Der Rundfunk als Medium erzeugt eine neue Form der künstlerisch-literarischen Bewegung; der Rundfunk als Institution erzwingt in dieser Form und noch über diese hinausgehend eine ästhetisch-politische Anpassung; beides zusammen ergibt ein literarisches Produkt, dessen Gehalt und Wirksamkeit mit den traditionellen Mitteln der literaturwissenschaftlichen Textanalyse allein nur teilweise aufzuklären ist..."2. Aufgrund dessen muss die Untersuchung auf die Bedingungen der Hörspielproduktion ausgedehnt werden. Jedoch hatten die Autoren dieser Zeit noch kein vollständiges Bewusstsein über strukturelle Festlegungen einer Hörspielarbeit.
Es entwickelte sich eine Tendenz, "dass die Dichter dieser Epoche für den Funk schreiben, selbst dann, wenn sie noch glauben, für die Bühne zu schreiben" (Arnold Bronnen, aus 2). Viele Hörspiele gingen zurück auf frühere literarische oder dramatische Arbeiten oder waren gleichzeitig Hörspiele und Theaterstücke. Das Filmdrehbuch wurde im Gegensatz zum Hörspielmanuskript von Anfang an von seinem Autor als nichtliterarischen Text begriffen. Die Veränderung der Wahrnehmungsformen des Rezipienten war beim Film viel offensichtlicher als beim Rundfunk und zwang die Literaturproduzenten unmittelbar, sich auf die neuen technischen Mittel einzustellen.
Die Beschränkung auf die akustische Dimension, die Ein-Weg-Kommunikation sowie ein heterogenes Massenpublikum mit weitgehend individueller Rezeption und die staatlich bestimmte politische Leitung ergaben eine besonderes sperrige Grundstruktur des Rundfunks. Durch das Fehlen der optischen Dimension stellte sich die Frage, ob der Rundfunk überhaupt Kunstwerke hervorbringen kann. Zur Kompensation dieses Mangels gab es drei Möglichkeiten: 1. Verzicht auf Sinngebung beziehungsweise Realitätsbezug, 2. Einsatz spezifischer Kunstmittel, 3. Konzentration auf das Innenleben der Menschen.
Zur Zeit der Weimarer Republik zeichnete sich der Rundfunk durch hohen Realitäts- und Aktualitätsbezug sowie kurze, verständliche und hörbare Formen und epische Kunstmittel wie Ansager, Erzähler, kommentierende Geräusche, Musik und Songs als Ausgleich der fehlenden optischen Dimension.
Mindestens ebenso nachhaltig wirkten sich die institutionellen Bedingungen auf den Rundfunk aus. Der eher auf Staatserhalt als auf den Ausbau der Demokratie ausgerichtete Rundfunk, dessen1926 bis 1932 geltenden Richtlinien eine unpolitische Neutralität forderte, erwies sich für die demokratisch-engagierten, sozialistischen und kommunistischen Autoren als eine schwere institutionelle Barriere bei der Durchsetzung ihrer Intentionen. Es fand trotz vieler offizieller gegenteiliger Behauptungen eine ständige Zensur durch die Überwachungsgremien statt. Bei den meisten Autoren lassen sich Anpassungsvorgänge nachweisen, welche die eigentlichen Intentionen des Autors verfälschten. Zum Ende der Weimarer Republik verengte sich der Spielraum der Autoren mit zunehmender Faschisierung immer mehr. Die zunehmende Zensur beziehungsweise Ausgrenzung der Autoren und Hörspiele ab 1930 führte zweifellos zu einem literarischen Substanzverlust des Hörspiels der Weimarer Republik.
|