Wie schon bei der Bearbeitung der biographischen Bezügen erwähnt, paßt "Narziß und Goldmund" von der Thematik her in die Reihe der bedeutenden Hessewerke. Nimmt man als Beispiel den "Steppenwolf" von Hesse, so kann man Verbindungen zwischen beiden Werken ziehen. In beiden Romanen werden zwei Kräfte beschrieben, die im Gegensatz zueinander stehen, unabhängig davon, ob sie mit Charaktere personifiziert sind, oder innerhalb eines einzigen Charakters toben. Ebenfalls auffällig ist, daß die Kunst in beiden Romanen zwischen den Kräften zu vermitteln sucht.
Die Meinungen über das Werk an sich, gehen weit auseinander. Robert Curtius bezeichnet Hesses "Narziß und Goldmund" als Hesses schönstes Werk. Thomas Mann schließt sich Curtius Meinung an und beschreibt das Werk als "(in seiner) Reinheit und Interessantheit (...) einzigartige Romandichtung." Als nicht so gelungen empfindet es der oft zitierte Hessekritiker Karlheinz Deschner, der Narziß und Goldmund" härter bewertet. Deschner bezieht seine Kritik in erster Linie auf die Liebesbegegnugen Goldmunds, diese seien: " blaß, poliert, süßlich (und) (...) von einer peinlichen Abgeschmacktheit." Gerechterweise muß man jedoch erwähnen, dass sich Deschner ausschließlich auf die schlimmsten Stellen des Werkes bezieht und diese so zusammenstellt, daß sie zu seiner Argumentation passen. Die Verkaufszahlen und seine Resonanz in Orten überall auf der Welt spricht jedoch dafür, daß Hesse scheinbar durch sein Paket, Thema, Stilistik, Problematik eine richtige Mischung gefunden haben muß, den breiten Band der Leser anzusprechen. Bis zur heutigen Zeit ist Hesse noch ein viel gelesener Autor, der vor allem bei Jugendlichen eine große Resonanz findet.
Leseempfehlung
Möglicherweise habe ich nicht den nötigen Horizont, sprich Verständnis um ein Stück Weltliteratur derart zu werten, aber ich bin ein wenig enttäuscht von Hesses Werk "Narziß und Goldmund". Die Tatsache, daß ich mir mehr versprochen habe, liegt nicht unbedingt an der Stilistik des Werkes und schon gar nicht am Thema, sondern eher an den darin auftretenden Charakteren. Daß Narziß immer wieder die Toleranz der Andersartigkeit betont, finde ich vollkommen überzeugend und vernünftig. Unverständlich ist mir hingegen die Auffassung von Liebe und Freundschaft, die in diesem Werk vermittelt wird. Nicht nur, daß ich den Eindruck habe, daß es sich bei Narziß und Goldmunds Freundschaft um eine Art "Zweckehe" handelt, die nur auf Nützlichkeit ausgelegt ist. "Es ist nicht unser Ziel (...). (...)Ziel der Freundschaft ist(...) " Ich habe eine herzlichere Definition von Freundschaft in diesem Roman erwartet. Die wahren Gefühle zueinander bleiben den Charakteren auf eine gewisse Art verschlossen. Viel eklatanter finde ich jedoch die Auffassung von Liebe in diesem Werk. Ich möchte an dieser Stele nicht als Moralapostel wirken, aber das ein Goldmund mit einem, so auffällig eindimensionalem Denken durchs Leben geht ist absolut übertrieben. Berthold Brechts "Galilei" war ebenfalls ein Genußmensch, aber nicht in einem so zukunftsverachtendem Sinn. Ich finde es wirklich nicht begrüßenswert, daß Goldmund auf seine Grundtriebe reduziert wird. Ich akzeptiere zwar Affären, aber doch bitte in Maßen und nicht als Lebensinhalt. Besonders der provokativ hervorgehobene Schlußdialog von Narziß und Goldmund, ist eine höchst umstrittene Passage. Goldmund, der ja nicht unbedingt für das Soziale im Menschen steht, bekommt einen zu starken Schluß, und entwertet somit das Lebensprinzip seiner Mitmenschen und das seines Freundes. Grade der Schluß besagt doch : "...ohne Mutter (Mutterbild) kannst zu nicht lieben." Goldmunds Definition von Liebe ist jedoch höchst oberflächlich, oder wie soll man sich sonst erklären, daß er mit jeder Frau schläft, richtige Liebe oder Erfüllung jedoch nur bei seinen eigenen "toten Gegenständen", sprich seiner Schnitzereien empfindet. Aber genau so kritisiere ich die Einfachheit des Frauenbildes, ,jede Frau möchte zwar eine Affäre mit Goldmund, der wegen seiner Naivität "biegsam, wie ein Kind (ist), aber keine wollte bei ihm bleiben. Ich finde dieses Bild der Frau ist sehr negativ und schon gar in unserer Zeit einfach nicht mehr zeitgemäß. Zurück zum Hauptcharakter: Daß Goldmund jede soziale Rolle korrekt ausfüllen soll behaupte ich ja gar nicht, darf er als antithetische Figur zu Narziß auch nicht. Aber ich finde die Interaktion zwischen ihm und seiner Umwelt in der Gesamtheit stimmt nicht. Goldmund verläßt sich grundsätzlich auf die Geschicke seiner Umwelt, ohne für die Dienste auch nur eine Spur von Dankbarkeit zu zeigen. Es ist in Ordnung, daß er unabhängig sein möchte, aber jeden vor den Kopf zu stoßen, der zu einem eine (nicht sexuelle) Beziehung aufbauen möchte ist sehr traurig und für mich unverständlich. Individualität wird in diesem Werk mit Eigennutz gleichgesetzt, so kommt es mir zumindest vor. Echte Gefühle werden nur in dem, sehr starken Anfangsteil des Werkes dargestellt, danach ist Goldmund eher gefühlskalt und durchzogen von plumper Desinteresse seiner Umwelt gegenüber, mag sein, daß gerade durch diese Resignation den Mitmenschen gegenüber , das Werk so schwermütig und im Endeffekt traurig wirkt. Ich bin jedoch nicht in der Lage, Goldmunds sehr beachtenswerten Lebenswandel nachzuvollziehen. Deshalb ist es hoffentlich verständlich, daß ich dem Werke nicht sehr positiv gegenüberstehe. Dennoch stelle ich staunend fest, daß der Sinn des Werkes vollends zur Wirkung kommt, da man sich durch das Lesen dies Werkes automatisch intensiver mit seinem Leben beschäftigt. Man denkt über Dinge nach, denen man sonst nur unbewußt gegenübersteht. Das Werk an sich ist daher empfehlenswert, allein um herauszufinden in welche Richtung man eher tendieren würde.
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