Der junge Siegfried besteht während seiner Jugend viele gewagte Unternehmungen. Er besiegt einen Lindwurm (Drachen), in dessen Blut er sich badet. Das Blut verleiht ihm eine Hornhaut, durch die er bis auf eine Stelle zwischen den Schulterblättern, auf die während des Bades ein Blatt fällt, unverwundbar ist. Der edle Recke, der auch den Nibelungenhort erworben hat, wirbt um Kriemhild, Tochter Utes und Schwester der Burgunderkönige Gunther, Gernot und Giselher. Er erhält sie erst, nachdem er die jungfräuliche Brünhild, die Königin von Island, mit Hilfe der Tarnkappe, die er vom Nibelungenkönig Alberich gewann, an Stelle Gunthers in Kampfspielen besiegt und für Gunther zur Frau erworben hat. Siegfried plaudert aber das Geheimnis an Kriemhild aus. Als Brünhild im Streit mit Kriemhild von ihr erfährt, dass nicht Gunther, sondern Siegfried sie im Kampf und im Schlafgemach bezwungen hat, veranlasst sie Hagen von Tronje, Siegfried auf einer Jagd hinterhältig zu ermorden. Kriemhild ist untröstlich; Hagen nimmt ihr auch noch den Nibelungenhort, um ihn für König Gunther im Rhein zu versenken, damit der Witwe die Mittel für eine Rache genommen werden. Als später der Hunnenkönig Etzel um die rachebesessene Kriemhild wirbt, willigt sie in die Heirat ein. Sie lädt ihre Brüder zu einem Fest nach Ungarn. Ihr einziger Gedanke dabei ist die Rache an Hagen und an den Burgundern. Kriemhild fordert die Auslieferung Hagens, die ihr die Burgunder verweigern. Von Kriemhild angestachelt, kommt es zu einem hinterhältigen Überfall der Hunnen, der in einem Blutbad endet und bei dem auf beiden Seiten alle bis auf Gunther und Hagen fallen, die durch Dietrich von Bern gefangen genommen werden. Kriemhild, die sich nur für den Verbleib des Nibelungenhorts innert, wird die Herausgabe desselben verweigert; deshalb lässt sie erst Gunther enthaupten, dann schlägt sie selbst Hagen den Kopf ab. Voll Zorn tötet sie der alte Hildebrand, Dietrich von Berns Waffenmeister.
Das Epos erzählt von Siegfried von Xanten, der in Worms um Kriemhild, die Schwester der Burgunderkönige Gunter, Gernot und Giselher, wirbt. Bevor er die Hand von Kriemhild erhält muß Siegfried erst die Königin von Island, Brünhild, für Gunther gewinnen. Mit List gelingt ihm dies auch.
Ein Streit zwischen Brünhild und Kriemhild gipfelt darin, daß Siegfried durch Hagen, einem Gefolgsmann von Brünhild, ermordet wird. Kriemhild rächt sich: Sie lockt ihre Brüder an den Hof des Hunnenkönigs Etzel, dessen Frau sie geworden war, und läßt sie umbringen.
Personen:
Blödelin
Blödelin, Bruder Etzels, wird während seines Überfalls auf das burgundische Hofgesinde von Dankwart enthauptet.
In der Geschichte wird Bleda nicht von einem Burgunder erschlagen; sein älterer Bruder Attila (Etzel) lässt ihn um 445 ermorden, um sich dadurch die Alleinherrschaft über die Hunnen zu sichern.
Brünhild
Brünhild ist in der nordischen und in der deutschen Sage eine Frau mit zauberischen, riesenhaften Kräften, die nur durch übermenschliche Taten bezwungen werden kann.
