Claire Zachanassian spielt in Dürrenmatts \"Besuch der alten Dame\" die Rolle einer alten, aufgedonnerten und bösen Dame. Sie ist die Hauptfigur und Gegenspielerin von Alfred Ill. Durch diverse Unfälle hat Claire Arm und Bein verloren und trägt statt dessen Prothesen. Claire glaubt, sich mit ihrem vielen Geld alles kaufen zu können.
Ihr Leben ist von vielen Schicksalsschlägen gezeichnet. Sie bekam von ihrem früheren Liebhaber Ill ein Kind, doch er ließ sie einfach sitzen. Claire klagte gegen Herrn Ill, verlor aber, da Ill die Zeugen mit einem Liter Schnaps bestochen hatte. Von nun an ging es für Claire immer bergab, sie wurde zu einer Hure und dadurch von der Gesellschaft ausgeschlossen. Schließlich starb auch noch ihr Kind, was den Schmerz den Ill ihr zugefügt hatte noch unerträglicher machte und den Haß auf ihn noch verstärkte.
Claire verließ Güllen und hatte viele Ehemänner, mit denen sie es aber nie lange aushielt. Auf diese Weise hat sie nach einigen Jahren mehrere Milliarden \"zusammen gespart\".
Als Claire jetzt, nach nunmehr 45 Jahren, in ihre Heimatstadt zurückkehrt, ist ihr Haß auf Ill noch genau so groß wie früher. Die vielen Schicksalsschläge, die sie ertragen mußte, haben sie gegenüber anderen Menschen kalt und herzlos werden lassen. Sie hat kein gutes Verhältnis zu ihren Mitmenschen, sie tut zwar immer so, als wolle sie nur das Beste für sie, ist aber im Hinterkopf nur an ihrem eigenen Wohlergehen interessiert. Sie verachtet andere Menschen, das wird zum Beispiel in der Szene deutlich, in der sie ganz ungeschminkt den Tod Alfred Ills fordert. Mit ihrem großzügigen Angebot, der Stadt eine Milliarde zu schenken drängt sie Ill immer mehr ins Abseits. Zunächst wird ihr Angebot abgelehnt, doch zuletzt setzt sie ihren Kopf durch. Jeder Mensch ist käuflich, es kommt nur auf die Summe an. Dieser Satz ist meiner Ansicht nach die Quintessenz des Stückes. Ferner ist sie noch der Auffassung, Gerechtigkeit sei nur etwas für Reiche, und somit hätten die \"gemeinen\" Bürgern den Reichen gegenüber auch keine Rechte.
Ich denke, daß Claires Verhalten gegenüber Ill nicht fair, aber in unserer heutigen Zeit durchaus denkbar ist. Aber ich kann den Haß auf Ill nachvollziehen, weil er ihr Leben wirklich ruiniert hat. Claire wäre bestimmt nicht so herzlos und hart geworden, wenn all diese Schicksalsschläge nicht passiert wären. Also denke ich, daß man Claires Charakter mit Toleranz begegnen sollte und auch auf ihr früheres Leben achten sollte. Claire hätte sich wahrscheinlich anders entwickelt, wenn die Gesellschaft andere Wertvorstellungen gehabt hätte. Denn in der Gesellschaft ist heute Geld und Macht mehr wert als die Mitmenschen. Claire ist also praktisch ein Opfer der Gesellschaft. Dürrenmatt will mit Claires Charakter unsere heutige Gesellschaft widerspiegeln.
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