G.A.Bürger: Der Bauer An seinen durchlauchtigen Tyrannen
Das Gedicht \"Der Bauer An seinen durchlauchtigen Tyrannen\" von Gottfried August Bürger ist im Jahre 1733 entstanden und deshalb in die Epoche des Sturm und Drang einzuordnen. Es handelt von der Anklage eines Bauern an seinen absolutistischen Herrscher, einen Fürsten. Es ist die Zeit des Absolutismus, als die Bevölkerung in drei wesentliche Stände unterteilt wurde: Adel, Klerus und dritter Stand, welcher sich aus Bürgern, Bauern und Arbeitern zusammensetzte. Im Folgenden werde ich auf Inhalt, Form und Sprache des Gedichts eingehen. Anschließend folgt die Einordnung in die Epoche und der Versuch einer Deutung.
Mit dem Titel \"Der Bauer\" wird ein Mann angesprochen, der den ganzen dritten Stand vertritt. Schon in \"An seinen durchlauchtigen Tyrannen\" steckt Ironie. Der Fürst soll sich nicht für etwas Besseres halten. Es steckt ein Widerspruch darin, denn ein \"Durchlaucht\" ist normalerweise gerecht und fürstlich, aber ein Tyrann ist genau das Gegenteil: skrupellos und machtsüchtig. Der Bauer selbst ist das lyrische Ich in diesem Gedicht. Er lehnt sich gegen die Unterdrückung, die ihm wiederfährt auf, und klagt den Fürsten an. Hier fällt besonders auf, dass er den Fürsten mit \"du\" anspricht, eine für diese Zeit unübliche und auch sehr gefährliche Anrede. Damit zeigt das lyrische Ich seine Respektlosigkeit gegenüber seinem Herrcher. Inhaltlich ist das Gedicht wie folgt aufgebaut:
In der ersten Strophe klagt der Bauer den Fürsten an, ihn zu quälen und fast zu töten (\"Zerrollen mich dein Wagenrad\", V.2).
In der zweiten Strophe beklagt er sich, dass ihn sogar der Hund des Fürsten peinigen daft. Hier zeigt sich, dass der Bauer weniger gilt als ein Tier.
In der dritten Strophe wird beschrieben, dass der Bauer während der Jagd für den Fürsten das Wild treiben muss. Er identifiziert sich hier mit dem Wild und fühlt sich gejagt wie dieses.
Im der darauf folgenden Strophe gerät der Bauer noch mehr in Rage, weil der Fürst mit seiner Jagd die Ernte zerstört, die die Lebensgrundlage des armen Arbeiters ist.
Dass der Fürst faul ist und nicht arbeitet, um seinen Unterhalt zu verdienen, sagt er in der fünften Strophe. Aber der Bauer beharrt auf seinen Besitz (\"Mein, Mein Fleiß und Brot\", V.15), für den er so hart gearbeitet hat.
In der letzten Strophe erreicht er den Höhepunkt seiner Wut und Missachtung. Er glaubt nicht, dass der Fürst von Gott eingesetzt ist und ihn auf Erden vertritt, denn \"Gott spendet Segen\" (V.17) aber der Tyrann raubt.
Anschließend möchte ich auf die Form des Gedichts hinweisen.
August Bürgers Rollengedicht ist in sechs Strophen mit jeweils drei Versen gegliedert. An der Länge der Verse ist kaum eine erkennbare Form zu sehen; osndern sie sind unterschiedlich lang. Man könnte meinen, der Bauer legt keinen großen Wert auf die äußere Form, sondern sieht den Inhalt für wichtiger. hinzu kommt, dass das Gedicht keinen einzigen Reim aufweist. Daraus kann man einerseits erschließen, dass der Bauer durch sein schnelles und aufgeregtes Sprechen keine Zeit für große Ausschmückungen hat. andererseits könnte man auch denken, dass er durch seine geringe Bildung nicht die Fähigkeit des Reimedichtens beherrscht.
Das Gedicht weis kein durchgehend einheitliches Metrum auf. Die erste und zweite Zeile jedes Verses bestehen aus einem 4-hebigen, die dritte Zeile aus einem 3-hebigen Jambus. Da das Metrum nicht durchgehend einheitlich ist, und auch die Verslänge variiert, wird deutlich, dass sich der Bauer gegen die Regeln stellt. Die Sturm und Dränger widersetzen sich bewusst Regeln, Gesetzen und Konventionen. Sie wollen damit ihre Entscheidungsfreiheit ausdrücken.
Jetzt möchte ich zur sprachlichen Gestaltung des Gedichts kommen.
Der Satzbau ist überwiegend hypotaktisch. Die ersten vier Strophen bestehen aus immer nur einem Satz und vielen kleinen Nebensätzen. Ich würde es so interpretieren, dass sich der Bauer in Rage redet und die Vorwürfe dem Fürsten praktisch an den Kopf wirft.
