2.5.1. Das Unglück des Guten/
Menschen sind nur sehr ungern selbst schuld an einem Misserfolg und weigern sich oft, sich Fehler einzugestehen. Deshalb sehen sie sich oft als diejenigen, die benachteiligt werden, obwohl sie unschuldig sind. Es liegt auch in der Natur des Menschen, sich selbst als die Guten zu sehen. Neid ist ein Charakterzug, der zusammen mit den bereits erwähnten eine vermeintlich ungerechte Situation schafft. Denn wenn man will, findet man immer etwas, womit man andere schlecht machen kann, und Neid ist wohl der stärkste Ansporn, eine solche Tat oder eine solche Eigenschaft zu suchen. Da man ja selbst der Gute ist und der andere der Böse, schliesst man schnell, dass die Bösen ungerechterweise Glück und die Guten Pech haben. So kann man seinem Neid freien Lauf lassen und mit dieser Formel alle eigenen Misserfolge und Fehler entschuldigen. ,Frau Holle' unterstützt diese Verhaltensweise, indem es mit den Worten beginnt:
"Eine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleissig, die andere hässlich und faul. Sie hatte aber die hässliche und faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere musste alle Arbeit tun und der Aschenputtel im Hause sein." 24
Wenn in den Medien noch ein Beispiel, wie das von Prinzessin Diana gefunden wird, ist das eigene Denken erst recht bestätigt und das Selbstmitleid geschürt. Diana heiratete als junge und verschüchterte Kindergärtnerin den Thronfolger von England. Alles schien perfekt und die ganze Welt verfolgte deren Traumhochzeit. Die Zeitungen begannen jedoch bald von der Entfremdung zwischen dem vermeintlichen Traumpaar zu berichten und Diana wurde von einer Flut des Mitleids überrollt, als bekannt wurde, wie sehr sie unter der Queen und ihrem Gatten zu leiden hatte und dass sie die Belastung ihrer auferlegten Pflichten in die Bulimie getrieben hatte. Man verzieh ihr sogar ihr Verhältnis zu ihrem Reitlehrer. Nach ihrer Scheidung von Prinz Charles wurde sie immer beliebter, was jedoch zur Folge hatte, dass sie immer mehr von gierigen Fotografen verfolgt wurde, die ihr ganzes Intimleben erforschten und an die Zeitungen verkauften. So auch ihre Beziehung mit einem Millionärssohn, die anscheinend den Anfang von glücklicheren Tagen in Dianas Leben bedeutete. Dieses Leben endete jedoch völlig unverhofft bei einem noch ungeklärten Autounfall nach einer Flucht vor neugierigen Fotografen durch die Strassen von Paris. Die erbarmungslosen Fotografen werden heute als Übeltäter und Mörder dahingestellt, doch kaum jemand, der solche Anschuldigungen vornimmt, denkt daran, dass er selbst diese Fotografen unterstützt, indem er die Boulevardblätter kauft, die solche Spannerfotos abdrucken. Auch trotz dieses Unfalls lechzen die Menschen immer noch nach Bildern, die die Intimsphäre von Prominenten verletzen und machen sich so zu Voyeuren.
2.5.2. Die Ausbeutung anderer
Eine andere Charaktereigenschaft des Menschen, als die Neugierde und der Neid verbunden mit der Benachteiligung der eigenen Person, ist der Egoismus. Man ist oft viel zu sehr um das eigene Fortkommen bedacht und übersieht oft, dass andere dabei stark benachteiligt werden und dabei untergehen. Nur wenige, die sich selbst einmal in der Lage befunden haben, dass auf ihre Kosten ein anderer begünstigt wurde, nehmen Rücksicht. Meist werden die sozial Schwächeren ausgenutzt, was die Menschen, die bereits benachteiligt sind, noch tiefer in ihr Elend stürzt und sie mit der Zeit fast keine Möglichkeit mehr erhalten, sich in eine bessere Position zu bringen. Selbstverständlich kann hier nicht generell über alle Menschen geurteilt werden und es versteht sich auch von selbst, dass in der heutigen Zeit nicht immer mit Nachsicht gehandelt werden kann, da Erfolg so nur äusserst schwer zu erreichen wäre, doch man kann unmöglich bestreiten, dass diese Tendenz nicht besteht. Ein Mittel, um durch andere nach oben zu kommen ist, ihnen falsche Versprechungen zu machen und sich so ihre Unterstützung zu sichern. Wenn sie einem geholfen haben, werden sie jedoch nicht für ihren Aufwand entschädigt. So handelt auch die Prinzessin im Froschkönig, wie die folgenden Zeilen zeigen:
"Die Königstochter war voll Freude, als sie ihr schönes Spielwerk wieder erblickte, hob es auf und sprang damit fort.
,Warte, warte', rief der Frosch, ,nimm mich mit, ich kann nicht so laufen wie du!' Aber was half es ihm, dass er ihr sein ,Quak, quak' so laut nachschrie, wie er nur konnte! Sie hörte nicht darauf, eilte nach Hause und hatte bald den armen Frosch vergessen, der wieder in seinen Brunnen hinabsteigen musste." 25
Diese Taktik ist solange erfolgreich, wie ein einmal Untergebener auch ein Untergebener bleibt. Doch sobald eine Person, die man einst benutzt hat, plötzlich in der Hierarchie über einem steht, könnte dessen Rache hart ausfallen.
