Aber Evita kümmerte sich nicht nur um ihr Auftreten, sondern auch um Sozialarbeiten und Politik: Die feministische Bewegung war bis dahin eigentlich nur auf die gebildete Elite beschränkt gewesen. Das Frauenwahlrecht war von Seiten der Konservativen immer abgelehnt worden, trotzdem waren die Frauen in den Städten nie politisch passiv gewesen. Das Einzige was eingerichtet worden war, war die Frauenförderungsstelle, die Peron 1944 eingerichtet hatte. Die Frauen wollten mitbestimmen: Die Ideologinnen auf der Seite der Opposition, die Arbeiterinnen und Hausfrauen auf der Seite Perons.-Aber nicht auf Evitas Seite, noch nicht. Bei einer Demonstration im Februar 1946 verweigerten die historischen Feministinnen, die Sozialistinnen, Evitas Rede, weil sie sich von einem "Püppchen" repräsentiert fühlten und auch weil Evita das Frauenwahlrecht einführen sollte und ihnen somit den Triumph raubte.
Evita wurde 1947 Präsidentin der parlamentarischen Kommission für Frauenwahlrecht. Politisch wurden noch mehr Steine in den Weg gelegt als sonst: Die katholische Kirche, die auch in der Politik viel zu sagen hatte, konnte all ihre Innovationen nicht akzeptieren, weil sie ihre Vergangenheit nicht akzeptieren konnte. So musste Evita mit "doppelter Botschaft" handeln, um sich nicht mit der Kirche anzulegen. Am Tag ihrer Einführung sagte sie: "Ist die beste feministisch Bewegung der Welt nicht diejenige, die sich aus Liebe der Sache und den Lehren des Mannes verschreibt?" - Ziemlich paradox.
Mit der Gründung der Peronistischen Frauenpartei setzte sie eine Bewegung in Gang, die einem Dominospiel glich. Zwar sollten die Frauen nicht politisieren, aber Sozialarbeit betreiben um die Leute zu peronisieren. So eröffneten die Frauen sofort Basiseinheiten & Büros, in denen sie fleissig arbeiteten. Sie boten Frauenkurse an und führten die Alphabetisierung ein. Die Gymnasien und die Studienplätze füllten sich allmählich mit Frauen. Dennoch blieb die Krankenschwester,aktiv und doch traditionell, als Symbol der modernen Frau, und nicht die Akademikerin.
7. Ihr Meisterwerk
Evita hetzte die Frauen nie auf feministisch zu sein, sondern eher sich zu opfern. Opfern für ein besseres Argentinien, alles was sie an Liebe hatten, hätten sie opfern sollen. Am 19. Juni 1948 gründete sie die "Fundacion de Ayuda Social Maria Eva Duarte de Peron". Die Stiftung war eine Art Hilfskampagne, die einerseits das bisher unzuverlässige Gesundheitswesen fördern sollte. Evita eröffnete ein allgemein zugängliches, sozial faires Gesundheitszentrum nach dem anderen. Diese wurden vor allem von Anteilen der Arbeitslöhne, Geld der CGT und Kinosteuern finanziert. Ab 1951 fuhren sogar Sanitätszüge in das schwer zugängliche Landesinnere, um auch die "Ausgeschlossenen umarmen" zu können. Andererseits hatte sie ein Projekt laufen, durch das Schulkinder die Möglichkeit erhielten, in ihrem eigenen Land herumzureisen und ihre Berge und Küsten kennenzulernen, um den Kleinen schon beizubringen, was Nationalgefühl und Peronismus, anstatt Patriotismus war.
8. Die Abdankung
Evita lud sich irrational viel Arbeit auf, sie verlangsamte nicht einmal ihr Tempo, als sie Anfang 1950 während eines Staatsaktes ohnmächtig wurde und anschliessend am Blinddarm operiert werden musste. Ausserdem stellte sich noch heraus, dass sie an Fieberschüben und Blutungen litt. Da sie meinte, man wolle sie mit diesen Diagnosen nur "wegschaffen", damit sie in der Politik nichts mehr zu sagen habe, liess sie sich nicht gynäkologisch untersuchen, obwohl der Minister Uvanissevich schon damals Gebärmutterleiden und Krebs Prophezeit hatte, da sie immer an Hüftschmerzen litt. Wenn Peron damals auf eine Operation bestanden hätte, wäre sie am Leben geblieben. Ausserdem wäre Evita dann kein Mythos, denn Mythen werden immer früh aus dem Leben gerissen.
