Die Beschreibung des Seesturms:
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· Aeneis (1,81-123)
· Odyssee (5,291-333)
In der Aeneis befiehlt Juno Aolus einen gewaltigen Seesturm zu entfachen, der die Flotte des Aeneas zerschmettert und zerstreut. Erst als der eigentliche Meerherrscher Poseidon den Übergriff merkt, wird dem Toben der Elemente durch sein majestätisches Eingreifen Halt geboten. Die Aeneaden, ein Spielball der Kämpfe zwischen dem Fatum und untergeordneten göttlichen Kräften, dies ist offenbar der Sinn der Götterszene des Anfanges. Überhaupt ist es die Funktion der nach Homers Vorbild die Geschehnisse auf Erden begleitenden Götterszenen, die Hintergründe des menschlichen Geschehens, das Spiel der unsichtbaren Kräfte sichtbar zu machen.
Die gesamte Szene ist nach einer Stelle aus der Odyssee gestaltet, wo Poseidon nach seinem Monolog - wie Äolus nach seiner Antwort - einen Seesturm erregt, um Odysseus noch knapp vor seinem Ziel für die Tötung des Polyphem zu bestrafen.
Das Motiv des tapferen Heldens, der lieber am Schlachtfeld seiner Heimat stirbt als irgendwo anders elend zugrunde geht, kehrt auch in Vergil wieder. Odysseus und auch Aeneas wollen als ruhmreiche Männer vor den Augen ihrer Väter sterben.
Während Aeneas und seine Leute die Schiffe verlieren und sich schwimmend an Land retten müssen, wobei sehr viele zugrunde gehen, erreicht Odysseus unter höchster Anstrengung noch das von Kalypso bereitgestellte Floß.
3.2 Gespräch auf Götterebene:
· Aeneis, Das Gespräch zwischen Venus und Juppiter (1,223-304)
· Ilias, Thetis & Zeus (1,495-569) und Odyssee, Athene & Zeus (1,26-95)
Venus, die Mutter des Aeneas sorgt sich, und mit Tränen in den Augen naht sie sich dem Beherrscher Juppiter mit all ihrem Liebreiz. Einst tröstete sie sich über das Schicksal des Sohnes und der Seinen, gegen das Geschick das entgegengesetzte Geschick aufwiegend, gegen die Zerstörung der Heimat Troja die versprochene neue Herrschaft, jetzt will das Leid kein Ende nehmen! Sie fragt sich, ob Juppiter seinen Willen geändert hat, doch dieser erwidert, daß ihn kein Gedanke gewandelt habe. Eine Herrschaft ohne Grenzen hat Juppiter diesem Volke zugedacht. Unter Augustus wird die Zeit milder werden, Fides und Vesta, die Göttinnen der Verläßlichkeit und des Hauses werden geehrt sein und Remus und Romulus werden Recht sprechen. Die Herrschaft des römischen Volkes und die Gesittung, das ist das Doppelziel, das der Wille Juppiters gesetzt hat, und das er hier Venus verkündet. Die Juppiterrede ist neben der Heldenschau des sechsten Buches und der Schildbeschreibung im achten einer der großen Durchblicke auf die römische Geschichte, die der Sage von Aeneas erst ihr Gewicht und ihren Sinn gibt.
Vorbild für diese Stelle ist unter anderem das Gespräch zwischen Thetis und Zeus im ersten Buch der Ilias. Thetis, die Mutter des Achilleus bittet Zeus um Rache, da ihr Sohn seine Ehrengabe Briseis, Agamemnon geben mußte. Während Zeus bei Homer relativ spontan enscheidet den Trojern zu helfen, damit die Griechen Achilleus zurückbitten, sind in der Aeneis-Stelle die Geschehnisse durch das Fatum schon vorbestimmt. Zuerst zweifelt Zeus, weil er sich mit Hera nicht verfeinden will, doch gibt er Thetis´ Flehen nach.
