. Im Fanatismus der Rassenhetze tritt die Unzugänglichkeit für Vernunftgründe besonders deutlich zutage, oft verbunden mit pseudowissenschaftlicher Begründung (Drittes Reich, Haltung zum Farbigen in den USA)
. Das nationalistische Vorurteil verhindert die heute so dringend notwendige Verständigung der Völker ( Israelis-Araber, Griechen-Türken)
Das Vorurteil ist leider alles andere als ein harmloser Irrtum. Die heutige Weltlage bietet aber wenig Hoffnung, daß wir wirklich der erwünschten vorurteilsfreien Zukunft entgegengehen.
Als literarisches Beispiel läßt sich hier sehr gut "Der Talisman" von Johann Nestroy anführen, wo Nestroy die verhängnisvolle Macht des Vorurteils aufzeigt.
Der arbeitslose rothaarige Friseurgeselle Titus Feuerfuchs kann nur mit Hilfe einer Perücke - seines Talismans - im Hause der Frau von Cypressenburg Karriere machen. Zwei jüngst verwitwete Damen interessieren sich für Titus. Er wird der Herrin, ebenfalls Witwe, vorgestellt, die ihm aufgrund seiner blonden Haarpracht als Sekretär einstellt, nachdem sie bereits einen anderen rothaarigen, jedoch gut gebildeten Mann wieder weggeschickt hatte.
Der gesellschaftliche Aufstieg ist ihm durch den Schwindel mit der Perücke mühelos gelungen. Seine wahre Haarfarbe kommt jedoch ans Tageslicht, der Empörkömmling stürzt sich ins Bodenlose. Als eine reiche Erbschaft winkt, wird Titus für die Witwen wieder interessant, doch heiratet er die ebenfalls rothaarige Salome Pockerl, als seine finanzielle Lage dank einem reichen Vetter gesichert ist.
Als weiteres literarisches Beispiel läßt sich außerdem "Andorra" von Max Frisch anführen; ein Drama über das ganz gewöhnliche, "dumme Vorurteil".
In diesem Stück geht es um die Gefährlichkeit von Vorurteilen, welche anhand des Schicksals von Andri, der in die Rolle eines Juden gedrängt wird, gezeigt wird. Die Andorraner mißbrauchen ihn als Sündenbock, dem alles Böse zugeschrieben wird. Sie sind unbarmherzig und einzig an ihrem Vorurteil festhaltend er wäre ein typischer Jude und deshalb mit allen Nachteilen behaftet, die man diesem Volk andichtet. Somit wandelt sich sein Charakter, was ihn natürlich einsam, leidend und verzweifelt macht.
Frisch geht es vor allem darum, die Menschen darauf hinzuweisen, daß man sich kein "Bild" vom anderen machen soll, denn dadurch gibt man ihm keine Chance, Eigenleben zu entwickeln, verbaut sich aber auch zusätzlich den Weg, ihn wirklich kennenzulernen. Das Stück ist das Exempel dafür, daß der andere der Schlechte ist, der Sündenbock, der schließlich vernichtet werden muß. Wenn es diesen anderen nicht gibt, dann erfindet man ihn eben. So wird der Antisemitismus zur unerbittlichen, harten Metapher der Urbösen des Menschen, das auf die Vernichtung des anderen aus ist. Hier läßt sich erkennen, daß das Böse zunächst nicht so sehr im einzelnen als vielmehr in der Gruppe ihren Ursprung hat. Diese aber besteht wieder aus den einzelnen und ihren Vorurteilen.
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