Wie oben gesagt, werde ich in diesem Kapitel all das verzeichnen, was ich über die einzelnen Namen in Ecos Buch herausgefunden habe. Es ist nicht bei jeder Person viel, oft auch gar nichts, und meistens beruhen meine Feststellungen auf reiner Vermutung.
2.1. Die fiktiven Namen
Zuerst zum wohl bekanntesten Beispiel der Anspielungen im Namen der Rose: William von Baskerville und Adson von Melk. Beide Namen enthalten einen Bezug zu Sir Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes: Bei William ist es der Nachname, der dem Buch Der Hund von Baskerville entlehnt ist, bei seinem jugendlichen Begleiter der Vorname, der ähnlich ausgesprochen wird, wie der Name des Assistenten von Sherlock Holmes, Dr. Watson. Auch inhaltlich passt dies perfekt, da die beiden Akteure Ecos nach dem selben Muster handeln, wie ihre literarischen Vorbilder: William versucht mit scharfem Verstand und genauer Beobachtung komplexe Rätsel zu lösen, während sein Adlatus zwar mit aufmerksamem Geist die Belehrungen seines Vorbilds aufnimmt, aber trotzdem nie wirklich die ganz grossen Geheimnisse zu lüften vermag. Nicht nur die Strategie (alles Unmögliche ausschliessen, damit schliesslich nur noch die Wahrheit übrig bleibt) verbindet den ehemaligen Inquisitor mit dem Meisterdetektiv von Scotland Yard. Auch die Lupe, in Form der Vitra ad legendum und die Pfeife Sherlock Holmes\' als das Kraut, das William immer wieder am Wegrand sammelt, hat Eco in seinem Werk geehrt.
Nun zu Abbo von Fossanova, dem Abt. Möglicherweise ist es zu simpel, aber \"Abbo\" bedeutet \"Abt\", und damit wäre der erste Namen schon erklärt. Der Nachname ist da schon interessanter, denn er könnte gar nicht anders sein als er ist. Bekanntlich hat der Abt in seiner Jugend die Leiche des heiligen Thomas von Aquin die Treppe seines Heimatklosters hinuntergetragen. Und da der heilige Thomas der Geschichtsschreibung zufolge in Fossanova das Zeitliche segnete, muss dies der Herkunftsort des Oberhaupts unseres Klosters sein und er seinen Namen von dort mitgenommen haben. (Natürlich könnte es auch umgekehrt sein, dass Eco aus einem anderen Grunde den Namen Fossanova gab, und die Geschichte mit dem Heiligen in der Wendeltreppe nur als ein zufälliger, spassiger Nebeneffekt entstanden ist. Allerdings halte ich dies für eher unwahrscheinlich.)
Die nächste Vermutung, die ich habe, betrifft Malachias von Hildesheim. Sein Vorname ist wohl eine Anspielung auf den heiligen Malachias, welcher derjenige ist, der in seinen Schriften die Abfolge der zukünftigen Päpste prophezeite, von denen einer der viel genannte Papa Angelicus sein sollte. Einen direkten Zusammenhang zur Person des Buches konnte ich allerdings nicht erkennen. Ebenso wenig scheint mir sein Nachname direkt etwas mit der heiligen Hildegard, die im Namen der Rose mehrere Male erwähnt wird, zu tun zu haben.
Bei Severin von St. Emmeram frage ich mich, warum er speziell streng (\"severus\" heisst streng) sei könnte, Nicolas von Morimond hat seinen Vornamen vielleicht vom heiligen St. Nikolaus, weil er ebenso brav und hilfsbereit wie dieser ist. Von Alinardus weiss ich, dass sein Vornamen arabischen Ursprungs ist, was mich für einen christlichen Mönch jener Zeit doch aussergewöhnlich dünkt. Was ich über Jorge von Burgos weiss, ist weiter unten in einem eigenen Kapitel nachzulesen. Venantius von Salvemec, der Experte fürs Griechische, dessen Vorname auf Lateinisch \"der Gejagte\" bedeutet, hat offenbar das \"Salve me\" in seinem Nachnamen (Natürlich, dachte ich, aber warum?).
Die nächste Andeutung habe ich in Benno von Uppsalas Heimatort entdeckt. Ich vermute, dass Benno nach der Stadt benannt wurde, in der Carolus Linnaeus im 18. Jahrhundert als erster Forscher versuchte, die Pflanzenwelt, und damit das Leben an sich, in Kategorien zu ordnen, was für die Wissenschaft einen revolutionären Schritt in Richtung Moderne darstellte. Diese Klassifizierung scheint mir ganz in Bennos, zumindest anfänglich, aufklärerischem Sinne zu sein.
In Aymarus von Alexandrias Namen erscheint die ägyptische Stadt, die einst mit knapp einer Million Schriftrollen die grösste Bibliothek der Menschheit beherbergt haben soll. Aber auch diese Büchersammlung brannte ab, in einem Krieg kurz nach Cäsars Tod.
Dann wäre da noch der missgestaltete Salvatore, dessen Namen \"Erlöser\" heisst und der zwar einem scheinbaren Erlöser folgte, selber aber wohl doch keiner ist. Gleich ironisch dürfte Remigius' Nachnamen sein, bei dem man, nachdem man zwei Buchstaben leicht abgeändert hat (von Varagine zu Vergine), eine Jungfrau auf Italienisch findet
Schliesslich noch der Name, der mich fast am meisten zu faszinieren vermag: der Name des Mädchens, der einzigen weiblichen Person, die in der Abtei auftritt. Obwohl sie in jener Zeit für Adson, vielleicht neben William, die wichtigste Person überhaupt ist, weiss er nicht einmal, wie er sie nennen soll. Und der Name wäre das einzige gewesen, was er anbeten hätte können und ihm von ihr geblieben wäre. Aber das Mädchen ist so arm, dass sie nicht einmal einen Namen besitzt, und hätte jemand wie sie einen besessen, wäre er längst vergessen, weil sie nur Volk war, weil es sich nicht gelohnt hätte, sich ihrer zu erinnern.
2.2. Die historischen Personen
Hier einige kleine Anmerkungen zur Stellung von einzelnen historischen Persönlichkeiten, die im Namen der Rose auftreten. Im Allgemeinen hält sich Umberto Eco sehr streng an die historischen Geschehnisse, die einzige Abweichung ist die Zusammenkunft, um die sich der ganze Roman dreht.
Michael von Cesena wurde wegen seinen Äusserungen im Armutsstreit von Papst Johannes XXII., wie in Ecos Buch zu lesen, an seinen Sitz in Avignon zitiert. Nachdem Michael verhaftet worden war, gelang es ihm zusammen mit William von Ockham, der im Namen der Rose ebenfalls Erwähnung findet, zu Kaiser Ludwig IV. nach Bayern fliehen. Später wurde Michael jedoch wegen zahlreicher Streitschriften gegen Papst, Kurie und die papsttreuen Minoriten exkommuniziert und zu lebenslänglicher Klosterhaft verurteilt.
Roger Bacon, das grosse Vorbild Williams, wurde später bekannt als derjenige, der das Schwarzpulver nach Europa brachte. Jacques Fournier, ein Kollege Bernard Guis, von dem William in einer Nebenbemerkung sagt, dass er noch hoch hinaus wolle, wurde später als Papst Benedikt XII. Nachfolger von Johannes XXII. (demselben, den Adson im Namen der Rose schon auf der ersten Seite so schlimm beschimpft).
|