Das epische Theater Das epische Theater als Gegenstück zum klassischen (aristotelischen) Theater Merkmale des epischen Theaters: Das epische Theater wurde um 1925 von Bertholt Brecht, dem bekanntesten Vertreter des epischen Theaters, entwickelt. Es soll ein offenes Theater bieten, in dem der Zuschauer sich als Teil des Stückes verstehen kann. Dafür hat Brecht die klassischen Grundsätze im Theater aufgehoben: - Die Welt des Stückes ist erzählend (episch), nicht die Figuren des Stückes bestimmen die Welt, sondern die Welt prägt die Figuren - Der Zuschauer ist nicht mehr in einer passiven Rolle, sondern beurteilt das Geschehen auf der Bühne selbst mit - Die Trennung zwischen Komödie und Tragödie herrscht nicht mehr, sondern werden vermischt - Es herrscht keine erzwungene Anzahl von Szenen, noch sind die Szenen fest miteinander verbunden, die Geschichte kann in Kurven verlaufen - Einheit von Zeit, Raum und Handlung wird aufgehoben - Der Zuschauer bildet sich den entgültigen Schluss selbst durch seine Ratio, das Stück hat keinen abschließenden Schluss Des weiteren wollte Brecht durch andere Mittel dafür sorgen, dass der Zuschauer nicht in die Passivität verfällt. So sind die Stücke des epischen Theater durch den sogenannten "V-Effekt" geprägt. Es handelt sich dabei um den Versuch, so zu spielen, dass der Zuschauer gehindert wird, sich in die Figuren des Stücks lediglich einzufühlen. Annahme oder Ablehnung ihrer Äußerungen oder Handlungen sollten im Bereich des Bewusstseins, anstatt wie bisher im Bereich des Unterbewusstseins des Zuschauers erfolgen.
Um diesen Zustand zu erreichen, wurde folgendes angewandt: - Die Schauspieler sollten alles vergessen, was sie über ihren Beruf gelernt haben. Der Schauspieler sollte die Rolle spielen, sich aber nicht mit der Rolle identifizieren oder gar in sie hineinleben. - Das Bühnenbild sollte so schlicht wie möglich gehalten werden. Alles was nicht Teil des Stückes sei, sollte nicht auf der Bühne sein. Alles was sich dort befand, wie Kulissen und Beleuchtung, sollte sichtbar sein, damit keine Illusion versucht wird, sondern der Zuschauer sich immer der Fiktion des Stückes bewusst sei. Die Bühne sollte erst am Tag der Proben fertig gebaut werden und experimentierend sein - Das Stück sollte klar historisch einzuordnen sein, damit nicht eine zeitlose Situation gezeigt wird, sondern klare historische Gegebenheiten kritisch begutachtet werden können - Mit der Handlung an sich nichts zu tun habende Elemente, wie Chöre, Tafeln, Monologe und Kommentare, sollen die Handlung unterbrechen und eine monotone Handlung vermeiden Der ideale Zuschauer eines epischen Stückes: - Er soll Interesse haben, Lebensfragen selbst zu erörtern - Sollte in der Lage sein, kritisch, aber dennoch produktiv zu sein - Muss in der Lage sein, eigene Schlüsse zu ziehen - Sollte Erkenntnisse aus dem reellen Leben mit einbringen - Sollte Einsichten über die Wirklichkeit gewinnen können Werke des epischen Theaters: - Bertholt Brecht: "Dreigroschenoper", "Der gute Mensch von Sezuan", "Mutter Courage und ihre Kinder" ---------- "Der gute Mensch von Sezuan" als Beispiel des epischen Dramas: Inhalt: Drei Götter kommen in das Städtchen Sezuan, um zu prüfen, ob man die göttlichen Gebote einhalten könne und dennoch ein gutes Leben führen könne.
