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biologie artikel (Interpretation und charakterisierung)

Wie kurz in spanien zur zeit karls v. der weg von der theologie zum rassismus war, und was das mit der entwicklung der spanischen wirtschaft zu tun hat



Daß in Spanien ein Gutteil der Handwerker jüdisch war In Spanien hatten die Juden bedeutenden Anteil an der Entwicklung bürgerlich-städtischer Kultur. Anders als in Deutschland, wo die handwerkliche Produktion in den Händen christlicher Zünfte lag, die Andersgläubigen die Aufnahme verweigerten, war in Spanien ein Gutteil der Handwerker jüdisch. Aber die Repressionen, denen sich die spanischen Juden seit dem 14. Jahrhundert ausgesetzt sahen waren auch hier eng mit dem Wunsch des Mittelständlers verknüpft, sich jüdische Konkurrenz vom Hals zu schaffen:
Daß es seit dem 14. Jh. zu Zwangstaufen kam Das Konzil von Palencia ghettoisierte die Juden. Erzdiakon Ferrando Martínez von Écija hetzte seit 1378 in seinen Predigten unermüdlich gegen die Juden und rief die Bevölkerung zu ihrer Vertreibung und zur Zerstörung der Synagogen auf.
1391 stellte die fanatisierte Masse der Bevölkerung Sevillas die Juden vor die Wahl Tod oder Taufe. Die meisten nahmen das Kreuz, die anderen bezahlten ihre Unbeugsamkeit mit dem Leben. In kurzer Zeit griff der Aufruhr um sich.
Ein weiterer wortgewaltiger Prediger, der heilige Vinzenz von Ferrer, setzte das Statut von Valladolid durch (1412): Juden durften den Christen keine Nahrungsmittel verkaufen, den Titel don nicht führen, sich die Haare nicht kurz schneiden, sich den Bart nicht rasieren und nur grobe Kleidung tragen, die ein deutliches Unterscheidungszeichen aufweisen mußte.
Daß die nicht bekehrten Juden 1492 aus Spanien vertrieben wurden Die Bekehrten wurden conversos, nuevos cristianos oder (später) marranos - "Schweine" - genannt. Diejenigen Juden, die dem Glauben ihrer Väter treu geblieben waren, etwa die Hälfte der spanischen Judenheit, wurden 1492 von den reyes católicos Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien, die das Land durch ihre Heirat 1474 vereinigt hatten, aus Spanien vertrieben.
Die spanische Gesellschaft änderte sich durch die Zwangstaufen. Die Juden, denen das Kreuz aufgenötigt worden war, begnügten sich nicht mit dem stillen Glück, des rechten Glaubens dank der tätigen Hilfe der Altchristen doch noch teilhaftig geworden zu sein. Sie drängten aus den juderias in die christliche Gesellschaft. Die Taufe stand am Beginn so mancher erstaunlichen Karriere. Viele wurden Männer der Kirche. Das konnte aus altchristlicher Sicht unmöglich der Sinn der Zwangstaufen gewesen sein. Dazu kam der - nicht unbegründete - Verdacht, daß die Wirkung des Weihwassers zur wahrhaftigen Bekehrung der Juden nicht ausgereicht hätte. Da es am Weihwasser nicht liegen konnte, mußte es an den Juden liegen. Da das theologische Argument auf die conversos nicht mehr anwendbar war, nahm der Judenhaß offen rassistische Form an.
Wie die Inquisition die Neuchristen bespitzelte und so manchen von ihnen ums Leben brachte Im Spanien der reyes católicos erhielt die Heilige Inquisition mit der Bespitzelung der des insgeheimen Festhaltens am Judentum verdächtigen conversos durch eine entsprechende päpstliche Bulle ein neues Aufgabengebiet. 1483 wurde der Dominikaner und leidenschaftliche Judenhasser Thomas de Torquemada zum Großinquisitor für Aragon und Kastilien ernannt.
Die Enteignung der Verurteilten war wohl ein wesentlicheres Anliegen der Inquisitionsgerichtsbarkeit als ihre Tötung. Deshalb zerrte man noch die Toten aus den Gräbern vor die Richter, fällte den Schuldspruch, verbrannte die Gebeine und enteignete die Nachkommen. Der Papst (Sixtus IV.) stellte schon 1482 fest, daß die Praxis der Inquisition mehr von materiellen Interessen als von seelsorgerischem Eifer bestimmt würde und intervenierte bei den Katholischen Königen. Längst aber war die spanische Inquisition seiner Kontrolle entglitten.
Die Gesamtzahl der Hinrichtungen bis zur Abschaffung der Inquisition im Jahre 1834 wird von Juan Antonio Llorente mit 341.021 beziffert.
Llorente war während der Napoleonischen Kriege Sekretär der Inquisition. 1808 wechselte er auf die Seite der Franzosen über, die ihm die Verwaltung der Archive der Inquisition übertrugen. Ihm verdanken wir eine kritische Darstellung der Geschichte der spanischen Inquisition.
