Amerika, "Land der unbegrenzten Möglichkeiten", hat in Max Frischs "Homo Faber" wohl nicht nur die Aufgabe eines x-beliebigen Schauplatzes. Vielmehr benutzt Frisch die USA in seinem Roman zur Charakterbildung Fabers, indem sich Walter Fabers Einstellung diesem Land gegenüber genauso wie Fabers Leben selbst fortlaufend verändert.
Fabers Haltung Amerika gegenüber kann, wie der gesamte Roman an sich, in zwei Teile unterteilt werden. Der erste Teil besteht aus dem ursprünglichen Leben Fabers, das von Technikbezug und Rationalität geprägt ist. Amerika stellt für Faber die geistige Heimat, die Realität und die Technik der Welt dar. Er sieht nicht ein, warum andere Menschen behaupten, dieses Land hätte keine Tradition und Kultur: "Er war zum ersten Mal in den Staaten, [...] wobei er das eine oder andere (im ganzen fand er die Amerikaner kulturlos) trotzdem anerkennen musste". Den gesamten Roman hindurch ist Walter Fabers Einstellung zu Amerika ein Symbol für seine Lebensfähigkeit und wirkliche Selbständigkeit:
Konnte er anfangs noch als pseudo-selbstständiger weltreisender Amerikaner nicht vom amerikanischen Weltbild loskommen, so ist er am Ende wirklich frei: Er kann denken, fühlen und erleben. Er ist nicht mehr oberflächlich und beherrscht von Technik, und gleichzeitig hasst er die USA und deren Bewohner. Seine Haltung Amerika gegenüber ist also in Frischs Homo faber das Symbol für Fabers Entwicklungsstand zum "echten" Menschen schlechthin.
Frisch lässt Amerika in seinem Roman zum Sündenbock für die Gefühl- und Kulturlosigkeit der Welt werden. Ob das berechtigt ist, darüber lässt sich streiten. Fest steht: Viele der Klischees des typischen Amerikaners sind nicht einfach aus der Luft gegriffen: Die USA sind das wohl am meisten technisierte Land der Welt, und viele Amerikaner sind dank der Vormachtstellung der USA in der Welt Kulturbanausen.
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