Wir haben wahrscheinlich alle schon vor dem Fernseher gesessen und auf den Bildschirm gestarrt. Wir sahen Manschen, Tiere, Landschaften und Waren und hörten Nachrichten, Berichte und Werbesloagens. Meistens gingen wir davon aus, dass das, was wir sahen und hörten wirklich sei. Doch ist das, was wir sahen und hörten wirklich? Wenn ja, ist es die ganze Wirklichkeit? Was ist überhaupt wirklich?
Passend zu dieser Einführung in die Philosophie möchte ich ein Gleichnis anführen, welches von dem griechischen Philosophen Platon (427-347 v.Chr.) stammt. Es lässt uns fragwürdig erscheinen, ob das, was wir wahrnehmen, der Wirklichkeit entspricht.
Nach dem "Höhlengleichnis" wohnen wir Menschen in einer Höhle, in der wir immer an der gleichen Stelle stehen und in die gleiche Richtung blicken müssen, da wir von Kindheit an am Nacken und an den Beinen gefesselt sind. Zwischen einem Feuer, das hinter uns brennt, und uns verläuft ein Weg. Längs diesem befindet sich eine Mauer. Sie ähnelt den Schranken, welche sich Gaukler vor den Zuschauern erbauen, über die hinüber sie ihre Kunststücke zeigen. Dieser Mauer entlang tragen tatsächlich Gaukler allerlei Geräte, Bildsäulen sowie andere steinerne und hölzerne Bilder, die über die Mauer ragen. Einige reden dabei, andere schweigen. Wir Gefangene aber sehen von uns selbst, voneinander und von dem, was hinter uns ist, nichts anderes als die Schatten, die von dem Feuer auf die gegenüberliegende Wand der Höhle geworfen werden. Wir, die schon von Geburt an nichts anderes als diese Schatten sehen, halten diese Illusionen bzw. Abbilder für wirklich. Auch die Stimmen, die wir von den Vorübergehenden hören, schreiben wir den Schatten zu. Wir sehen also nicht nur nichts von der Sonne Erleuchtetes, sondern auch kein Licht, weder das des Feuers noch das der Sonne.
Das Gleichnis handelt offenbar von uns.
Platon verfremdet unsere menschliche Situation damit wir uns über sie wundern. Denn meistens leben wir nicht nur in einer falschen Vertrautheit mit der Welt, sondern auch mit uns. Wir staunen vielleicht über außergewöhnliche menschliche Situationen. Wir wundern uns aber nicht über unsere gewöhnliche menschliche Situation. Da wir uns an sie gewöhnt haben, fällt sie uns nicht mehr auf. Insofern kennen wir uns selbst gar nicht, wir sind uns nicht "die Nächsten, sondern die Fernsten". Die Verfremdung durch dieses Bild unserer menschlichen Lage bricht nun diese aus unserer langen Gewöhnung entstandene Vertrautheit und lässt uns uns dort wiederfinden, wo wir uns nie vermutet hätten, in einer Höhle. Diese Situation fällt uns auf.
Damit uns das Gewöhnliche unserer menschlichen Lage bewusst wird, müssen wir uns in ein für uns außergewöhnliches Umfeld versetzen. An unserer Lage in der Höhle lassen sich drei Dinge hervorheben:
Wir sind Gefangene von Bildern, die uns von Gauklern vorgeführt werden.
Mit den Gauklern sind vielleicht Dichter und Sophisten gemeint. Heute würde man von den Menschen sprechen, deren Ansichten für uns die Wirklichkeit sind.
Die Philosophie ist eine Art Befreiung aus dieser Gefangenschaft des Geistes oder dieser Gefangenschaft in Meinungen. Die Höhle ist jedoch auch ein Bild unseres Geistes, unserer Vorurteile, wobei die Philosophie die Befreiung daraus, eigentlich so etwas wie eine zweite Geburt, darstellt.
Gegen diese Befreiung wehrt sich jedoch etwas in uns. Es besteht ein Verlangen, in der Höhle unserer Vorurteile zu bleiben. Wir haben Angst vor dem Schmerz der zweiten Geburt. Die Philosophie reißt uns nämlich aus der Geborgenheit unserer gewöhnlichen Welt heraus und führt uns dorthin, wo wir uns nicht mehr zu Hause fühlen. Aus dem Blick des Befreiten ist die Höhle fremd. Doch nur die Befreiung erlaubt uns einen fremden Blick. Dann sehen wir Vertrautes wie zum ersten mal doch gleichzeitig sind wir aus unserer bisherigen Ordnung gerückt worden.
Das Licht, in dem die Dinge außerhalb der Höhle sichtbar sind, ist das der Sonne. Wofür aber die Sonne in Platons Gleichnis ein Bild ist, diese Wahrheit werden wir wohl kaum am Ende unserer Überlegungen erfassen können. Aber dass ein Lichtstrahl in das Dunkel unserer Höhle fällt und das Zwielicht, in dem wir leben, für eine kurze Zeit erhellt, kann vielleicht auch eine Einführung in die Philosophie erreichen.
Das erwarte ich selbst vielleicht auch von der Philosophie. Denn dieser faszinierende Weg vom Dunkel ins Licht ist fast in allen Zeiten und Kulturen als das entscheidende Symbol für die Philosophie angesehen worden.
Doch was bedeutet dieses Symbol? Welche Bedeutung steckt hinter dem Wort "Philosophie"?
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