Der gesellschaftskritisierende Roman "Der Untertan" wurde 1914 von Heinrich Mann (1871-1950) geschrieben. Er konnte allerdings, aufgrund der wilhelminischen Herrschaft, erst nach dem 1. Weltkrieg, 1918, veröffentlicht werden, was jedoch den vielen Anklang bei der Bevölkerung nicht minderte. 1951 wurde der Film "Der Untertan" fertiggestellt. Der Roman handelt vom Leben des Diederich Heßling, ein typischer damaliger Zeitgenosse, der dem Fanatismus des Kaisers (Wilhelm II.) verfällt und im Allgemeinen sehr untugendhafte Eigenschaften besitzt.
Diederich war ein schwächliches, ängstliches Kind, das in einem vornehmen Elternhaus aufwuchs. Sein Vater war ein finanziell gutversorgter Fabrikant, seine Mutter, wie fast alle Frauen jener Zeit, eine Hausfrau. Sein Vater lehrte ihm Gehorsam und Unterwürfigkeit, sowie die Macht zu verehren. Diederich sah seinen Vater als eine Art Gott, eine Macht, die immer im Recht war und die man niemals hinterging. Vor seiner Mutter hatte er keinen Respekt (weil sie selbst dem Vater untergeordnet war), doch sie "versorgte" ihn mit mütterlicher Liebe, erzählte ihrem Sohn Märchen und träumte sich mit ihm in andere Welten. Sie schlug aber auch und dies ungerechterweise. Durch die verschiedenen elterlichen Einflüsse bekam Diederich eine zweigleisige Erziehung. In der Schule war er antisemitistisch eingestellt und erniedrigte häufig einen jüd. Mitschüler. Die anderen Schüler jedoch tolerierten dies und besonders in der Gruppe fühlte Diederich sich stark. Er war allerdings auch ein Lehrerspitzel und spielte Schüler gegen Lehrer aus.
In seinem Erwachsenenleben beginnt Diederich sein Studium in Berlin, wo er durch einen Bekannten auf die Familie Göppel trifft. Ganz besonders hat es ihm Agnes Göppel angetan. Durch sie bekommt sein rücksichtsloser, hinterhältiger Charakter neue Züge. Er wird zärtlich, behandelt Agnes einerseits liebevoll (andererseits tyrannisiert er sie). Dies kann man daran belegen, dass er mit ihr Galerieausstellungen besucht, dabei zärtlich ihre Hand hält und sich mit ihr in andere Welten träumt. Doch immer wieder packen ihn (nationalsozialistisch/diktatorisch) dominante Züge, die Agnes hart zu spüren bekommt, wie z.B. als er sie in einem luftknappen Schrank einschließt. Er ist also sehr zwiespältig Agnes gegenüber; die positiven Eigenschaften werden jedoch verdrängt. Sein Verhältnis zu ihr beendet er, indem er Agnes' verlorene Jungfräulichkeit bemängelt, obwohl er sie ihr geraubt hat. Nachdem er seinen "Doktor der Chemie" gemacht hat, kehrt er in seine Heimatstadt Netzig zurück, um den Beruf seines verstorbenen Vaters fortzusetzen.
Diederich ist ein recht gutgenährter Mann, der einen gepflegten Eindruck durch seine Kleidung macht. Besonders markant an ihm ist sein Schnurrbart, der dem von Wilhelm II. gleicht. In seinen Studienjahren zog er sich in einem Fechtkampf eine Narbe an der Wange zu. Seine Redensweise und
-art ähnelt auch der "seines" Kaisers.
Diederich ist sehr materiell orientiert, weshalb er auch die reiche Guste Daimchen heiratet, obwohl diese vorher einen Lebensgefährten hatte. Somit teilt sie nun ihr Vermögen mit ihm. Diederich möchte in die vornehme Gesellschaft integriert sein und um dies zu erreichen, verhält er sich Gleichgestellten und Höhergestellten gegenüber zwiespältig - einerseits kratzt er sich bei ihnen ein, andererseits versucht er, etwas gegen sie zu planen. Und das alles nur weil sein Durst nach Macht nicht zu stillen ist. Untergebene "tritt" er und fühlt sich ihnen überlegen. Dies z.B. kann man anhand des Zwischenfalls zwischen Diederich und den Fabrikangestellten belegen. Er denkt über andere genauso schlecht wie über sich und traut seinen Mitmenschen die gleichen Missetaten zu.
Diederich hat schon in seiner Jugend beigebracht bekommen, "nach oben zu buckeln und nach unten zu treten" bzw. "treten und sich treten lassen". Als letzter Nebenpunkt wäre zu nennen, dass er Angst vor "großen Tieren" hat. Dies ist auch auf seine Kindheit zurückzuführen.
Im Ganzen gesehen ist Diederich ein charakterschwacher, hinterhältiger und machthungriger Mann, der treu, fast schon fanatisch, seinem Kaiser untergeben ist. Sein Name "Heßling" ist eine Anspielung auf sein Wesen.
Heinrich Mann schrieb diesen Roman, um den Leuten der damaligen Zeit die Augen über sich selbst (Anm.: bezogen auf Leute)und den Landsleuten zu öffnen.
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