Das zweite homerische Vorbild findet sich im ersten Gesang der Odyssee. Athene bittet ihren Vater, Odysseus wieder auf den rechten Weg zu führen. Auch hier will Zeus seiner Tochter helfen, nur Poseidon zürnt noch auf Grund der Verletzung seines Sohnes Polyphem durch Odysseus. Athene zählt - um Zeus zu überzeugen, daß er sich für Odysseus einsetzt - die Wohltaten und Leiden des Heldens auf. Obwohl Poseidon gegen die Rettung Odysseus´ ist, entscheidet Zeus, ihn von der Insel der Nymphe Kalypso wegzuholen.
Bei Vergil erzählt Juppiter - um Venus zu beruhigen - die zukünftigen Geschehnisse bis zur Gründung Roms. So eine Vorausschau ist bei Homer nicht der Fall.
Bei Homer gibt es einen unmittelbaren Handelsbezug, es geht um die \"Jetzt-Zeit\". Die Götter greifen in das Geschehen unmittelbar ein und beeinflussen die Handlungen der Sterblichen. Homer hat also ein anderes Verhältnis zu den Göttern als Vergil. Was Homer ernst meint, meint Vergil allegorisch. Die Geschichte hat eine positive Richtung, ein Schicksal. Das Schicksal setzt sich gegen Widerstände durch. Bei Vergil sind Götter kosmische Kräfte.
Juppiter: ist das Schicksal, die schicksalshafte Geschichte, die Geschichte macht Sinn (Stoá)
Juno: ist die Gegenströmung in der Geschichte, setzt sich aber nicht durch, ist bemüht ihre Lieblingsstadt Karthago zum Zentrum des Weltreiches zu machen Þ Friede
Die ganze Geschichte von Aeneas und seinem Volk ist eine Allegorie auf das zukünftige Friedensreich Rom und somit auf Augustus. Der Sinn der Geschichte und Sinn des Leidens ist die Gründung Roms.
3.3 Die Beruhigung der Helden:
· Aeneis, Helenus beruhigt Aeneas (3,369-395) und Aufträge des Helenus (3,433-462)
· Odyssee, Rede der Kirke (12,37-141) und Rede des Sehers Teiresias (11,100-151)
Auf der Weiterfahrt gelangen die Trojaner nach Buthrotum, eine Landschaft an der Nordwestküste Griechenlands, wo Helenus, jetzt mit Hektors Witwe Andromache verheiratet, ein neues \"kleines Troja\" erbaute, dessen Herrscher er ist. Aeneas bittet ihn um Ratschläge für die Zukunft. Die Rede des Helenus ist das Zentralstück des 3.Buches.
Im ersten Teil der Rede warnt Helenus Aeneas vor potentiellen Gefahren und gibt genaue Anweisung für die Fahrt, speziell was die Route betrifft. Aeneas darf nicht eher siedeln, als er an einem bestimmten Ort ein Wildschwein mit seinen Jungen gesehen hat. Weiters warnt er ihn vor der nahen Ostküste Italiens wegen der dort siedelnden feindlichen Griechen, erteilt Opfervorschriften und warnt vor Skylla und Charybdis in der Meerenge von Messina. Im zweiten Teil folgt die eindringliche Warnung vor Juno und der Befehl, in Italien die Sibylle von Cumae aufzusuchen.
Kirke warnt Odysseus vor den Sirenen und ebenfalls vor Skylla und Charybdis. Ferner sagt sie, daß er zur Insel Thrinákia kommen wird, wo die Rinder des Helios weiden. Sollten Odysseus und seine Gefährten diese Rinder rauben, werden seine Gefährten sterben und nur Odysseus überleben.
