Die Entdeckung der Currywurst - Novelle (1993)
1. Der Ich-Erzähler erinnert sich an Lena Brücker, die im Hamburger Hafenviertel eine Imbissbude betrieben hat, in der er bis vor 12 Jahren immer mal wieder eine Curry-Wurst aß. Der Ich-Erzähler hatte als Kind in dieser Gegend in der Nähe vom Kiez öfters seine Tante besucht, die im selben Haus wie die Imbiss-Buden-Besitzerin Lena Brücker wohnte. Er entwickelt dann später die Idee, dass die Curry-Wurst hier in Hamburg und genau von dieser Frau erfunden worden sei und macht sich auf eine Entdeckungsreise in die Lebensgeschichte der Lena Brücker. Er spürt sie im Altersheim in Harburg auf, wo sie die Zeit Pullover strickend - obwohl fast blind - verbringt, und lässt sich von ihr an sieben Nachmittagen (= sieben Kapitel) die Geschichte erzählen, die Ende April 1945 in Hamburg mit Hitlers Trauung und Selbstmord beginnt.
Hamburg wird schon von den Engländern beschossen, soll aber nach dem Willen der Oberen bis zum letzten Atemzug verteidigt werden. Frau Brücker leitet eine Volkskantine zusammen mit dem Koch Holzinger. Beide sind nicht gerade regimetreu, jedoch so weit es geht unauffällig. Demgegenüber gibt es den Blockwart Lammert, welcher sehr parteitreu ist .
An einem regnerischen Tag lernt Lena in der Warteschlange vor dem Kino den 24-jährigen Bootsmann Bremer kennen, der eigentlich in Oslo die Seekartenkammer leitet, aber jetzt zum Verteidigungseinsatz in Hamburg eingeteilt worden ist und am nächsten Tag sich beim letzten Aufgebot melden soll.
Es gibt einen Bombenalarm, man geht in den Luftschutzkeller und danach nimmt Lena Brücker (40-jährig) den jungen Mann mit zu sich in die Wohnung.
Am nächsten Morgen um vier Uhr steht Bremer auf, zieht sich an, sie sagt \"Komm!\" zu ihm, er zieht sich wieder aus und legt sich erneut zu ihr ins Bett: Jetzt ist er ein Deserteur.
2. Hermann Bremers Vorgeschichte wird geschildert, wie er schließlich nach Hamburg ins Bett von Lena Brücker kam und warum er an diesem Morgen wieder hineinstieg.
Von nun an verbringt Bremer die Tage in der Wohnung, er kann sie nicht mehr verlassen, denn Deserteure werden gesucht und erschossen, er hatte das selbst gesehen und er hatte auch keine andere Kleidung als seine Uniform. Er beobachtet die Welt aus dem Fensterwinkel der Wohnung und wartet, bis Lena am Abend zurückkommt. Diese wiederum verwendet ihr ganzes Organisationstalent um ihn zu verwöhnen.
Natürlich wird der Verdacht der Nachbarn und des Blockwartes Lammers erregt, schon durch die nächtlichen Geräusche. Sie müssen ihr Nachtlager aus dem Wohnzimmer in die Küche verlegen, wo sie ein Matratzenparadies einrichten.
Noch hält der \'Gauredner\' in Lena Brückers Kantine die letzten Durchhaltereden (S.67).
Eines Abends kommt Lammers und schnüffelt in der Wohnung herum. Seine Geschichte wird erzählt. Die Hausbewohnern glauben, dass er vor dem Krieg einen sozialdemokratischer Hausbewohner denunziert hatte, jedenfalls wurde dieser von der Gestapo abgeholt und kam als gebrochener Mann zurück. (s.80).
