Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt wird, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hat, in den Hafen von New York einfährt, erblickt er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin. Während Karl die Statue fasziniert betrachtet, macht in ein junger Mann, mit dem er während der Fahrt flüchtig bekannt geworden ist, darauf aufmerksam, daß alle Passagiere das Schiff verlassen. Karl beobachtet die aussteigenden Leute und merkt bestürzt, daß er seinen Regenschirm unten im Schiff vergessen hat. Er bittet den jungen Mann auf seinen Koffer aufzupassen, und eilt davon.
Sein Weg führt ihn durch eine Unzahl kleiner Räume, über kurze Treppen, durch fortwährend abbiegende Korridore, bis er sich tatsächlich ganz und gar verirrt hat. In seiner Ratlosigkeit klopft er an eine kleine Tür, und es ruft von innen "Es ist ja offen". Karl tritt vorsichtig in den kleinen Raum ein. Es ist das Zimmer des Schiffsheizers, der seine Sachen packt um von Bord zu gehen. Dieser erzählt ihm von der ungerechten Behandlung durch seinen Vorgesetzten, einem Rumänen namens Schubal, der seine Arbeit nicht zu schätzen weiß. Karl will dem Heizer helfen, und schlägt vor mit dem Kapitän des Schiffes zu reden. Dieser Vorschlag wird allerdings als eher lächerlich abgetan. Der Heizer macht sich zusammen mit Karl auf den Weg zum Kassaraum. Er klopft respektvoll an die Türe an und fordert, als man "herein" ruft, Karl auf, ohne Furcht einzutreten. Von den drei Fenstern des Zimmers sieht man große Schiffe gegenseitig ihre Wege kreuzen.
An einem runden Tisch sitzen drei Herren, der eine ein Schiffsoffizier in blauer Schiffsuniform, die zwei anderen, Beamte der Hafenbehörde, in schwarzen, amerikanischen Uniformen. Am Fenster sitzt an einem Schreibtisch ein kleiner Herr, der mit großen Folianten hantiert. In der Nähe des dritten Fensters stehen zwei Herren in halblautem Gespräch. Einer trägt auch die Schiffsuniform, derjenige, mit dem er spricht, ist in Zivil und hat ein dünnes Bambusstöckchen.
Der Heizer bittet um ein Gespräch mit dem Herrn Oberkassier, wird aber darauf aufmerksam gemacht das seine Anwesenheit hier nicht erwünscht ist. Da läuft Karl quer durchs Zimmer bis zum Tisch des Oberkassiers und zieht so die Aufmerksamkeit aller auf sich. Er berichtet von der ungerechten Behandlung die dem Heizer durch Schubal widerfahren ist und erlangt damit das Interesse des Kapitäns, dem in Schiffsuniform gekleideten Mann in der Nähe des Fensters. Der Heizer trägt seine Klagen dem Kapitän vor, allerdings in einer so wirren und ungeordneten Weise, daß ein Zuhörer nach dem Anderen das Interesse verliert und den Heizer als lästige Störung empfindet. Karl fällt dem Heizer ins Wort um seinen Redeschwall zu unterbrechen. Inzwischen hat Schubal von dem Vorfall erfahren und betritt den Raum um sich zu verteidigen. Er wird aber davon abgehalten, da der Mann mit dem Bambusstöckchen Karl nach seinem Namen fragt. Es stellt sich heraus des es sich um Karls Onkel handelt, eine wohlhabenden, einflußreichen Senator. Er hat von dem Dienstmädchen, welches ein Kind von Karl bekam, einen Brief mit genauer Beschreibung Karls bekommen.
Karl sieht keine Möglichkeit mehr dem Heizer zu helfen, und der Onkel bewegt ihn, das Schiff zu verlassen, da sie schon viel zu lange die wertvolle Zeit des Kapitäns in Anspruch genommen haben. Karl muß sich vom Heizer verabschieden und verläßt traurig das Schiff um mit dem Onkel an Land zu gehen.
Interpretation
Karl scheint gut gerüstet zu sein, im mythischen Land der unbegrenzten Möglichkeiten ein neues Leben zu beginnen. Aber "schuldlos" bedeutet auch so viel wie naiv und unerfahren. Wegen eines vergleichsweise wertlosen Regenschirms, gibt er seinen Koffer preis, der seine ganze materielle Habe enthält. Er verirrt sich in dem riesigen Schiff, so wie sich im Märchen ein Kind im Wald verläuft. Er muß bei einem Erwachsenen Hilfe suchen. Dieser, der Heizer, ist ein "riesiger Mann", der das Kind sofort ins Bett beordert. Aber Karl besteht die Kraftprobe gegen diese Vaterfigur, denn angesichts seiner Vorgesetzten wird der Heizer selber zum Kind, das sich nicht verteidigen kann, weil es nicht gut genug reden kann. Für einen kurzen Augenblick werden die Rollen vertauscht. Der Heizer wird zu Karls Schützling. Der Onkel ist es dann, der diesen Emanzipationsversuch zu nichte macht. Karls Rede verwirrt sich, als er den ihm noch unbekannten Mann das erste Mal sieht. Als er dann die Aner-kennung ausgesprochen hat, "Du bist mein Onkel", wird ihm sofort alles genommen, was er besitzt: seine Freiheit und der Freund. Am Ende der Geschichte verläßt Karl weinend wie ein kleiner Junge an der Hand des Onkels das Schiff. Auch diese Geschichte endet also mit der Niederlage des Sohnes.
|