Wie Kirke weissagt auch Teiresias, daß sie zur Insel Thrinákia kommen werden, wo die Rinder des Helios weiden. Auch wenn er schon zu Hause angekommen ist, wird er dort noch weiteres Unglück erleben, denn sein Palast wird voller Freier von Peneolope sein. Doch wird er diese alle schließlich töten. Wie bei Vergil empfiehlt Teiresias Odysseus einem Gott Opfer darzubringen, in diesem Fall Poseidon. Befolgt er diese Ratschläge, wird er erst im hohen Alter sterben.
3.4 Geschehnisse in der Unterwelt:
· Aeneis, Aeneas begegnet Dido in der Unterwelt (6,450-476)
· Odyssee, Odysseus begegnet Ajas (11,543-564)
Nachdem Aeneas in Italien bei Cumae gelandet ist, steigt er mithilfe der Seherin Sibylle in die Unterwelt hinab, wo er Dido trifft. Das Vorbild der Stelle ist in der Odysse zu finden, wo Odysseus in der Untwerwelt Ajas begegnet, der nach dem verlorenen Streit mit Odysseus um die Waffen Achills Selbstmord begangen hatte und nach seinem Tod genauso unversöhnlich blieb wie Dido.
Aeneas ist sehr bestürzt durch den Tod Didos. Er ist sich nun seiner eigenen Schuld bewusst, will dies aber nicht zugeben. Daß er sie damals verließ, rechtfertigt er durch den Befehl der Götter. Aeneas versucht Dido zu Tränen zu rühren und ihr Mitleid zu wecken, damit sie ihm verzeiht. Dies gelingt aber nicht, denn Dido starrt nur auf den Boden und geht dann zu ihrem früheren Gatten Sychaeus. Auch Odysseus schiebt die Schuld auf die Götter. Ajas begann Selbstmord, weil Zeus das Heer der Griechen über alle Maßen hasste und ihm von Anfang an dieses Schicksal auferlegte.
Die Unterweltsvorstellungen der Aeneis:
Von Homer übernimmt Vergil zahlreiche traditionelle Unterweltsvorstellungen der Mythologie: Üblich sind beispielsweise die Unterweltflüsse Acheron (über diesen Fluss führt der Fährmann Charon in einem Kahn die Seelen der Verstorbenen ins Jenseits), Kokytos (klagen), Phlegethon (Fluß des Feuers) und Styx (Fluß des Hasses, bei dem die Götter schwören). Ferner ist die Vorstellung von getrennten Räumen, in denen sich verschiedene Gruppen von Verstorbenen befinden, schon bei Homer vorgegeben: Diesseits des Acheron warten die Unbestatteten darauf, daß ihr Leib ein Grab erhält, damit sie den Fluß überqueren dürfen; jenseits wohnen die im Kindesalter Verstorbenen, die unschuldig zum Tod Verurteilten, die in Minos einen gerechten Richter finden, die Selbstmörder und die aus Liebe Verstorbenen. Ganz im Inneren der Unterwelt befinden sich im tiefsten Schlund, dem Tartaros, die großen Frevler, im Elysium die Seligen.
Nach der homerischen Epoche waren die Vorstellungen über das Jenseits einer großen Entwicklung unterworfen, die vor allem von der Philosophie in Gang gehalten wurde. Vergil verbindet die mythologisch-homerische mit der philosophischen-theologischen Vorstellung durch die Römerschau, in der Anchises Aeneas die Seelen derer zeigt, die noch nicht von aller Schuld ihres früheren Daseins gereinigt sind und eine Wiedergeburt durchmachen müssen. Die Lehre von der Seelenwanderung und dem Bestehen der Seele vor der Einkörperung (Präexistenz), die als körperloses Wesen (umbra) vorgestellt wird, findet sich vor allem bei Platon. Ebenso unhomerisch, sondern von Hesiod beeinflusst, sind die allegorischen Gestalten wie Krankheit, Hunger, Krieg usw., denen Aeneas gleich am Unterweltseingang begegnet.
