Noch im 9. Jahrhundert bestand "Deutschland" aus mehreren Gebieten, die sich zusam- mengeschlossen hatten. So kam es, daß es auch keine Amtssprache gab, sondern je nach Region verschiedene Dialekte gesprochen wurden. Die Sprache der Gebildeten, Geistlichen und Adligen war auch zu dieser Zeit das Lateinische.
Vier Dialekte sind auch in vielen aus dieser Zeit überlieferten Schriftstücken wieder zu erkennen: das Fränkische, das Alemannische, das Sächsische und das Bairische.
Textquellen, wie z. B. die "Merseburger Sprüche", die in einem Meßbuch in Fulda gefunden wurden und aus dem 10. Jahrhundert stammen und mit zu den ältesten deutschsprachigen Dokumenten gehören, die sich noch durch ihren Gehalt an germanischer Mythologie auszeichnen. Sie erhielten den Beinamen "Zauberspruch" wegen dem enthaltenen Zusammenhang zwischen mythischer Begebenheit und der Gegenwart. Diese Zaubersprüche weisen noch stark auf den heidnischen Glauben der Germanen hin, wie auch auf den bäuerlichen Alltag und die germanische Weltanschauung.
Erst im Laufe der Christianisierung wurden systematisch Texte aus dem Lateinischen in die Volksdialekte übertragen. So ist es nicht verwunderlich, daß die Mehrzahl der Schriftstücke aus dieser Zeit geistliche Texte sind. Bald wurden viele Begriffe für die Kirche und das Rechtswesen aus dem Lateinischen ins Deutsche übertragen. Als ältestes deutsches Buch ist so der "Abrogans" (lat.: bescheiden) als ein erstes deutsch-lateinisches Wörterbuch aus dem 8. Jahrhundert aus St. Gallen erhalten.
Bis nun schließlich die Interlinearübersetzung an Bedeutung gewann, gab es nur wenige vollständige und sinngemäße Übersetzungen.
Die sogenannte "althochdeutsche Prosaliteratur" ist ebenfalls eine Form von geistlicher Literatur aus dieser Zeit, die sich mit theologischen Inhalten der Bibel und der Verteidigung des christlichen Glaubens beschäftigt.
Unter Karl dem Großen entstand die "grammatica patrii sermonis", die Schreibordnung der heimischen Sprache.
Die Anfänge der europäischen Lyrik waren ausschließlich christlichen Inhalts, sie band sich immer stärker an das Christentum, so daß das christliche Ludwigslied (gedacht als Siegeslied für den westfränkischen König Ludwig III.) zum Gegenstück des germanischen Hildebrandslied.
Trotz dieser literaturgeschichtlichen Fortschritte wurde die Volkssprache auch im 11. Jahrhundert von den Gebildeten noch nicht akzeptiert.
Notker Labeo (Teutonicus) wurde sehr bekannt durch seine mischsprachigen Lehrtexte, die Deutsch und Latein enthielten.
Erst ab 1060 setzte eine kontinuierliche Dichtung in deutscher Sprache ein, und eine "neue" Sprache entstand: das "Frühmittelhochdeutsch".
Aus dieser Zeit stammen bekannte Hohelied-Dichtungen, wie z. B. das St. Trudperter Hohelied.
Auch weitere eigenständige Dichtungen, wie Gebetsdichtungen, entstanden nun unabhängig von lateinischer Sprache und Übersetzungen. Trotzdem lag die Dichtung von Literatur immer noch in der Hand der Klöster.
Zu den bisherigen literarischen Inhalten wie Bibel und Glaubenslehre kamen nun Textungen zur Weltgeschichte und zur Tierkunde hinzu. Z. B. die Schöpfungsgeschichte von Mergato aus dem Ostfränkisch-Bairischen um 1090. Durch die erstmals in der Literaturgeschichte aufgetretene Form der Tierepik wurden weltliche Zusammenhänge durch die Transpiration ins Tierreich ins Lächerliche gezogen.
Katharina Fink (Deutsche Literatur im Mittelalter)
Die übliche Form der Schriften war noch die Versdichtung, der wir den heute noch bestehenden Paarreim oder Endreim zu verdanken haben.
Kurz vor dem Beginn der Klassik im 12. Jahrhundert entstanden die ersten Romane und weitere Legendenromane wie z. B. Roudlieb.
Die nun folgende mittelhochdeutsche Klassik wird oft auch als Zeit der höfisch-ritterlichen Literaturdichtung bezeichnet.
Erstmals in der Geschichte gab es Dichterpersönlichkeiten, die mehrere Werke schrieben. So war es sogar möglich, seinen Lebensunterhalt als Berufsdichter oder Liederdichter zu verdienen, indem man von Hof zu Hof zog und durch den "Minnesang" sich die Gunst seines Herren oder seiner Herrin ersingt.
Nach und nach gewann die höfische Dichtung an Ansehen und Dichter erhielten an weltlichen Höfen ihren festen Platz.
Gleichzeitig entstand ein "Einheitsdialekt" der deutschen Dichtung: das Hochdeutsch.
Es entwickelten sich Liebesromane und -novellen als Minnedichtung, die oft bestimmten Personen, wie z. B. der Frau des Auftraggebers gewidmet wurden.
Nach und nach entwickelten sich aus der nunmehr vom christlichen Inhalt gelösten Volksliteratur auch Textformen, wie die Artusromane und ritterlichen Legenden, als Exempel für die irreale Dichtung.
Die Blütezeit des deutschen Mittelalters war durch Wolfram von Eschenbach (1200) gekennzeichnet, der mit seinem ersten großen Werk "Parzival" dem Artusroman die letzte religiöse Dimension hinzufügte und mit seinem zweiten großen Werk "Willehalm" die Problematik der christlichen Helden- und Geschichtsdichtung fortführte.
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