In den folgenden Kapiteln ein Überblick über die vertretenen Literaturgattungen geben. Es sollen Beliebtheit, Stil und Themen der jeweiligen Art analysiert und diese Behauptungen durch Zitate, beziehungsweise Leseproben untermauert werden. Die gewählten Werke werden für die Epoche charakteristisch, jedoch nicht vorwiegend von den bekanntesten Autoren sein.
4.1 Epik
Der Roman ist im Sturm und Drang nicht so beliebt wie in anderen Epochen. Wenn diese Art der Literatur verwendet wird, so meist in den Formen eines Tagebuches oder Briefes, da sich die Gefühle in solchen persönlichen Aufzeichnungen besonders gut abzeichnen und eine feine Deutung und Nachempfindung des Erzählten möglich ist. Diese Romane sind oft Selbstanalysen, die auf persönlichen Erlebnissen, Empfindungen, Gefühlen des Autors beruhen. Goethes Briefroman \"Die Leiden des jungen Werther\" hat nicht zuletzt deshalb einen so großen Erfolg, weil er den Vorstellungen und Wünschen der Leser genau entspricht.
4.2 Lyrik
In der Lyrik löst das freie Lied das Gedicht der Aufklärung, welches durch seine strengen Formvorschriften und Normen stark eingeengt ist, ab. Der Stil des einfachen Volkslieds wird wiederentdeckt und aufgearbeitet, als Themen Erlebnisse geschildert. Diese Erlebnislyrik bedient sich gerne der Natur als Mittel zur Darstellung des Gemütszustandes der Hauptperson. Sonnenschein, duftende Wiesen und blühende Blumen sollen das Gefühl der Heiterkeit ausdrücken und auf den Leser einwirken. Wolken, Nebel, Regen und Kälte sollen dem Leser bei ihrer Schilderung real erscheinen und ihn in die, nun schlechte, Stimmung der Hauptperson bringen.
Eine andere Art der Lyrik sind die hymnischen Gedichte. Wie schon am Namen zu erahnen ist, werden Helden, die gerne aus der Antike stammen, beschrieben und besungen. Die Gedichte unterliegen keinerlei Formbeschränkungen, sondern werden in freien Rhythmen geschrieben. Die Zeilen sind unterschiedlich lang, haben nicht die gleiche Anzahl von Hebungen und Senkungen und sind nicht in Reimform. In diese Epoche fallen auch die Homer-Übersetzungen von Johann Heinrich Voss, der 1781 die \"Odyssee\" und 1793 die \"Ilias\" in die deutsche Sprache übersetzt.
1771 schreibt Goethe seinen Prometheus und drückt damit das Aufbegehren der Stürmer und Dränger gegen die alte Aufklärung, das Ablehnen der reinen Vernunftebene, den Protest gegen die Unterdrückung und Bevormundung aus.
4.3 Dramatik
Das erste Sturm und Drang-Drama ist \"Ugolino\", das Wilhelm Heinrich von Gerstenberg auf die Bühne bringt. Es ist eine Hungerturmtragödie, deren Stoff aus Dantes \"Göttlicher Komödie\" stammt und in der er Shakespeare nachahmen will, den er bewundert. Die Handlung beschränkt sich eigentlich darauf, daß ein Vater mit seinen drei Söhnen in einem Turm verhungert. Diese magere Handlung wird absichtlich gewählt, um die Gefühle, die Leidenschaften und nicht zuletzt das Leiden genauer darstellen zu können.
Shakespeare ist für die meisten Dramatiker des Sturmes und Dranges ein Vorbild, da er in seinen Werken mehrmals den Schauplatz wechselt und Jahre überspringt, damit die Dramatik des Gezeigten voll wirken kann. \"Die erste Seite, die ich in ihm las, machte mich zeitlebens ihm eigen [...] Ich zweifelte keinen Augenblick, dem regelmäßigen Theater zu entsagen. Es schien mir die Einheit des Orts so kerkermäßig ängstlich, die Einheiten der Handlung und der Zeit lästige Fesseln unsrer Einbildungskraft. Ich sprang in die freie Luft und fühlte erst, daß ich Hände und Füße hatte.\" (aus dem Aufsatz \"Zum Shakespeare-Tag\" vom jungen Goethe (1771), entnommen aus der Literaturkunde Seite 83).
Das Genie des Sturm und Drangs sprengt alle stilistischen und sprachlichen Fesseln, da es keine Einschränkung der künstlerischen Freiheit duldet. Die Dramen sind meist in Prosa verfaßt, grammatikalische Regeln werden mißachtet, halbe Sätze, Ausrufe und einzelne Wörter als Stilmittel verwendet. Diese Art der Schreibweise wird als Explosivstil bekannt.
Friedrich Maximilian Klinger, der, wie schon erwähnt, durch sein Schauspiel \"Sturm und Drang\" (1776) der ganzen Epoche ihren Namen gibt, ist der \"wuchtigste\" Dramatiker der Straßburger Gruppe um Goethe (Deutsche Literaturgeschichte (2) Seite 153) und beeindruckt am meisten mit seinem Werk \"Die Zwillinge\", das auch 1776 veröffentlicht wird. Es geht hier um ein Brüderpaar, von dem sich beide Brüder in das selbe Mädchen verlieben, in Streit geraten und ihren Konflikt nur durch die Tötung des einen Bruders durch den anderen aus der Welt schaffen können.
Als ein von Wahnsinn geplagter Mann und begabter Kritiker schreibt Michael Reinhold Lenz die realistischen Komödien \"Hofmeister\" (1774) und \"Soldaten\" (1776). Im \"Hofmeister\" beschreibt er die Schäden, die eine Privaterziehnung anrichten kann, in \"Soldaten\" berichtet er über die Folgen der allgemein geforderten Ehelosigkeit der Offiziere.
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