3.5 Die Schildbeschreibung:
· Aeneis, Die Schildbeschreibung (8,608-731)
· Ilias, Thetis übergibt Achill die neuen Waffen (19,3-39)
Nach seiner Rückkehr aus der Unterwelt ist Aeneas mit seinen Gefährten an der Tibermündung gelandet. Während seiner Suche nach Verbündeten für die bevorstehenden Kämpfe gegen die Italiker lässt Venus für ihren Sohn bei Vulcanus neue Waffen schmieden, deren Übergabe an Aeneas Vergil zum Anlass für die Schildbeschreibung, den Abschluss und Höhepunkt des 8. Buches, nimmt. Vorbild der Szene ist die Übergabe der Waffen durch Thetis an ihren Sohn Achill in Homers Ilias, doch ist bei Vergil die Funktion eine völlig andere: während bei Homer Achill durch den Tod des Patroklos seine Rüstung, die er diesem geliehen hatte, verloren hat und daher neue Waffen benötigt, dient in der Aeneis die Übergabe der Waffen keinem Fortschritt der Handlung - Aeneas benötigt keine neuen Waffen - sondern dem Auftreten der Venus als Siegesbotin, die Aeneas mit dem Hinweis auf die vom Schicksal gewollten Siege der römischen Geschichte zu Heldentaten aufmuntern will. Solche Schilde zur Dokumentation des Wertes des Beschenkten entsprachen einer römischen Sitte. Der Senat überreichte zum Beispiel Augustus einen Schild mit der Aufschrift von vier Tugenden (virtus, clementia, iustitia, pietas). Darstellungen der römischen Geschichte auf Waffen entsprachen ebenfalls der römischen Realität.
Die Schildbeschreibung ist der dritte Durchblick bis auf die Gegenwart Vergils. Hier wird Augustus als Triumphator dargestellt, wie er den Göttern opfert, Herrschaft und Frömmigkeit, Recht und Macht vereinigend. Aeneas hebt den Schild, ohne die Bilder darauf zu verstehen, auf seine Schultern. Ein Bild dafür, wie der Mensch stolz und wissend-nichtwissend die Verantwortung für die Zukunft trägt. Während das römische Schild von großer historischer Bedeutung ist, enthält das griechische Schild kein Programm für die Zukunft und hat somit keine historische Relevanz.
3.6 Der Zweikampf:
· Aeneis, Der Zweikampf zwischen Aeneas und Turnus (12,887-952)
· Ilias, Der Zweikampf zwischen Achill und Hektor (22,326-372)
Wie bei Homer vor dem Zweikampf Hektor-Achill wägt Juppiter die beiden Schicksale. Bei Homer im 22.Buche nimmt Zeus die Waage, legt das Schicksal Hektors uaf die eine, das Schicksal Achills auf die andere Waagschale und hebt die Waage empor. Hektors Waagschale sinkt und drunten auf der Erde eilt Hektor in das Haus des Hades. Zeus hat nun keinen Einfluß mehr auf das Schicksal, das unbegreiflich dem Menschen sein Ende setzt. Auch bei Vergil hat Juppiter auf das Wägen keinen Einfluss. Aber er erkennt nicht das unerforschliche Walten des Schicksals, an der Waage, nach dem sich das Geschehen auf der Erde richtet, sondern er sieht etwas, was er auch mit einem Blick auf die Erde hätte erspähen können, nämlich wen der Kampf verurteilt.
Das letzte Bild der Aeneis ist das schlechte Bild eines Heldens. Aeneas sticht seinen wehrlosen Gegner Turnus ganz einfach im furor ab. Er ist somit nicht der Träger des zukünftigen Friedensreiches. Vergil setzt damit ein Fragezeichen an den Schluß seines Epos´. Die Situation ist bei Homer eine andere. Achill tötet Hektor zwar, jedoch ist dieser nicht wehrlos. Auch nimmt Achill im letzten Gesang das Lösegeld des Vaters für den Leichnam an und verspricht Waffenstillstand für die Bestattung Hektors.
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