Brecht, Bertholt: An meine Landsleute.- In: Die Gedichte von Bertholt Brecht in einem Band.- Frankfurt am Main, Suhrkamp Verlag, 1981.
Definition:
Lyrik (griechisch) ist seit dem 18. Jahrhundert neben Epik und Dramatik eine der drei literarischen Grundgattungen.
Im alten China war Lyrik, oft von lehrhaftem Charakter, die höchstgeachtete Form der Dichtung und überwog Volksliedartiges.
In Europa erwuchs die Lyrik literarisch erstmals fassbar bei den Griechen, wie auch in anderen Kulturkreisen, ebenso aus dem Alltagsleben wie aus mythisch-religiösen Vorstellungen. Aufgrund ihrer Nähe zum einfachen Lied ist Lyrik die Ursprungsform der Dichtung schlechthin. Sie entwickelte im Lauf ihrer Geschichte einen kaum greifbaren Formenreichtum. Die Lyrik umfasst mehrere Gattungsformen, unter anderem das Lied (Volkslied, geistliches und weltliches Lied, Ständelied), die Ode, die Elegie, die Hymne sowie die Spruchdichtung und Lehrdichtung. Diese Gattungsformen verbinden in unterschiedliche Weise das Lyrische mit epischen und dramatischen Elementen. Als konstante Elemente der Lyrik können im Wesentlichen Rhythmus, Vers und Metrum genannt werden, nur teilweise Reim und Strophe.
Der Autor:
Brecht, Bertolt ist am 10. 2. 1898 in Augsburg geboren und in Berlin am 14. 8. 1956 verstorben. Er war deutscher Schriftsteller und Regisseur. Ab 1924 lebte er in Berlin, emigrierte 1933 nach Dänemark und 1941 in die USA und kehrte 1949 nach Ostberlin zurück. >Die Dreigroschenoper< und seine an F. Villon und den Bänkelgesang anknüpfende Lyrik (>Hauspostille<) bescherten ihm große Erfolge. Bestimmend für sein Leben und Schaffen wurde ab 1926 die Hin-wendung zum Marxismus, unter dessen Einfluss die strengen >Lehrstücke<, z. B. >Die Maßnahme< entstanden sind. Die Hauptwerke entstanden im Exil, z. B. >Der kaukasische Kreidekreis<. Brecht verfasste auch Lyrik, Romane, Kurz-geschichten, lehrhafte Prosa und ein Ballett.
Formale Interpretation:
Der vorliegende Text von Brecht ist ein in Versen geschriebenes Gedicht, bei dem die Großschreibung sowie die Interpunktion beachtet wird. Der Text ist strophisch gegliedert und in Endreimen geschrieben. Das Reimschema der 1. Strophe lautet abbab, das der 2. Strophe abbaa, das der 3.Strophe ababa und das der 4. Strophe ebenfalls ababa.
Brecht richtet sich in diesem Gedicht an seine Landsleute und fleht sie in der 1. Strophe fast an, keinen Krieg mehr zu beginnen. Er wendet sich an die Über-lebenden, die nun in den verwüsteten und zerstörten Städten ihr Dasein fristen müssen und fragt sie, ob die bisherigen Katastrophen noch nicht ausreichen würden, um endlich, im wahrsten Sinne des Wortes, Frieden zu geben.
In der 2. Strophe bittet er die Soldaten, doch zu Hause zu bleiben und nicht in den Krieg zu ziehen, da es doch gemütlicher wäre, sich zu Hause mit der Kelle einen Teller mit warmer Suppe zu füllen, als draussen auf den Kriegsschau-plätzen den Feind mit dem Messer zu attackieren.
Die 3. Strophe birgt einen Appell an die Kinder, die ihre eigenen Eltern darum bitten müssen, dass sie sie mit Krieg verschonen, um nicht im selben Elend wie die Eltern in Ruinen leben zu müssen.
In der 4. und letzten Strophe appelliert er an die Mütter, den Krieg, in dem sich die Kinder umbringen, nicht zu dulden und ihnen zu verbieten, überhaupt dorthin zu ziehen, sodass sie dann ihren Müttern nicht durch den Tod Kummer, sondern durch die Geburt Freude bereiten.
Da der Dichter den Text mit seinem eher altertümlichen Vokabular und der quasiliturgischen Struktur fast wie ein Gebet gestaltet hat, ist der Sinn nicht unbedingt eindeutig und ohne Ironie zu verstehen.
Persönliche Stellungnahme:
Dieses Gedicht ist ein eindringlicher Aufruf zum Frieden, der sich an alle Betroffenen des Krieges wendet. Da Brecht es nicht selbst herausgebracht hat, ist es erst 1964 veröffentlicht worden, wodurch es den Bezug auf den Zweiten Weltkrieg vielleicht schon verloren und an Aktualität eingebüßt hat.
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