaschbach, Langenbielau und Peterswaldau ab, als ein spontaner Aufstand der von ihren Arbeitgebern ausgebeuteten Weber mit militärischer Gewalt niedergeschlagen wurde.
Die Hilse-Handlung am Ende wendet sich gegen die Auffassung, das Drama sei ein sozialrevolutionäres Tendenzstück. Zensurbehörden Wilhelm II. Versuchten, die Aufführung der Weber zu verhindern mit der Begründung, die enthaltenen Schilderungen erzeugen Klassenhaß und könnten zu einem Anziehungspunkt für den zu Demonstrationen geneigten Teil der Bevölkerung Berlins werden. Erst nach langen gerichtlichen Verhandlungen wurde das Verbot aufgehoben, worauf Kaiser Wilhelm II. die Loge im Deutschen Theater Berlin kündigte.
G. Hauptmanns Schauspiel wurde am 26. Februar 1893 in Berlin öffentlich uraufgeführt.
Ausgaben:
Hochdeutsch angenäherte Fassung, 1892;
Dialektfassung "De Waber", 1892;
Bearbeitet von L. Wulff, "Die Weber oder Die eigentlichen Morituri von Rautendelein Hauptmann, 1898;
Hg. H. Schwab-Felisch, 1963;
Centenar-Ausgabe, 1966.
Verfilmung:
Deutschland 1927, Regie: F. Zelnik
Form, Gattung; Ort und Zeit; Sprache:
Soziales Drama in fünf Akten
Im schlesischen Dialekt geschrieben.
Aussage:
Hauptmann geht auf historische Zusammenhänge in seinem Drama nicht ein, auch wenn er es zeitlich in den Vierziger Jahren "spielen" läßt. Aber nicht nur die eindeutigen Ortsangaben, wie Peterswaldau, Kaschbach, Langenbielau, machen den Bezug auf die Aufstände der Weber von 1844 sichtbar, sondern auch die Vielzahl von Einzelangaben und Milieubeschreibungen, welche besonders in den ersten drei Akten zu finden ist.
Schon am Beginn des ersten Aktes entsteht eine Konfliktsituation, in welcher die Ausbeutungs- und Abhängig¬keits¬verhältnisse der Weber beschrieben wird.
Hauptmann entwickelt eine sich vom Anfang bis zum Ende steigernde Handlung, wobei sich in den ersten drei Akten eine vorbereitende Phase, dann eine Phase, in welcher der Aufstand offen ausbricht und dabei seinen Höhepunkt im Kampf der Weber gegen das Militär am Ende des Stückes findet.
Auffallend ist der Auftritt immer neuer Personen, was eine gewisse weitere Eskalation der Handlung bewirkt. Allgemein ist anzumerken, daß dieses Werk keine Einzelperson zum Helden hat, sondern die Masse des arbeitenden Volkes. Eine sehr interessante Figur ist der alte Hilse., der sich aus moralischen Gründen gegen den Aufstand der Weber wendet, ohne jedoch die Partei der Kontrahenten zu ergreifen.
Gerhart Hauptmann widmete das Weberdrama seinem Vater Robert H., welcher selber ein Weber war. Neuartig in diesem Stück ist vor allem, daß es keinen zentralen Helden mehr hat. Erstmals in der deutschen Literatur ist die Volksmasse ein kollektiver Held.
Im 1. Akt wird die Willkür der Unternehmer gegenüber den Webern gezeigt. Dies ist eine Massenszene wobei die Armut der Weber dargestellt wird. Der 2. Akt ist die Schilderung des Alltagselends einer Weberfamilie, in der die unmenschlichen Lebensumstände der Weber weiter veranschaulicht werden. Die Wirtshausszene im 3. Akt zeigt die sozialen Folgen des Elends für die ganze Region. Die Bereitschaft der Ausgebeuteten zum Widerstand wird deutlich. Der 4. Akt, im Haus des Fabrikanten Dreißiger, zeigt Reichtum und Arroganz der Oberschicht. Im 5. Akt wird in der Figur des Hilse das passive Erdulden dem emotionalen Aufstand gegenübergestellt.
Literaturverweis:
Im aufkommenden Industrialismus kämpften namhafte Schriftsteller für bessere Lebensbedingungen der Armen. Besonders hervorzuheben ist Bettina von Arnim, die im Anhang ihres Werkes "Dieses Buch gehört dem König" ein Dokument der Armut, gesehen von "einem jungen Schweitzer im Vogtland" schrieb. Heinrich Heine hat anläßlich des schlesischen Weberaufstandes 1844 ein Gedicht geschrieben, welches die Verzweiflung der Weber treffend zum Ausdruck bringt.
Die schlesischen Weber Heinrich Heine
Im düstern Auge keine Träne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem Gotte zu dem wir beten
In Winterskälte und Hungersnöten;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt -
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschießen läßt -
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!
Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht -
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch,
Wir weben, wir weben!
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