In der Wortwahl sind sehr aussagekräftige Begriffe auffallend. Durch Verben wie \"zerrollen\" und \"zerschlagen\" (V.2/3) hebt der Dichter die Brutalität und Rücksichtslosigkeit des Fürsten hervor. An Wörtern wie \"ohne Scheu\" sieht man die Skrupellosigkeit und Gefühlskälte des Tyrannen, wenn er seine Untertanen schlecht behandelt. Auch \"Roß\" und \"Hund\" werden oft angesprochen; sie sind Freund und Helfer des Fürsten, die für ihn die Arbeit erledigen. Der Bauer aber hat keine Freunde, die ihm helfen, sondern nur sein \"Fleisch\", seinen Körper. Mit \"Saat und Forst\", \"Brot\" und \"Ernte\" beschreibt er was er zum überleben braucht.
Es gibt auch einige auffällige Stilmittel zu finden.
Die Wiederholung von \"Fürst\" bewirkt, dass er immer wieder angeklagt und für seine Untaten beschuldigt wird. \"Mein,mein\" (V.15) ist eine Anapher und soll den Anpruch, den der Bauer auf seinen hart erarbeiteten Ertrag hat, verstärken. Mit der Antithese in Vers 17 \"Gott spendet...du raubst\" wird nochmal bekräftigt, dass der Tyrann nicht Gott vertreten kann, da er nicht gibt sondern nur nimmt. Die Ellipse im letzten Vers soll noch ein letztes Mal hervorheben, dass der Fürst nicht von Gott geschickt wurde. Hier werden alle Anklagen auf einen Punkt gebracht. Die Enjambements der jeweils ersten und zweiten Zeile im Versblock zeigen, dass der Bauer wütend ist und deshalb schnell und hastig spricht.
Nach genauerer Analyse möchte ich das Rollengedicht schließlich in eine Epoche einordnen, in die Epoche des Sturm und Drang.
Die Zeit des Sturm und Drang, die sich etwa zwischen 1765-1785 bewegt, als Weiterführung der Aufklärung, war typisch für ihre Kritik an der Fürstenwillkür, den Standesschranken und der Untertanenmentalität. Die Naturvorstellung wird noch weiter vertieft durch die Allgegenwärtigkeit Gottes in der Natur. Leitbegriffe dieser Zeit sind Gefühl, Freitheit, Natur und Genie. Der Bauer versucht sich aus seinen Schubladen zu begreien, strebt nach seiner Individualität und kämpft gegen die Unterdrückung durch Autoritäten. Bürgers Gedicht ist 1773 entstanden und deshalb in die Zeit des Sturm und Drang einzuordnen. Er beschäftigt sich kritisch mit der Zeit der Ständegesellschaft und dem Protest des unterdrückten Bauernvolkes. Um 1750 wurde offene Kritik am ausschweifenden Leben der verantwortungslosen und verschwenderischen Fürsten immer lauter.
Das Gedicht nimmt Stellung zum Verhältnis zwischen dem Adel und dem dritten Stand. Zu dieser Zeit gab es schwere landwirtschaftliche Krisen und Hungersnöte und durch die ständischen Unterschiede wurde das Zusammengehörigkeitsgefühl gespalten.
Zum Schluss möchte ich versuchen Bürgers Gedicht zu deuten.
Am Anfang stellt er sofort die Autorität des Fürsten in Frage, indem er sagt \"wer bist du, Fürst\" und tut dies auch im Verlauf des Gedichtes immer wieder. Sehr häufig werden die Pronomen \"dein\" und \"mein\" verwendet. Ich denke, dass damit eine ganz klare Abgrenzung zwischen Adel und Bauern geschaffen erden soll. In Vers 12 \"Das Brot, du Fürst, ist mein\", ist mit Brot das Leben gemeint. Um zuüberleben hat er hart gearbeitet, während sich der Fürst mit Spielen, wie der Jagd seine Zeit vertreibt. Mit dem Ausruf \"Ha!\" (V.16) macht der Bauer seine tiefe Abneigung ihm gegenüber deutlich. Er bringt ihm damit keinen Respekt entgegen sondern verspottet und verhöhnt ihn. Er macht ihn lächerlich, weil der Fürst glaubt, er sei Obrigkeit von Gott. Aber der Bauer gibt ihm in den letzten beiden Verszeilen ganz deutlich zu verstehen, dass er alles andrer als von Got eingesetzt ist. In der ersten Verszeile frägt er den Fürsten noch wer er ist und im letzten Vers bringt er die Sache auf den Nenner und stemplet ihn als einen Tyrannen ab. Die Wut des Bauern steigert sich im Verlauf des Gedichts immer mehr und kommt dann am Ende zum Explodieren, denn er will die Unterdrückung durch den Adel nicht länger über sich ergehen lassen und spricht hier auch für den Rest seines Standes.
Meines Erachtens könnte das Gedicht auch auf die heutige Zeit übertragen werden. Denn auch jetzt herrscht Unterdrückung auf der Welt. Beispielsweise in den Ländern der Dritten Welt werden die Menschen immer noch ausgebeutet und ihren rechten entledigt. Es gibt viele Organisationen, die versuchen gegen diese Ungerechtigkeit zu kämpfen, aber genauso wie für den Bauern im Gedicht wird es schwer werden.
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