Das kritische Gedicht "Der Bauer" wurde von Gottfried August Bürger 1773 geschrieben und stammt somit aus der Zeit des "Sturm und Dranges". Auf mich wirkt das Gedicht beim ersten Lesen fordernd, verwirrend und gleichmäßig. "Der Bauer" besteht aus 6 Stropen, die jeweils 3 Verse aufweisen. Somit hat es 18 Verse. Es ist ein Rollengedicht, welches durch die Ich-Form und den politisch-kritischen Text deutlich wird. Bürger verwendete keine Reime und ein sehr ungleichmäßiges Metrum.
Durch die Reimlosigkeit wirkt der lyrische Text wie eine Geschichte und man kann sich eher damit beschäftigen. Das unregelmäßige Metrum zeigt das Kritische, da sich "der Bauer" nicht mehr in eine bestimmte Rolle reinpressen lassen wollte. Das Rollengedicht ist an den "Durchlauchten Tyrannen" gewidmet. Darin sehe ich einen Widerspruch, da die "Durchlauchten" normalerweise gerecht und fürstlich sind. Ein Tyrann dagegen ist genau das Gegenteil. Allein in diese Widmung sieht man die große Antipatie gegen die Regierung.
Die Wortwiederholung "Fürst" kommt in den Versen 1, 4 und 7 vor. Somit wird der Schuldige direkt angesprochen und kann nicht weghören. Zugleich werden aber auch die anderen angesprochen, damit sie auch endlich einsehen, dass nicht sie an dem ganzen Unglück Schuld sind, sondern der Fürst. Die gleiche Wirkung hat es auch auf den Leser: Der Verfasser fleht regelrecht, dass man ihn endlich aus seinem Leid befreien soll. Der Tyrann unterdrückt seine Untertanen, ohne mit der Wimper zu zucken: "daß ohne Scheu" (Z. 1).
Auch Hyperbel ("Zerschlagen darf dein Roß?" (Z. 3)) tragen zu der Kritik bei. Der Bauer wird durch den Luxus des Fürsten immer ärmer und wird förmlich von Innen zerrissen. Er leidet unter der Unterdrückung und möchte aus dieser endlich befreit werden: "Zerrollen mich dein Wagenrad" (Z. 2). In der nächsten Strophe unterschiedet der Autor extrem unter "meinem" und "deinem": "mein Fleisch" (Z.
4), "Dein Freund, dein Jagdhund" (Z. 5). So sieht man, dass der Bauer eigentlich nur noch sich selbst hat, was durch den Metapher "Fleisch" hier dargestellt wurde. Der Fürst hingegen hat andere, die ihn auch unterstützen: Der Freund oder auch sein Jagdhund. Aber da wirft sich die Frage auf, ob er eigentlich auch noch sich selbst hat und sich selbst auch kennt. Er versucht dem Bauern alles zu nehmen, doch sein Fleisch kann er nicht bekommen.
In dieser Strophe fragt der Fragende wieder, wer der Fürst sei (Z. 7). Vielleicht möchte er auch so die Realität verdrängen, da es eine verzeifelte Frage ist, weil er nicht verstehen kann, wie eine Mensch sowas einem anderen Menschen antun kann. Er will endlich hören, dass er wirklich ein Mensch ist. Vielleicht zeigt das auch sein Gerechtigkeitssinn: Er kann den Gedanken nicht ertragen, dass er den Falschen anklagt. Die Personifizierung ("Das Hurra deiner Jagd" (Vers 8)) trägt dazu bei, dass man sich die aussichtslose Lage der Hauptfigur noch besser vorstellen kann.
Der Leser hat regelrecht ein Bild vor sich, wie der kleine Bauer von der großen Anzahl der Tiere verfolgt wird, bis er endlich tot ist. Der Fürst macht mit der Qual immer weiter und hat kein Erbarmen mit seinen Untertanen. Der Vergleich "Entatmet, wie das Wild?" (Vers 9) zeigt die Brutalität dieses "Menschen". Sogar das Tier hat Angst vor ihm und der Bauer fühlt sich auch wie das Wild, dass nur zum Ausbeuten oder zur Freude gejagt wird: man muss vor Menschen wegrennen, obwohl man eigentlich von der gleichen Art stammt. Aber keiner kümmert sich richtig um ihn, er hat nur sich selbst. Der Tyrann nimmt sich wirklich alles, was er bekommen kann und gibt seinen Nächsten (Roß und Hund) auch etwas davon ab: "Was Roß, und Hund, und du verschlingst" (Z.
11). Das Roß und der Hund könnten für seine Hilfsmänner stehen, also diejenigen, die ihm zum Beispiel bei der Ausführung seines Willens helfen. Und da sie ihm ebenfalls dienen, bekommen sie auch etwas von der Beute ab. Doch der Bauer versucht sein letztes Hab und Gut vor der "höheren Macht" zu schützen: "Das Brot, du Fürst, ist mein" (Z. 12). Auch wenn hier nur das Brot genannt ist.
Ich denke, dass der Verfasser damit das Leben meint. Denn das Brot stellt Nahrung dar und somit auch das Leben. Somit kann der Tyrann ihm doch alles stehlen, doch das Teuerste bleibt ihm: Das Leben. In der 5. Strophe versucht der Bauer dem Tyrannen deutlich zu machen, dass er in seinem Leben auch schon etwas geschafft hat: alles, was er sein Eigen nennen kann, dafür hat er hart gearbeitet. Der Fürst hingegen, "klaut" sich alles zusammen und führt durchweg ein verlogenes Leben: "Du Fürst hast nicht, bei Egg und Pflug, Hast nicht den Erntetag durchschwitzt.
Mein, mein ist Fleiß und Brot!" (Z. 13, 14,15). Die Elipse in der letzten Strophe ("Ha!" (Vers 16)) veranschaulicht, dass der Bauer vielleicht noch mehr überlegender ist, als man es sich erst vorgestellt hat. Er kann den Tyrannen schon mit kleinen Worten angreifen. Und lacht ihn regelrecht aus, dass er denkt, dass er etwas Besseres ist, nur weil er denkt, dass er von Gott beschützt wird: "du wärst Obrigkeit vor Gott?". So stellt er überhaupt den ganzen Status des Oberhaupts in Frage.
Und der Kontrast "Gott spendet Segen aus; du raubst!" (Z. 17) zeigt, wie unmenschlich die höhste Macht in seinem Staat ist. Seine Pflicht wäre, seine Bürger zu schützen und nur das Beste für sie zu wollen, doch er macht einfach das Gegenteil, weil es mehr Spaß macht und vielleicht auch einfach leichter ist. In der letzten Strophe findet man ausschließlich Frage oder Aussagesätze, was so etwas wie einen Höhepunkt darstellen soll. Jetzt kommen noch einmal alle Fragen und alle Beschuldigungen zusammen. Im Verlauf des ganzen Gedichtes ist zu erkenne, dass der Tyrann nur ein passives Mitglied ist: Er lässt Hund, Roß oder Wagen alles regeln.
Das zeigt auch die Törigkeit seiner Anhänger, die ihm einfach blind vertrauen. Ich könnte mir das Gedicht auch gut in der "Hitler-Zeit" vorstellen, da die Menschen dort auch gequält wurden und viele blinde Anhänger waren. Zusammengefasst ist es für mich sehr gesellschafts- und politisch-kritisch. Der fordernde Eindruck ist geblieben, doch die anderen haben sich aufgelöst.
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