Doch schon die Suche nach einem Nachtquartier wird schwierig. Einzig Shen Te, eine Prostituierte, nimmt die drei in ihrem bescheidenen Haus auf, auch wenn sie dafür einem Freier absagen muss. Als Dank geben die Götter Shen Te zum Abschied 1000 Silberdollar, denn mit Geld sollte es einfacher sein, ein gutes Leben zu führen. Doch beim Kauf eines Tabakladens wird sie betrogen und auch da sie so gutmütig ist, nimmt sie vielen Menschen bei sich auf und hilft ihnen finanziell, wobei sie ausgenutzt wird. Um nicht alles zu verlieren, beschließt sie, sich in ihren erfundenen Vetter Shui Ta zu verwandeln. Hinter der Maske Shui Tas führt sie den Laden mit eiserner Hand und kann sich vorerst vor dem Ruin retten.
Als jedoch die Miete fällig wird, fehlt ihr das Geld. Außerdem hat sie den mittellosen und arbeitslosen Flieger Yang Sun kennen gelernt, den sie unbedingt helfen möchte, da er sich umbringen will, falls er keinen Posten mehr bekommt. Für 500 Silberdollar könnte er einen bekommen aber. Daher gibt Shen Ta ihm auch die 200 Silberdollar die ihr ein Teppichhändler für die Miete geliehen hatte. Er verspricht ihr, mit ihr nach Peking zu reisen und sie zu heiraten, wenn sie das Geld zusammenhätten. Daher tritt sie wieder als Shui Ta auf, um durch den Verkauf des Ladens das fehlende Geld zu beschaffen.
Das Yang Sun gegenüber Shui Ta zugibt, dass er sich mit dem Geld aus dem Staub machen wolle, tut sie erst mal als Prahlerei ab, da sie von ihm schwanger ist. Als sie dann die Hochzeit vorbereitet, erkennt sie seinen schlechten Charakter und lässt die Hochzeit platzen. Das Geld bekommt sie von Yang Sun aber nicht wieder. Daher tritt sie wieder als Shui Ta auf, der den Tabakladen verkauft und durch das Geld des reichen Barbiers Shun Fu, der sich in Shen Te verliebt hat, eröffnet sie/er eine Tabakfabrik. Dort stellt sie Yang Sun an, damit er seine Schulden abarbeiten könne. So bekommt der Teppichhändler seine 200 Silberdollar zurück, welcher aber durch die späte Rückzahlung seine Existenz verloren hatte.
Da Shen Te nicht mehr auftritt, klagt Yang Sun Shui Ta an, Shen Te ermordet zu haben. Vor Gericht, dessen Vorsitz sich die drei Götter erschlichen haben, da sie gehört haben, dass die gutmütige Shen Te verschwunden sei, lüftet sie ihre Maske vor den Richtern und erklärt, dass es nicht möglich sei, die Gebote einzuhalten in dieser Welt. Die Götter urteilen nicht darüber, sondern sagen nur "Es ist alles in Ordnung". Sprache: Das Stück ist in dramatische, epische und lyrische Passagen geteilt. In Passagen, in denen die Handlung vorangetrieben wird, prägen das Stück dramatische Dialoge. Wenn jedoch das Publikum angesprochen wird, wechselt die Sprache in epische Dimensionen.
Als Variante dazu setzt Brecht lyrische Passagen ein, in welche die Prosa-Teile übergehen. Außerdem bewegen sich alle Figuren, auch die beiden Ichs Shen Tes, auf verschiedenen Sprachebenen, die deren Charakter wiederspiegeln. Fazit: "Der gute Mensch von Sezuan" kann man zu Recht als Beispiel des epischen Theaters gut hernehmen. Das Stück hat alle Merkmale aufzuweisen, die diese Theaterform ausmacht, lockere Szenenfolge, verflossene Grenzen, aufgehobene Trennung der Einheit von Ort, Zeit und Handlung sowie starke Unterschiede in der Sprache. Außerdem lässt der Schluss die Entscheidung beim Zuschauer, da die Götter sich kein Urteil über das von Shen Te erlebte Problem bilden, sondern es als Fakt bestehen lassen. Brecht möchte, so denken einige Forscher, mit diesem Stück die Übel des Kapitalismus aufzeigen, der zu Shen Tes Problemen führt.
Was Brecht wirklich beabsichtigte, bleibt dennoch für den Zuschauer zu entscheiden. |