Zur ältesten Schicht des Stoffes scheint die Werbung um die Königin von Island, Brünhild, durch Siegfried im Auftrag Gunthers zu gehören. Dabei schließt Siegfried stellvertretend für Gunther die Ehe mit ihr (Beilager mit Schwert, das zwischen beiden liegt). Die Teilnahme Gunthers an der Werbungsfahrt, die Freierprobe (Flammenritt und Kampfspiele) und der Werbungsbetrug (Gestaltentausch und Tarnkappe) sind wahrscheinlich erst jüngere Entwicklungen, die in Deutschland („Nibelungenlied“) und im Norden (eddische Sigurddichtung, „Völsungasaga“ und „Thidrekssaga“) unterschiedlich gestaltet wurden. Nach diesen Überlieferungen kann Gunther die von Brünhild aufgegebenen Kraftproben nicht lösen. Siegfried muss nicht nur dort für Gunther einspringen; er muss Brünhild auch in der Brautnacht bezwingen. Im „Nibelungenlied“ nimmt Siegfried ihr im Schutz der Tarnkappe Ring und Gürtel und bricht dadurch Brünhilds übermenschliche Kraft.
Dankwart
Dankwart ist der Bruder Hagens. Er wird von Helfrich getötet.
Dietrich von Bern
In Dietrich von Bern lebt der Ostgotenkönig Theoderich der Große (um 453/455–30.8.526) weiter. Das „Hildebrandslied“ setzt schon eine von der Geschichte abweichende gotische Dietrichdichtung voraus, nach der Dietrich vor dem Skiren Odoaker (Odowakar, Otacher; 433–15.3.493) floh und dreißig Jahre am Hof des Hunnenkönigs Etzel lebte. Nicht Theoderich der Große, wohl aber sein Vater Thiudimer (Theodemer; = Dietmar; † 474 oder 475) lebte am Hof Attilas (Etzels). Der deutsche Doppelheldengesang von der „Rabenschlacht“ (Schlacht um Ravenna) und von „Dietrichs Flucht“ behandelt besonders Dietrichs Versuche, mit Hilfe der Hunnen sein Reich wiederzugewinnen. Als Gegner Dietrichs tritt jetzt ein älterer Gotenkönig auf, Erman(a)rich (272 [?]–375). Von Ermanarichs Tod und von Dietrichs Heimkehr berichtet die nordische „Thidrekssaga“. Im „Nibelungenlied“ verkörpert Dietrich den vollkommenen christlich-ritterlichen Helden; im „Wormser Rosengarten“ und in „Biterolf und Dietleib“ vermischen sich Dietrichstoff, Siegfriedstoff und Burgunderstoff. Märchenhafte Erzählungen, die ihn im Kampf mit Riesen und mit Zwergen und als Befreier von Jungfrauen zeigen, bestimmen die Heldendichtungen von Goldemar, von Ecke („Ecken Ausfahrt“), von Sigenot, von Laurin und von der Jungfrau Virginal.
Etzel
Im „Nibelungenlied“ herrscht Etzel milde und gütig als zweiter Gatte Kriemhilds zu Etzelburg. Der Atli der nordischen Sage („Atlilied“) ist grausam; er erschlägt die Brüder seiner Frau Gudrun (Kriemhild) und wird von ihr getötet.
Gernot
Gernot ist der zweitälteste Burgunderkönig. Er und Rüdiger von Bechelaren erschlagen sich gegenseitig.
Im Gegensatz zu seinen Brüdern Gunther und Giselher ist Gernot geschichtlich nicht bezeugt.
Giselher
Giselher ist der jüngste der drei burgundischen Könige. Er schließt sich von der Ermordung Siegfrieds aus. Giselher und Wolfhart töten sich gegenseitig auf Etzels Burg.
Gunther
In der lateinischen Heldensage gilt Gunnar als Held, der als Gefangener Atlis (Attilas; Etzels) in der Schlangengrube endet.
Hagen von Tronje
Hagen von Tronje ist der gewaltigste Kämpfer der Burgunder und das Urbild des treuen Gefolgsmannes. In der älteren nordischen Überlieferung wird Högni, der Bruder Gunnars (Gunthers) und der Gudrun (Kriemhild), nicht zum Mörder Sigurds (Siegfrieds); Högni wird vom habgierigen Atli (Attila; Etzel) getötet.
Hildebrand
Hildebrand ist der treue Waffenmeister Dietrich von Berns.
