Die Gotik
Den Begriff Gotik leitet ca.1550 der italienische Architekt Vasari von den Goten, in seinen Augen Barbaren, ab.
Als Gotik bezeichnet man die zweite große Entwicklungsphase der mittelalterlichen Bau-kunst. Sie beginnt im Jahre 1140 in Nordfrankreich, und endet am Anfang des 16. Jahrhunderts.
Die besonderen Merkmale des gotischen Baustils sind:
à Ablösung der romanischen Rundbögen durch Spitzbögen
à große farbige Fenster
à zahlreiche Verzierungen an den Wänden
à Höhensteigerung des Innenraums und der Türme
à Das Gewicht des Daches lastet auf wenigen Säulen
Vor der Gotik herrschte die romanische Baukunst vor. In der Romanik wurde weniger verziert, die Wände waren sehr stark und es gab nur kleine Fenster, die wenig Licht in die Kirchen ließen.
In der Gotik wurden Elemente, die es auch schon einzeln in der romanischen Baukunst gab, wie Kreuzripppengewölbe, Doppelturmfassade und Spitzbogen, in einem Zusammenhang gestellt. Dadurch wurde es möglich höhere, hellere und verziertere Kirchen zu bauen.
Die über 4 Jahrhunderte andauernde Gotik teilt man in Frühgotik und Spätgotik.
Die Frühgotik kann man auch als Vorstufe der eigentlichen Gotik ( Spätgotik ) bezeichnen.
Von ca. 1140 bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts entwickelten sich schon vorhandene Einzelformen und Elementen ( Bögen, Gewölbe ) weiter. Durch diese Weiterbildung konnte sich ein neuer Stil entwickeln. Durch "Ausprobieren" und "Verschmelzen" dieser neuen Formen, bildete sich ein fester Stil. Einer ausgereiften folgte eine klassische Stufe und dieser wiederum eine Spätstufe.
Der Grundriß einer christlichen Kirche im Mittelalter entsprach einer Kreuzform. Den hohen Langraum durchschnitt ein niedriger Querraum. Zwar wurde schon in der Frühgotik versucht, die Raummasse einheitlich zusammen zu fassen, aber durch die Kreuzform war das nur bedingt möglich.
In der Spätgotik wurde der Chor- und Wandaufbau vereinfacht. Dadurch zieht sich der Raum immer mehr zu einem kompakten Gebilde zusammen.
Er wird von einem richtungsbetonten Raum zu einem richtungslos flutenden Raum. Die Wände werden einheitlicher gestaltet, da statische Funktionen ( Bögen ) geschliffen werden.
Somit entsteht ein " hemmungs- und gelenkloses Fließen der Raumgrenzen", die in der Spätgotik deutlich hervortraten.
Der Bau einer Kathedrale dauerte 80-100 Jahre und wurde aus Kirchensteuern und Abgaben finanziert
Die Entwicklung der Gotik war in den Ländern Europas unterschiedlich. Ihren Anfang hatte die Gotik in Nordfrankreich, mit dem Bau der Abteikirche Saint-Denis.
Nur langsam verbreitete sie sich nach Deutschland, wo der Kölner Dombau den Bann brach. Zu Beginn der Übernahme entstanden zwei Bauwerke, die dem Prinzip der französischen Gotik kaum entsprachen, die Liebfrauenkirche zu Trier und die Elisabethkirche zu Marburg. Die meisten Bestandteile wurden vereinfacht, das West-Turmpaar wurde durch einen oft sehr hohen Einzelturm ersetzt. In manchen Details wurde das System aber auch bereichert, zum Beispiel durch Gewölbeformulierungen, Bogenformen und Pfeilern.
Während der Frühgotikzeit war Frankreich allen anderen weit voraus. Aber der Übergang zur Spätgotik begann in England, mit lang gestreckten Kathedralen. z.B. die Kathedrale von York oder Westminster Abbey.
Die Italiener lehnten die Gotik strikt ab, trotzdem kam es zum Bau des Florenzer und des Mailänder Domes.
In Österreich ist das wichtigste Bauwerk der Gotik der Stephansdom, obwohl man ihn durch seine verschiedenen Bauphasen natürlich nicht rein als gotisch bezeichnen kann.
Frankreich hielt zu lange an der Frühgotik fest, so daß am Ende des 14. Jahrhunderts die begehrtesten Baumeister aus Deutschland kamen.
Die Weiterentwicklung der Baukünste wurde durch eine Änderung des Bewußtseins der Menschen in der damaligen Zeit hervorgerufen.
Der Übergang Romanik ' Gotik war nur möglich, weil sich auch im täglichen Leben der Menschen einiges änderte. In Frankreich, dem Ursprungsland der Gotik, lebten keltische, römische und germanische Völker, die für das Mittelalter wichtig waren. Die Religion spielte im täglichen Leben eine sehr wichtige Rolle. Durch Kreuzzüge ( Eroberung Jerusalems), stieg die religiöse Begeisterung der Menschen, die durch geschicktes Lenken der Kirchenleute zum Bau größerer und komplizierterer Kirchen führte. Diese religiöse Begeisterung hielt bis zum 14. Jahrhundert an. Dann änderte sich das Denken und Handeln der Menschen. Sie fühlten sich immer mehr wie Individuen und ließen sich nicht mehr so stark durch die Kirche beeinflussen, ansonsten wäre eine Loslösung des kreuzförmigen Grundrisses nicht möglich gewesen.
Dieser Übergang vom mittelalterlichen Denken und Handeln zu neuzeitlichen Vorstellungen führte schließlich zur Renaissance.
Die Bewußtseinsänderung kann man nicht nur in der Baukunst, sondern auch in der Kunst bei der Darstellung von Körpern, feststellen.
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