"Meine Zeit läuft ab", hörte man sie sagen, aber niemand verstand ihre Eile wirklich.
Evita zeigte ihre kämpferische Seite. Opferte sie sich tatsächlich für ihre Descaminsados oder um sicher zu gehen, dass sie wirklich als Evita unvergesslich werden würde?
Das Volk und die CGT wollten Evita als Vizepräsidentin neben Peron haben. Am 22. August 1951 versammelten sich mehr als eine Million Demonstranten vor dem Sozialministerium, um dem Ehepaar ihre Unterstützung für die Wahlen zu versichern. Aber Evita sollte nicht Vizepräsidentin werden, obwohl ihr Volk es dringend forderte. Erstens weil sie vom Krebs geschwächt war und zweitens, weil eine Zusage Perons sichere Stelle gefährdet hätte. Die Opposition hätte diesen ersten Schritt als reine Provokation verstanden. Evita dankte per Radio ab.
Gut einen Monat später, am 28. September 1951 führte Obrist Benjamin Menedez einen Militärputsch, der aber innert Stunden von Peron, dank der Macht der CGT, niedergeschlagen wurde. Nervosität breitete sich aus, und Evita liess auf Kosten ihrer Stiftung, also auf Kosten ihrer Descaminsados, Pistolen und Maschinengewehre an das Volk verteilen, damit man sich gegen einen erneuten Putschversuch wehren könne.
9. Evitas Abschied
Doch gegen den Krebs am Muttermund konnte selbst ihr Volk nichts tun; höchstens die rettende Operation, gegen die sie sich so wehrte. An ihrem letzten 17.Oktober erschien sie schon halbtot. Der Tag der Descaminsados wurde zum ersten Mal ihr gewidmet. An diesem Tag nahm Evita zum ersten Mal von ihrem Volk Abschied und rief ihnen nochmals ins Gedächtnis, dass ihr Name als Siegesbanner getragen werden solle. Das Land veranstaltete Messen, um für sie zu beten, um sich auf den Tod der "Mama Argentinia" vorzubereiten.
Am 6. November liess sie sich doch noch zur Operation überreden. In einem von ihr selbst gegründeten Hospital wählte sie zum ersten Mal und letzten Mal in ihrem Leben. Sie erfüllte noch mit letzten Kräften offizielle Pflichten, die sie nur noch schwächer und schlechter aussehen liessen, aber genau deshalb verglichen sie die Argentinier mit Jesus Christus und sie erkorten sie zu zur "Geistigen Führerin der Nation".
Ein halbes Jahr später, am 4.Juni 1952 sollte sie ihren letzten Auftritt erleben. Peron wurde zur neuen Legislaturperiode vereidigt, und das konnte und wollte sie nicht verpassen. Man verabreichte ihr drei Morphiumspritzen und baute ihr eine Gipsstütze, die sie während der Parade stützte. Sie wog zu diesen Zeitpunkt 33 Kilogramm. Am 26. Juli 1952 um viertel nach acht starb sie im Kreise ihres Mannes und ihrer Familie. Argentinien weinte.
Die Totenwache zog sich offiziell bis zum 11. August hin. Mit einem Meer von Blumen, Fackelumzügen und Schweigeminuten verkündeten die Zurückgelassenen ihren Schmerz und ihre Trauer. Wenn man nicht trauerte, dann wurde man dazu verordnet, denn das Leiden war kollektiv und obligatorisch. Nach der Totenwache setzte Dr. Ara, die Einbalsamierung fort, mit der er schon unmittelbar nach ihrem Tod begonnen hatte. So wurde Evita "unsterblich" und ihr Leichnam unverwesbar.
Die Gedenktafel an ihrem Grabe ist noch heute blumengeschmückt und Evita immer noch Herzen der Argentinier:
"Wenn das Land von mir verlangte, mein Leben zu geben, täte ich es mit Freuden, denn das Glück eines einzigen Descaminsado ist mir mehr wert, als mein Leben...Ich drücke euch fest, ganz fest an mein Herz und hoffe, dass ihr spürt, wie sehr ich euch liebe."
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