Biographie
Man weiß wenig über die ersten zwanzig Lebensjahre Grimmelshausens, da es an dokumentarischem Material fehlt. Daher wird gern - trotz aller Fragwürdigkeit dieses Verfahrens - auf die Biographie seines Romanhelden Simplicius Simplicissimus zurückgegriffen, die autobiographische Züge aufzuweisen scheint.
Grimmelshausen wurde im hessischen Gelnhausen, einer lutherischen Reichsstadt, offenbar als Sohn eines Gastwirts adeliger Abkunft geboren. Er verwaiste schon in jungem Alter und wuchs bei seinem Großvater auf, dem Bäcker Melchior Christoph, der sich nicht mehr \"von Grimmelshausen\" nannte.
Zunächst besuchte Grimmelshausen wohl sechs oder sieben Jahre lang die Lateinschule in Gelnhausen, doch im September 1634 wurde die Stadt von kaiserlichen Truppen geplündert und zerstört, und die Bevölkerung floh in die von Schweden und Hessen besetzte Festung Hanau. Von da an bestimmte der Krieg sein Leben. Er scheint nach einigem Hin und Her als Musketier im kaiserlichen Heer gedient zu haben, war von 1637 bis 1638 in Westfalen stationiert und gelangte schließlich an den Oberrhein. Er wurde hier Sekretär im Regiment Reinhard von Schauenburgs in Offenburg. Kurz vor Kriegsende nahm er noch einmal, als Regimentssekretär, an einem Feldzug in Bayern teil.
Nach seiner Rückkehr heiratete der inzwischen zum Katholizismus übergetretene Grimmelshausen am 30.8.1649 Catharina Henninger, die Tochter eines angesehenen Bürgers und späteren Ratsherrn. Im selben Jahr trat er in den Dienst seines früheren Offenburger Kommandanten und seiner Familie und bekleidete bis 1660 die Stelle eines \"Schaffners\" in Gaisbach bei Oberkirch (Ortenau), d.h. er war Vermögensverwalter, Wirtschafts- und Rechnungsführer der Freiherrn von Schauenburg. Danach, von 1662 bis 1665, versah er eine ähnliche Verwalterstelle auf der nahegelegenen Ullenburg.
In den beiden nächsten Jahren betrieb er dann die Wirtschaft \"Zum Silbernen Stern\" in Gaisbach, bis es ihm 1667 mit der erfolgreichen Bewerbung um die Schultheißenstelle im benachbarten Renchen endgültig gelang, die Existenz seiner vielköpfigen Familie - zehn Kinder wurden zwischen 1650 und 1669 geboren - zu sichern.
Mit Ausnahme zweier kleinerer Satiren (1658 und 1660) wurde die gesamte literarische Produktion Grimmelshausens während seiner Renchener Zeit veröffentlicht. Thema der satirisch-realistischen Romane und Erzählungen ist immer wieder der Krieg, allen voran in Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch (1668) und in der sich anschließenden Continuatio... Oder Der Schluß desselben (1669). In der Tradition des spanischen Pikaroromans des 16. Jahrhunderts erzählt der Simplicissimus die Geschichte eines unschuldigen Kindes, das durch seine Erfahrungen im Dreißigjährigen Krieg mit dem Leben in Kontakt gerät. Der Roman zeigt die Entwicklung einer menschlichen Seele vor dem erschreckenden Hintergrund eines Deutschland, das durch Krieg, Entvölkerung, Grausamkeit und Angst gekennzeichnet ist. Vor dieser Kulisse entfaltet sich Grimmelshausens Erzählkraft durch realistische Beobachtung, trockenen Humor, Sozialkritik und meisterhafte Figurengestaltung. Seine Urheberschaft am Simplicissimus wurde allerdings erst 1837 durch seine Initialen HJCVG erkannt.
In engem thematischen und teilweise auch personellen Zusammenhang mit dem Simplicissimus stehen vier weitere Romane und Erzählungen, die der Autor selbst als Teile seines großen Romans bezeichnet: Die Landstörtzerin Courasche (1670), die Bertolt Brecht 1941 zu seinem Theaterstück \"Mutter Courage und ihre Kinder\" inspirierte, Der seltsame Springinsfeld (1670), Das wunderbarliche Vogel-Nest (2 Teile, 1672 und 1675). Den Gegenpol zu diesem satirischen \"Romanzyklus\" bilden die erbaulichen Romane Dietwalt und Amelinde (1670) und Proximus und Lympida (1672), mit denen Grimmelshausen an seinen frühen Josephsroman anknüpft (Histori vom Keuschen Joseph in Egypten, 1666) und Erzählweisen und Motive des höfischen Romans mit Legendenhaft-Erbaulichem verbindet.
Weitere Werke
Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch
Trutz Simplex Oder ... Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche
Der seltzame Springinsfeld
Der keusche Joseph
DU sehr-verachter Bauren-Stand
Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Von ihren überschönen Augen
Ihr Augen, die ihr mich mit einem Blick und Blitz
Scharpf oder süß nach Lust könnt strafen und belohnen,
O liebliches Gestirn, Stern\', deren Licht und Hitz
Kann, züchtigend den Stolz, der Züchtigen verschonen:
Und ihr, der Lieb\' Werkzeug, Kundschafter unsrer Witz,
Augbrauen, ja vielmehr Triumphbogen, nein, Kronen,
Darunder Lieb\' und Zucht in überschönem Sitz,
Mit brauner Klarheit Schmuck erleuchtet, leuchtend wohnen!
Wer recht kann eure Form, Farb, Wesen, Würkung, Kraft,
Der kann der Engeln Stand, Schein, Schönheit, Tun und Gehen,
Der kann der wahren Lieb\' Gewalt und Eigenschaft,
Der Schönheit Schönheit selbst, der Seelen Freud und Flehen
Und der Glückseligkeit und Tugenden Freundschaft
In euch (der Natur Kunst besehend) wohl verstehen!
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