Wenn man Hesses Steppenwolf soweit reduzieren könnte, daß man ihn auf eine einzige Aussage zurückführen kann, so müßte diese in etwa so lauten:
"Versuche die Ziele in deinem Leben zu erreichen, selbst wenn sie unerreichbar scheinen, aber vergiß ob deiner Ideale nicht zu Leben, sie dürfen dich nie so vereinnahmen, daß du nicht mehr fähig bist, Spaß am Leben zu empfinden."
Aber Hesses "Steppenwolf" ist ein Buch, das viel tiefer geht, als diese eine Aussage. Hesse spielt mit den Gefühlen des Lesers.
Er hält ihm mit der Geschichte des vereinsamten Harry Haller der wieder zu Leben lernt einen Spiegel vor und, ohne sich dessen bewußt zu werden, scheint der Leser etwas zu erlangen, etwas aus dieser Geschichte zu lernen, was er nur durch obige Aussage nie getan hätte.
Das vorrangige Motiv des Romans ist die Vereinsamung eines Menschen, der daran gescheitert ist seine Ideale zu verwirklichen, der am Kampf gegen eine unveränderliche Welt zerbrochen ist. Harry Haller ist eigentlich das was man von jedem Menschen erwarten würde: Er ist gebildet, macht sich seine eigenen Gedanken, und glaubt an so etwas wie Moral und Gerechtigkeit. Er versucht stets höflich zu bleiben, verhält sich nie besserwisserisch oder wird aufdringlich. Und doch, oder genau aus diesem Grund ist er zerbrochen, er hat am Ende so viel Abscheu vor der ganzen Welt empfunden, daß er sich in sein eigenes Leben zurückgezogen hat. Er hat es nicht mehr ausgehalten unter Leute zu gehen, weil er jede Freundlichkeit als Heuchelei verstanden hat, jedes Vergnügen war für ihn eine weltliche Qual, die die freie Entfaltung des Geistes behindert. Aus dieser Vereinsamung kann ihn nur die Kameradschaft mit einem gleichgesinnten Geist wieder herausreißen.
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