Nach der Auffassung des Historikers Ernst Schäfer wurden insgesamt "nur" etwa 100.000 Menschen verbrannt. "Der größte Teil - was auch immer ihr Verbrechen gewesen sein mag - waren die Nachkommen von schlecht oder gut getauften Juden" (wie Leon Poliakov formulierte, auf dessen Geschichte des Antisemitismus ich mich hier stütze).
Wie sich Zünfte und Orden den "Neuchristen" verschlossen Ab der Mitte des 15. Jahrhunderts beschlossen viele spanische Zünfte, keine "Neuchristen" - konvertierte Juden - in ihrer Mitte dulden zu wollen. Ritter- und Mönchsorden folgten. Nur die Jesuiten (Gründung durch Ignatius von Loyola 1540) nahmen eine Sonderstellung ein. 1536 erhielten Reglements, die die conversos diskriminierten, durch das Eingreifen Karls V. in eine lokale Auseinandersetzung zwischen Altchristen und conversos gleichsam Gesetzesrang.
Der Weltklerus hatte sich zunächst keineswegs durchgehend gegen die conversos gesperrt. In manchen Diözesen konnten sie auch höchste Kirchenämter bekleiden.
Wie der Erzbischof von Toledo einen theologisch begründeten "Arierparagraphen" durchsetzte Die unermüdliche Agitation des Erzbischofs von Toledo, Juan Martínez Siliceo, der die von ihm erarbeiteten Prinzipien der "limpieza de sangre" - der "Reinheit des Blutes" durchzusetzen trachtete, hatte schließlich Erfolg. Die "Abscheulichkeit" jüdischen Blutes war zu einem Gesetzesartikel geworden. Martínez ging von der prinzipiellen Verderbtheit der Juden aus, die er aus der Bibel nachzuweisen trachtete. So zum Beispiel sei Jesus deshalb ausgerechnet zu den Juden gekommen, weil er diese ihre Verderbtheit erkannt habe und Heilung gerade dorthin habe bringen wollen, wo sie am dringendsten nötig gewesen sei.
Wie die Ausplünderung der spanischen Kolonien eine künstliche Konjunktur erzeugte, die den Verlust bürgerlicher Freiheiten vergessen ließ Man begreift den Kult um die "limpieza de Sangre" leichter, wenn man ihn vor dem Hintergrund der vollständigen Niederlage der bürgerlichen Opposition Spaniens betrachtet, die sich, nachdem ihr die Söldner Karls V. das Rückgrat gebrochen hatten, die Ideologie und den Lebensstil des Adels zu eigen machte, was wohl durch kein Detail besser veranschaulicht wird, als durch das im Jahre 1523 an Karl gerichtete Ansuchen der cortes (Stände), allen Spaniern das Tragen des Degens zu erlauben.
Die Ausplünderung der amerikanischen Kolonien erzeugte eine künstliche Konjunktur, auch ohne bürgerliche Initiative und städtische Selbstverwaltung. Die Phrase von der Mission der spanischen Nation ersetzte die verlorengegangene Freiheit.
Wie bürgerliche Erwerbstätigkeit dem adeligen Lebensideal widersprach und einen dem Verdacht aussetzte, "Neuchrist" zu sein Das adelige Lebensideal ging mit der Verachtung der Arbeit einher und lähmte die persönliche Initiative. Die Tatsache, daß Handwerk und Handel Domänen der "Neuchristen" darstellten, verstärkte diese Tendenz einer Abkehr von bürgerlicher Erwerbstätigkeit.
Inzwischen kam die Produktivität der 1492 vertriebenen spanischen ("sefardischen") Juden dem Osmanischen Reich zugute, wo der größere Teil von ihnen Aufnahme gefunden hatte. Sultan Bajazet soll deshalb ausgerufen haben:
"Ihr nennt Ferdinand einen weisen König, der doch sein Land arm und unseres dagegen reich gemacht hat!"
Und der russische Gesandte beim Heiligen Stuhl sagte 1526 über die Juden:
"... es sind gemeine und bösartige Menschen. Haben sie nicht erst in jüngster Zeit den Türken beigebracht, Kanonen aus Bronze zu gießen?"
Der Standes- und Rassendünkel, den die adelige Lebensart mit sich brachte, war womöglich bei ihren Nachahmern niederer Herkunft deutlicher ausgeprägt als bei den Abkömmlingen der alten Adelsgeschlechter selbst. So stammte Juan Martínez Siliceo, der Theoretiker der "limpieza", selbst aus bäuerlichem Milieu. Die Prinzipien der "limpieza" zu ignorieren konnte sich nur ein Mann vom Format des Ignatius von Loyola (des Begründers des Jesuitenordens) leisten, der einen converso, Diego de Lainez, zu seinem Nachfolger machte, der öffentlich bekannte, daß er es als eine große Gunst betrachtet hätte, wenn er vom Blute Jesu Christi gewesen wäre. Der Jesuitenorden übernahm das Statut der "limpieza de sangre" erst drei Jahrzehnte nach dem Tod seines Stifters im Jahre 1592, wandte es dann aber umso konsequenter an.

 
 

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