Bezug zur Realität
Dürrenmatts Theaterdichtung wird stark von seinen weltanschaulichen Vorstellungen bestimmt. Für ihn ist die moderne Welt wegen des explosiven Bevölkerungswachstums, der Technisierung, der Medien, der anonymen Verwaltungsapparate und der Bedrohung durch Massenwirkungsmittel zum Chaos geworden, undurchschaubar für den einzelnen. Auch die Geschichte ist für Dürrenmatt ein unerklärbares Rätsel. Er kann in ihrem Verlauf keine göttliche oder andere Ordnung erkennen, die die Katastrophen und Zerstörungen relativieren könnte. Jedes Erklärungsmodell für die historische Entwicklung, also auch das marxistische, stellt für ihn eine unzulässige Verkürzung und Vereinfachung dar. Deshalb distanziert er sich von solchen Erklärungsmodellen und sieht in ihnen
\"nicht mehr als eine Sammlung notdürftiger fragmentarischer Hypothesen zur wirklich konkreten Weltgeschichte, eine unvollkommende Konzeption, bloß summarisch, mit Vermutungen über verlorene Hintergründe und nie mehr aufzutreibende Materialien und Dokumente. Wir kennen die ersten drei Minuten der Geschichte des Weltalls besser als die ersten drei Millionen Jahre der Geschichte des Menschen.\"
Mit dieser Geschichtsauffassung ist eine Wirklichkeitserfassung verbunden, die Dürrenmatt oft mit dem Bild des \"Labyrinths\" bezeichnet, in dem der \"Minotaurus\", der moderne Mensch, hilflos und orientierungslos umherirrt. Deshalb sieht er sich als Schriftsteller gezwungen, \"eine Welt der Sinnlosigkeit darzustellen, in der ein Sinn gesucht wird, den es nicht gibt, ohne den sie jedoch nicht ausgehalten werden kann.
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