3. Das Radio ist kaputt, Bremer ist von der Außenwelt abgeschlossen. Er durchstöbert die Wohnung, findet das Fotoalbum von Lena und sieht darin die Bilder von ihrem Mann und ihren beiden Kindern. Einmal taucht der Block- bzw. Luftschutzwart tagsüber in der Wohnung auf, er hat einen Schlüssel, Bremer hat sich in der Besenkammer versteckt, nichts wird entdeckt. Eines Abends kommt die Rede auf Curry, Bremer war mit der marine in Indien gewesen und hatte diesen dort kennengelernt, er könnte Reis mit Curry machen, aber natürlich gibt es nur Reis mit Brühe. Auch lena Brücker entdeckt - allerdings zufällig - ein Foto, das Bremer mit Frau und Kleinkind zeigt. Beiläifig fragt sie ihn dann einmal, ob er verheiratet sei. Er verneint.
4. Mai: Hitler bringt sich um, Hamburg kapituliert und der Krieg ist aus.
Aber Lena beschließt, Bremer nichts zu sagen, denn dann würde er sie doch verlassen und seine Familie aufsuchen. Jetzt ist er ihr Gefangener. Sie kann alles organisieren, nur keine neue Röhre für das Radio oder eine Zeitung. Zwar merkt er, dass das Straßenbild sich verändert hat, er erfährt auch, dass die Engländer in Hamburg sind, jedoch vermutet er nun, dass die Deutschen mit den Engländern jetzt gemeinsame Sache gegen die Russen machen. Der GEdanke gefällt ihm, doch dann merkt er, dass er ja nun erst recht nicht die Wohnung verlassen kann, denn er ist immer noch ein Deserteur.
Lena Brücker erzählt von ihrem Mann, dem Gary, dem Weiberheld und Küstenschmuggler (119), den die Kripo schließlich mitgenommen hat: Drei Jahre Knast, danach Lastwagenfahrer.
In diesem Tagen erhängt sich auch der alte Kriegsveteran und Luftschutzwart Lammers.
5. Die Engländer übernehmen die Verwaltung in Hamburg, auch in Lenas Kantine, wo die Offiziere speisen. Bremer sitzt in der Wohnung und langweilt sich. Er putzt sie, geht weiterhin auf Socken und beobachtet das Straßenbild, auf dem sich langsam ein Schwarzmarkt bildet. Lena bringt weiterhin keine Zeitungen mit und er glaubt immer noch an den gemeinsamen Vormarsch gegen die Russen.
Sie essen zum ersten Mal in ihrem Leben Kaugummi (146).
Am 17. Tag nach der Kapitulation bekommt er einen Koller und es kommt zur handgreiflichen Auseinandersetzung; sie kämpfen miteinander, er verstaucht sich die Hand, entschuldigt sich, beruhigt sich, jedoch verschlimmert sich sein seelischer Zustand: Er verliert den Geschmackssinn, alles was Lena ihm so liebevoll vorsetzt, Eichelkaffee, Kartoffelmus, sogar mit einer Muskatnuss gewürzt, schmeckt er nicht mehr. Ja, denkt sich Lena, wenn man jetzt etwas Curry hätte, es soll ja auch - wie ihr ein Engländer sagte - gegen jede Art von Koller helfen ...
6. Lena will den Zustand verlängern, dann aber veröffentlichen die Engländer die grauenvollen Bilder aus den deutschen und polnischen KZs, alle sind sehr verwirrt, und als Bremer wieder einmal seine Kriegszüge gegen die Russen plant und die Bilder von den KZs für plumpe Feindpropaganda erklärt, da platzt es aus ihr heraus: Der Krieg ist aus ... Deutschland hat kapituliert. Danach verschwindet er spurlos und ohne ein Wort.
Dafür kommt nach einigen Monaten Lena Brückers Mann aus der russischen Kriegsgefangenschaft nach Hause. Er sieht gut genährt aus.
Und wir wissen immer noch nicht, was das alles mit der Currywurst zu tun hat. Davon wird im letzten, dem 7. Kapitel, berichtet. |