Die letzte Phase verbrachte Kafka zusammen mit Dora Diamant. Sie mieteten eine Wohnung in Steglitz, und in
den ersten Monaten ist Kafka sehr glücklich. Er hatte endlich, gegen alle Widerstände, den Wegzug von Prag
Franz Kafka - Sein Leben und seine Werke
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durchgesetzt, unvermutet besitzt er einen eigenen "Hausstand". Seinem Freund Felix Weltsch beschreibt er die
neue Umgebung: ....meine Gasse ist etwa die letzte halb städtische, hinter ihr löst sich das Land in Gärten und
Villen auf, alle üppige Gärten. An lauen Abenden ist ein so starker Duft, wie ich ihn von anderswoher kaum
kenne. Dann ist da noch der große Botanische Garten, eine Viertelstunde von mir, und der Wald, wo ich
allerdings noch nicht war, keine volle halbe Stunde. Die Einfassung des kleinen Auswanderers ist also schön. 24
Nach sechs Wochen hatte er umziehen müssen, in der ersten Wohnung gefiel der Wirtin der etwas zweifelhafte
"Hausstand" wohl nicht. Hatte Kafka Brod bei einem seiner ersten Besuche noch gesagt: Ich bin den Dämonen
entwischt, diese Übersiedlung nach Berlin war großartig, jetzt suchen sie mich, finden mich aber nicht,
wenigstens vorläufig nicht. 25
Wenige Wochen nach dem Umzug schreibt Kafka in seinem letzten Brief an Milena.... die alten Leiden haben
mich auch hier aufgefunden, angefallen und ein wenig niedergeworfen 26 Die Tuberkulose schritt in den
folgenden Monaten rasch fort, besonders durch die schlechte Ernährung. Im Januar 1924 heißt es in einem Brief
an Max Brod:
Wäre das Wesen nur nicht so hinfällig, man könnte ja die Erscheinung fast aufzeichnen: links stützt ihn etwa
Dora; rechts etwa jener Mann; den Nacken könnte ihm z.B. irgendein "Gekritzel" steifen, wenn jetzt nur noch
der Boden unter ihm gefestigt wäre, der Abgrund vor ihm zugeschüttet, die Geier um seinen Kopf verjagt, der
Sturm über ihm besänftigt, wenn das alles geschehen würde, nun, dann ginge es ja ein wenig. 27
Anfang März 1924 verschlimmert sich der Zustand so stark, daß Onkel Siegfried und Max Brod nach Berlin
kommen und Kafka nach Prag bringen; die Tuberkulose hatte auch seinen Kehlkopf ergriffen, eine Heilung war
ausgeschlossen. Anfang April wird Kafka in das Sanatorium Wiener Wald gebracht, von dort in die
Universitätsklinik in Wien, Ende April in das Sanatorium Dr. Hoffmann in Kierling bei Klosterneuburg. Dora
Diamant ist Tag und Nacht bei Kafka. Der lebenslange Freund Max Brod besucht ihn noch einmal. Am 3. Juni
1924, einen Monat vor seinem einundvierzigsten Geburtstag, stirbt Franz Kafka und wird in Prag beigesetzt, in
der Stadt, die er haßte und liebte, die er immer verlassen wollte aber die ihn doch festhielt.
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