Kriemhild
Kriemhild ist die Frau mit der gewaltigsten Wesensart in der mittelalterlichen Dichtung.
Wurzel der Gestalt Kriemhilds ist Ildiko (Hildiko; = Hildchen [Koseform von Kriemhild]), eine Germanin, die der Hunnenkönig Attila (Etzel) im Jahr 453 heiratete.
Rüdiger von Bechelaren
Er ist Markgraf im Dienst des Hunnenkönigs Etzel. Rüdiger und Gernot erschlagen sich auf Etzels Burg gegenseitig.
In ihrer seelischen Verfeinerung ist die Gestalt im „Nibelungenlied“ Zeugnis einer von christlichem Geist durchdrungenen Haltung.
Siegfried
Siegfried, wegen der Hornhaut durch das Drachenblut auch gehörnter Siegfried genannt, ist tapfer, unbesiegbar und ohne Argwohn. Sein Vertrauen in die Treue seiner Kampfgefährten wird ihm aber zum Verhängnis.
Ute
Ute ist die Mutter von Kriemhild und ihren Brüdern.
Volker von Alzei
Volker von Alzei ist ausgezeichnet als Ritter und als Held wie als Spielmann. Er fällt, auf der Seite Hagens kämpfend, auf Etzels Burg durch Hildebrands Hand.
Geschichtlicher Hintergrund:
Aufbau und Stoffgeschichte: Der Verfasser des Nibelungenliedes ist bestrebt, für keine der handelnden Personen Partei zu ergreifen; er will das Schicksalhafte der Geschehnisse hervorheben. Zwar fehlen in der blutrünstigen Geschichte auch die höfischen Züge nicht: Kriemhild und Siegfried sind ganz das liebende Paar der höfischen Dichtung, Siegfried ist der vollkommene Ritter, am Wormser und am Hof Etzels geht es recht gesittet zu und zur weltlichen „hövescheit“ kommt die geistliche: Bevor das Gemetzel am Hof beginnt, begeben sich Burgunder und Hunnen zum gemeinsamen Kirchengang. Doch letztlich ist all das nur Vorwand: Mord, Rache, Hass, Hinterlist und heidnischer Schicksalsglaube bestimmen das Denken und das Handeln der Menschen. Keiner der Helden stirbt „christlich“ im Gedanken an Gott oder an ein Jenseits. So schwach war die Grundlage, auf der das Gebäude der vorbildlichen höfischen Welt ruhte.
Das Nibelungenlied besteht aus zwei ursprünglich getrennten Hauptteilen:
1. Die Heldentaten des jungen Siegfried, seine Werbung um Kriemhild und sein Tod (Siegfriedlied) und
2. Kriemhilds Vermählung mit Etzel, ihre Rache und der Untergang der Burgunder am Hof König Etzels (Burgunderlied)
Dem zweiten Teil liegen geschichtliche Tatsachen zu Grunde: die Vernichtung des burgundischen Reiches am Rhein durch die Hunnen im Jahr 436, an der Attila aber – im Gegensatz zum Nibelungenlied – nicht beteiligt war, der Tod Attilas im Jahr 453 in der Nacht seiner Hochzeit mit Ildiko, einer Germanin, und die Vernichtung des zweiten Burgunderreiches durch die Franken im Jahr 538. Ursprünglich rächte Kriemhild den Tod ihrer Brüder an König Etzel (älteres Atlilied), der diese aus Gier nach dem Goldschatz der Nibelungen hinterlistig an seinen Hof gelockt hatte. Für den ersten Teil, die Siegfried-Brünhild-Handlung, sind geschichtliche Ereignisse, wenn überhaupt, weitaus schwieriger nachzuweisen. Dafür werden von der Forschung der Urform entsprechende, sagenhafte und märchenhafte Züge neben der Heldensage geltend gemacht. In einigen Handschriften ist dem Nibelungenlied die Klage angefügt, in der in vierhebigen Reimpaaren hauptsächlich die Totenklage über die gefallenen Helden des Nibelungenliedes enthalten ist.
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