2.5.3. Der Schönheitswahn
Eines der Probleme von Schneewittchens Mutter Richilde ist, dass sie denkt sie sei nur soviel wert, wie sich von anderen geschätzt werde und sie sei das, wie die anderen sie sehen. Das heisst, dass sie völlig von der Meinung ihrer Umwelt abhängig ist und ihr Aussehen die einzige Möglichkeit ist, um Wertschätzung zu erhalten. Daher ist sie auch dem Zwang unterworfen, sich täglich ihrem Spiegel zu präsentieren und ihn zu fragen:
"Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die schönste im ganzen Land?" 26
Als ihr der Spiegel eines Tages nicht mehr die erhoffte Antwort gibt, unternimmt sie alles, um wieder die Schönste zu sein. Dieses Problem betrifft jedoch nicht nur die Märchenkönigin, viele Menschen leiden darunter, dem Schönheitsideal der Medien zu entsprechen, Männer wie Frauen. Gefährlich wird das Modediktat, wenn jemand versucht, eine magere Figur wie das Modell Kate Moss zu erreichen, was zur Magersucht führen kann, so dass er oder sie fast nichts mehr isst und völlig das eigene Körpergefühl verliert. Dies schadet dem Körper enorm, da ihm Vitamine, Mineralstoffe und andere wichtige Nährstoffe vorenthalten werden. Magersucht kann bei zu grossem Körperverlust zum Tod führen, und weil die Betroffenen nicht mehr merken, wie krank sie sind und sich trotz krassem Untergewicht noch zu dick fühlen, ist es schwer, ihnen zu helfen. Es gibt jedoch auch weit weniger gefährliche Auswirkungen des Modediktats. Früher waren es Schnürriemen, die, wie auch bei ,Schneewittchen', so fest angezogen waren, dass die Trägerin das Bewusstsein verliert, heute trägt man Plateau-Schuhe, die durch extrem hohe Absätze und Sohlen das Laufen so stark erschweren, dass sich schon manche einen Fuss gebrochen oder einen Knöchel verstaucht hat. Dieser Schönheitswahn kostet auch Unmengen von Geld, da viele Geschäftsmänner entdeckt haben, dass den Menschen ihr Äusseres viel Wert ist. Überall werden Therapien und Cremen gegen Orangenhaut, neue Wundermittel bei Haarausfall, verschiedene Diäten, Getränke oder Pflaster zur Gewichtsreduktion und vieles mehr angeboten. Leider sind diese oft teuren Waren nur selten ihr Geld wert und nützen kaum etwas. Doch viele Menschen glauben den Versprechungen der skrupellosen Geschäftemacher und zahlen die horrenden Beträge nur für ihr Aussehen. Innere Werte scheinen überhaupt nicht mehr zu zählen.
2.5.4. Die fehlende Vaterfigur
In ,Schneewittchen' wird über den Konflikt zwischen Mutter und Tochter berichtet, über das Leben der Tochter nach der Flucht vor der Mutter und über die endgültige Loslösung von der Mutter. Der Vater wird lediglich in der Textstelle erwähnt:
"Und wie das Kind geboren war, starb die Königin.
Über ein Jahr nahm sich der König eine andere Gemahlin. Es war eine schöne Frau, aber sie war stolz und übermütig..." 27
Schneewittchen hatte also einen Vater, er hat sich jedoch kaum um seine Tochter gekümmert und spielt anscheinend eine unwichtige Rolle in ihrem Leben. Der Gemahl von Schneewittchen hält bei ihm nicht einmal um ihre Hand an. Dieses Fehlen der Vaterfigur ist ein Problem, das die damalige, wie die heutige Zeit betrifft, es hat hingegen andere Ursachen. Früher sind die Männer in den Krieg gezogen, heute sitzen sie bis spät Abends im Büro. Viele Väter haben einfach keine Zeit mehr, sich ihrer Familie zu widmen, da sie oft Überstunden machen müssen und zu Hause ihre Ruhe wollen, weil sie todmüde sind. Das Wochenende ist die einzige Möglichkeit, etwas mit der Familie zu unternehmen, doch dann möchten sie auch gerne eigenen Hobbys nachgehen. Die Situation, den Vater unter der Woche nicht zu sehen, kennen auch Kinder geschiedener Eltern. Diese "Wochenendväter" lassen vor allem bei kleinen Kindern ein verzerrtes Bild der Vaterfigur entstehen. Seit einer Weile lässt sich die leichte Tendenz beobachten, dass Frauen den Mann nur noch als Samenspender benutzen und ihn an der Erziehung des Kindes nicht mehr teilhaben lassen. Dies ist jedoch noch recht selten. Eine Variante dieser Handlungsweise kann in homosexuellen Beziehungen zwischen Frauen beobachtet werden. Sie wünschen sich ein Kind und suchen sich deshalb einen Bekannten oder einen Freund, der ihnen seine Samenzellen zur Verfügung stellt und so deren Kinderwunsch erfüllt. Die Öffentlichkeit wehrt sich aber gegen diese Familienstruktur, die auch in Beziehungen homosexueller Männer angestrebt wird, in diesem Fall jedoch durch Adoption erreicht werden muss. Die meisten Menschen glauben, dass Kinder, die in homosexuellen Beziehungen aufwachsen, eine falsche Vorstellung eines Vaters oder einer Mutter bekommen. Die Variante, mit der Frauen die Adoption umgehen, kann jedoch nicht verhindert werden und so werden wohl in Zukunft noch viele Kinder in Lesbenbeziehungen aufwachsen, wie auch die Zahl der Scheidungskinder laufend wächst.
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