Anna Elisabeth Freiin Droste zu Hülshoff wurde am 12. Januar 1797 auf Schloß Hülshoff, einer alten Wasserburg bei Münster, geboren, wo sie zusammen mit ihren Geschwistern Maria Anna, Werner Constantin und Ferdinand, von denen sie die Zweitgeborene war - ihre Kindheit und Jugend verbrachte. Später wurde sie Annette (Nette) gerufen.
Ihre Eltern waren sehr unterschiedlicher Natur, der Vater sanften Gemütes, musikalisch. Er beschäftigte sich gerne mit Vogel- und Blumenzucht und war voller Empfänglichkeit für das Reich der Phantasie und der Träume. Ihre Mutter hingegen war dominierend, energisch, "eine kluge, rasche und tüchtige Hausregentin", wie es in ihrem Werk \'Bei uns zu Lande auf dem Lande\' heißt, in dem Annette ihre Familie, sich selbst und ihre heimatliche Umwelt nachzeichnet. Die Atmosphäre in ihrem Elternhaus war eher konservativ, aber den schönen Künsten wohltuend geöffnet. Annette, ein zartes, leicht erregbares Kind, dessen besondere Begabung sich bereits in der Kinderzeit in seinen Versen ausdrückte, nahm am Privatunterricht der Brüder teil, der Griechisch, Lateinisch und Mathematik einschloß. Sie erwarb auf diese Weise eine für Mädchen ihrer Zeit vielseitige Bildung, zu der auch die Kenntnis der klassischen und romantischen Literatur gehörte.
Als Sechzehnjährige lernte sie bei Verwandten in Bökendorf, einem Gut im Paderbornischen, Wilhelm Grimm kennen, der ihren Eifer beim Sammeln westfälischer Volkslieder und Märchen lobte. Ein Jahr später war sie mit ihrem ersten eigenen Werk beschäftigt, dem Trauerspiel \'Berta\', 1818 schrieb sie an einem Versepos, \'Walter\', 1819 begann sie einen Roman, \'Ledwina\'. Diese Jugendwerke, die alle unvollendet geblieben sind, entstanden in enger Anlehnung an Muster und Vorbilder, die sich in Anlage und Stil bis in die Formulierungen hinein nachweisen lassen: es sind die Hainbunddichter, Goethe und Schiller.
Ihre Doppelliebe zu zwei miteinander befreundeten Studenten, die sie um 1819/20 im Hause ihrer Bökendorfer Verwandten kennengelernt hatte, endete in einem völligen Bruch mit beiden. Die Zusammenhänge sind nicht eindeutig, Annette scheint durch ihre zwiespältige Haltung und durch, wie sie selbst schreibt, "doppelsinnige Antworten" beide, August von Arnswaldt, der nach ihren Worten eine "unbegreifliche Gewalt" über sie hatte, und Heinrich Straube, für den sie eine "wahre, tiefe Neigung" empfand, so gegen sich aufgebracht zu haben, daß sie sich gemeinsam von ihr lossagten.
Dieses Ereignis zerstörte unwiderruflich das Gefühl fragloser Zusammengehörigkeit mit Verwandten und Freunden. Von jetzt an hatte sie nur noch einen Gesprächspartner: sich selbst; der Weg der Einsamkeit begann. Das Bewußtsein der eigentümlichen Gespaltenheit ihres Wesens erschreckte sie auf eine Weise, daß alle dichterischen Arbeiten völlig ins Stocken gerieten.
Sie entwickelte ein konservatives Bewußtsein und wurde für eine Frau des 19. Jahrhunderts erstaunlich politisch interessiert. Sie stand zu ihrem katholischen Glauben - doch konfessionelle Schranken waren ihr fremd. Obwohl sie adligen Blutes war, pflegte sie ihren liebsten Umgang aber mit bürgerlichen Freunden und Freundinnen.
Aus den Jahren 1822 bis 1825 liegen keine Selbstzeugnisse vor. Im Jahre 1826 starb nach einer kurzen Krankheit Annettes Vater, und die Mutter zog mit ihren beiden Töchtern auf den Witwensitz Rüschhaus bei Münster um. Im November 1828 war zum ersten Mal wieder von einem "Gedicht unter der Feder" die Rede, es ist das Versepos \'Das Hospiz auf dem Großen Sankt Bernhard\'. Damit setzte langsam die Entstehung der Drosteschen Hauptwerke ein. Im nun folgenden Zeitraum von zwanzig Jahren schreibt sie drei Versepen, die Novelle \'Die Judenbuche\', ein Lustspiel, fragmentarische Prosastudien über Westfalen, Balladen und Gedichte.
Annette von Droste-Hülshoff erwarb im November 1843 das "Fürstenhäuschen" mit Rebgut oberhalb von Meersburg am Bodensee, welches sie infolge ihrer Krankheit nur selten bewohnen konnte, wo sie aber am 24. Mai 1848 im äußeren Gartenturm starb.
Als Annette von Droste-Hülshoff 1838 ihr erstes Buch publizierte, traf es auf Spott oder Gleichgültigkeit; nur vierundsiebzig Exemplare wurden verkauft. In einem Brief an ihre Schwester schrieb sie: "Mit meinem Buche ging es mir zuerst ganz schlecht. Ferdinand Galen gibt die erste Stimme, erklärt alles für reinen Plunder, für unverständlich, konfus und begreift nicht, wie eine scheinbar vernünftige Person solches Zeug habe schreiben können. Nun tun alle die Mäuler auf und begreifen alle miteinander nicht, wie ich mich habe so blamieren können."
Die Borniertheit war nicht nur auf ihre adelige Umgebung beschränkt: nur wenige, Freiligrath zum Beispiel oder Jakob Grimm, erkannten die Größe dieser Dichterin, die heute als die bedeutendste des 19. Jahrhunderts gilt.
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