Viele Stücke von Brecht bringen das Problem, aber nicht die Lösung. In dem Stück "Der Gute Mensch von Sezuan" bricht Brecht an der Stelle der Zuspitzung des Problems ab, die Hauptfigur tritt nach vorne und fragt das Publikum nach der Lösung.
Die Brechtschen Stücke dienen also einer Bewußtseinsentwicklung. Sie geben Anstoß zur einer Denkrichtung.
Kurt Bräutigam schreibt über die letzte Szene folgendes in seinem Buch über Bertolt Brechts "Der gute Mensch von Sezuan":
"Die Gerichtsszene ist ein Spiel im Spiel. Sie dient damit, wie jede Desillusion der Verfremdung des Stoffes, sie rüttelt durch ihr zeigen den Zuhörer auf, mitzusuchen nach der Lösung. Das Spiel im Spiel führt dem Zuschauer im Theater seine wahre Rolle und Aufgabe vor Augen, indem es das Verhältnis Publikum - Schauspieler im Verhältnis Zuschauer im Gerichtssaal - Gerichtsparteien wiederholt. Auch hier dient der ,Gestus des Zeigens' der Aktivierung des Zuschauers."
Der Epilog und somit das Stück endet mit einer Art Befehl an das Publikum:
"Verehrtes Publikum, los, such die selbst den Schluß!
Es muß ein guter da sein, muß, muß, muß!"
Dies zeigt sehr deutlich, was Brecht mit diesem Stück erreichen wollte (vergleiche 1.3 Das Zuschauerverhalten): Brecht möchte den Zuschauer nicht vorgefertigte Lösungen bieten, er möchte ihn zum aktiven Denken anregen.
Der Epilog mit seiner dringlichen Aufforderung an das Publikum, es solle doch die Lösung selbst finden, wirft einerseits Fragen auf, gibt aber andererseits eine eindeutige, vorbereitete Lösung vor:
Die Gesellschaftsordnung bedarf einer Revolution!
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