Form, Gattung; Ort und Zeit:
Die Erzählung setzt sich aus 58 kurzen Berichten zusammen, die sich an genaues Zeit- und Ortsgeschehnis halten. Die Geschichte wird Schritt für Schritt rekonstruiert, der Erzählbericht entfal¬tet allmählich ein ganzes Panorama von Personen und menschlichen und sozialen Beziehungen. Betrachtet man den Titel, so ist dessen Schwerfälligkeit eine plakative Lesehilfe. Auffallend ist auch das Motiv der \"Ehre\" im Titel. Ehre und Ehrverlust ist eines der zentralsten Motive der bürgerlichen deutschen Literatur (Lessing, Goethe, Hauptmann)
Eine weitere Lesehilfe ist Bölls Hinweis am Beginn der Erzählung. Er meint konkret die \"Bildzeitung\".
Personen:
Katharina Blum: bescheiden, hilfsbereit, gutgläubig, sehr redegewandt, Klug, interessant, spontan, verläßlich, korrekt und nie egoistisch.
Werner Tötges: Journalist, der, wenn es notwendig sein sollte, über Leichen gehen konnte.
Dr. Blorna: gutsituierter Anwalt, der sieht, wie schnell man den Boden unter den Füßen verlieren kann.
Sträubleder: der fragliche, Herrenbesuch, der helfen möchte, aber um seine Karriere zittert.
Inhalt:
Katharina Blum, eine junge, hübsche Haushälterin, die in ihrer Umgebung \"die Nonne\" genannt wird, weil sie Zudringlichkeiten von Männern verabscheut, ist die Zentralfigur dieser Erzählung.
Zur Karnevalszeit lernt sie auf einer Party ihrer Patentante Else Wol¬tersheim den jungen Ludwig Götten kennen und lieben, ohne zu wis¬sen, daß er ein von der Polizei gesuchter radikaler Rechtsbrecher ist. Die Wohnung der Else Woltersheim ist von der Polizei, die Götten überwacht, umstellt. Katharina, deren Liebe zu Götten ihr zum Verhängnis wird, nimmt ihn in ihre Wohnung mit, wo Götten die Nacht verbringt. Am nächsten Morgen dringt die Polizei in Kathari¬nas Wohnung ein, doch Götten ist nicht mehr hier. Katharina hat ihm zur Flucht verholfen, als sie von ihm erfahren hat, daß er ein Bundeswehrdeserteur ist und sich ins Ausland absetzen will.
Katha¬rina Blum wird aufs Kommissariat gebracht und dort von Kommissar Beizmenne und dessen Assistent Moeding verhört. Sie erfährt, daß Ludwig ein gesuchter Bandit ist, der des Mordes und anderer Ver¬brechen verdächtigt sei. Aus ihrem Verhör geht hervor, daß sie eine unglückliche Kindheit verlebt hat; ihr Vater, der ein Kommu¬nist war, starb, als sie noch ein Kind war, ihre Mutter ist schwerkrank und ihr Bruder Kurt büßt eine Freiheitsstrafe im Ge¬fängnis ab. Ebenso erfährt man, daß sie von ihrem Ehemann Wilhelm Brettloh schuldig geschieden ist, den sie wegen seiner Zudring¬lichkeiten verlassen hatte. Nun arbeitet sie beim Ehepaar Blorna, mit dem sie sehr gut befreundet ist. Auch Katharinas Nachbarn wer¬den verhört und es kommen gewisse Herrenbesuche zur Sprache. Beiz¬menne beschuldigt Katharina, Götten schon seit zwei Jahren zu ken¬nen und mit ihm gemeinsame Sache zu machen. Als die Blornas aus der Zeitung erfahren, was geschehen ist, brechen sie ihren Winter¬urlaub ab, um Katharina zu helfen. Katharina wird zum Opfer der Massenmedien, doch vor allem des Boulevardblatts \"Die Zeitung\". Beiz¬menne beschlagnahmt einen kostbaren Ring, der, wie sich später herausstellt, von Alois Sträubleder stammt.
Katharinas Telefon wird abgehört, und so erfährt die Polizei vom Anruf Göttens, der sich in Sträubleders Zweitvilla befindet, von der Katharina einen Schlüssel besitzt. Sträubleder, der sich als der \"Herrenbesuch\" herausstellt, hat ihn Katharina selbst überge¬ben, damit sie ihn dort besuchen kann. Doch Katharina selbst will von dem aufdringlichen Sträubleder nichts wissen.
Katharina erhält anonyme Anrufe, sie erhält eine Anzahl von Brie¬fen, und auch die Hausbewohner vermeiden jeden Kontakt mit ihr. Schließlich vereinbart Katharina mit dem Journalisten Tötges ein Interview. Inzwischen hat Beizmenne Götten festgenommen, und Katha¬rinas Mutter ist nach der Krebsoperation gestorben. Nachdem Katha¬rina die Ausgabe der Sonntagszeitung gelesen hat, ist sie zu allem entschlossen. Als Tötges zum vereinbarten Interview in ihrer Woh¬nung eintrifft, erschießt sie ihn aus Rache. Katharina legt bei Moeding ein Geständnis ab und ist glücklich, bei ihrem lieben Lud¬wig zu sein.
Sprache:
Aussage:
Eine junge, unbescholtene Frau wird auf Grund von Zeitungsberich¬ten zur Mörderin. Ihre Tugend wird durch das korrupte und verlo¬gene Instrument der Boulevardzeitung verletzt. Aber sie trifft auf gestärktes Selbstbewußtsein der Frau, die sich nach anfänglicher Erschütterung zu wehren versteht, notfalls mit Gewalt.
\"Die verlorene Ehre der Katharina Blum\" ist eine Anklageschrift Heinrichs Bölls, die sich gegen perfide Praktiken des Boulevardjournalismus richtet. Das Buch erschien 1974, Böll \"rächt\" sich damit an der ihm verhaßten \"Regenbogenpresse\". Dies hat ihm be¬denkliche Kritiken eingebracht.
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