Wenn ich mir das titellose Gedicht von Zafer Senocak durchlese ist das erste woran ich denke, dass dieser Mensch zwischen 2 Planeten, wie er so schön sagt steht. Dieser Mensch ist hin und her gerissen zwischen, wie es mir scheint, zwei Welten , Zwei Kulturen, zwei Ländern, zwei Sprachen, zwei Lebensweisen, zwei Identitäten. Er weiß nicht genau zu was er mehr stehen, bzw, sich bekennen soll. Zu seinen Wurzeln oder zu seiner zweiten Heimat - Deutschland. Die erste Strophe lässt mich deutlich sehen, wie sehr dieser Mensch im Kampf um seine Selbstfindung steht. Er kann sich nicht zu einem bekennen und das andere einfach vergessen. Beide Kulturen wohnen in ihm inne. Sowohl seine heimatliche türkische Kultur, als auch seine im täglichen Leben erfahrenen deutsche Kultur. Beide "Planeten" zerren an ihm, da zeigt, wie sehr er in seinem Inneren mit seiner Unentschlossenheit zu kämpfen hat. Ein Kampf- Kultur gegen Kultur, Land gegen Land, Sprache gegen Sprache, Lebensweise gegen Lebensweise, deutsche gegen türkische Identität.
Er trägt zwei Welten in sich. Zwei Welten mit unterschiedlichen Sitten, Bräuchen, Kulturen, Religionen, Sprachen, Lebensweisheiten, Feiertagen, Menschen. Das diese Welten ständig Bluten zeigt auch, mit welcher Gewalt diese Welten aufeinander prallen. Sie werden nicht eins miteinander, sondern ecken aneinander an, was zur Folge hat, dass Senocak keine endgültige Entscheidung treffen will, wie er und wonach er leben will.
Die Grenze verläuft mitten durch seine Zunge. Das beweist auch, dass er sich nicht zu einer Sprache bekennen will, weil man so viele Dinge auf so unterschiedliche Weise zum Ausdruck bringen kann. Vielleicht erscheint einem die türkische Fassung logischer und wortgewanter, als wenn man die gleichen Zeilen auf Deutsch vor sich hat und diese dann übersetzt ganz anders rüberkommen, als erhofft und beabsichtigt. Beide Sprachen haben ihre eigenen Ausdrucksformen, Stärken und Schwächen, sodass er beide Sprachen beibehalten sollte , sodass es ihm auch möglich ist sich noch wortgewanter und genauer ausdrücken zu können.
Er rüttelt an diesem Gedanken wie ein Inhaftierter, den unbedingt aus seiner Inhaftierung entkommen will, doch es einfach nicht schafft, weil er nicht stark genug ist um die Gitter zu sprengen und sich zu befreien. Er ist gefangen in einem Käfig voller Fragen, Wiedersprüche und Ängste . Er weiß nicht, wie er sich entscheiden soll. Ist er nun deutscher Kultur, der er sich angepasst hat, oder ist er doch seinen türkischen Wurzeln treu ? Das ganze ist wie das Spiel an einer Wunde, schmerzhaft und zerreisend. Aber Wunden verheilen und vielleicht wird Senocak auch irgendwann eine Lösung auf seine Frage finde, wenn seine zwei Welten verheilt und miteinander verwachsen sind.
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