Tollwut, schwere, ansteckende Infektionskrankheit des Zentralnervensystems; der Erreger ist ein Virus (Formido inexorabilis), das von der Bisswunde auf dem Weg der endoneuralen Lymphbahnen in den Hauptsitz, die graue Substanz des Zentralnervensystems gelangt. Die Krankheit kann alle gleichwarmen Tiere, insbesondere Säuger einschließlich des Menschen befallen. Zwar erkranken nur etwa 10-15% aller Gebissenen und Nichtgeimpften doch alle Erkrankungen verlaufen fast stets tödlich.
Die Tollwut wird schon in medizinischen Schriften aus der Zeit um 300 v. Chr. erwähnt, aber wie sie übertragen wird, erkannte man erst 1804. Der französische Bakteriologe Louis Pasteur entwickelte 1884 einen Impfstoff zur Vorbeugung gegen Tollwut. In abgewandelter Form wird Pasteurs Methode bis heute verwendet; sie hat dazu geführt, dass sehr viel weniger Menschen als früher an Tollwut sterben.
Beim Menschen liegt die Inkubationszeit zwischen 20 und 120 Tagen; meist dauert sie vier bis sechs Wochen. Wird der Impfstoff nicht rechtzeitig verabreicht (möglichst bald nach dem Biss eines tollwutverdächtigen Tieres), verläuft die Tollwut tödlich.
Am Ende der Inkubationszeit treten an der verheilten Bissstelle Reizungen und Schmerzen auf, und der umliegende Bereich fühlt sich taub an. Häufig treten Depressionen und Angstgefühle auf. Dieses Anfangsstadium dauert etwa zwei Tage.
Dann folgt eine Phase der Reizbarkeit und Überempfindlichkeit. Der Patient hat allgemein starke Ängste, die sich durch das Einsetzen der ersten Atem- und Schluckbeschwerden noch verschlimmern. Durch krampfartige Kontraktionen von Zwerchfell und Kehlkopf kommt es zu Erstickungsgefühlen. Der Patient hat quälenden Durst, kann aber nichts trinken: Schon beim Anblick von Wasser treten Kehlkopfkrämpfe auf ("Wasserscheu"). Häufig steigt das Fieber in diesem Stadium bis auf 39 °C.
In Mund und Rachen sammelt sich ein dickflüssiges, schleimiges Sekret; die betroffene Person spuckt es aus oder versucht zu husten. Dieses Stadium dauert etwa drei bis fünf Tage; am Ende tritt durch Krampfanfälle oder durch Herz- oder Atemstillstand der Tod ein. (Unterschied zu Tetanus: Fehlen des Trismus und der Fazialislähmung).
Die moderne Therapie nach dem Biss eines Tieres mit Tollwutverdacht sieht so aus: Zunächst wird die Bisswunde möglichst schnell und gründlich gereinigt (notfalls mit Wasser und Seife). Anschließend erhält die betroffene Person an der Bissstelle und anderen Körperstellen Injektionen von Tollwut-Hyperimmunserum. Dann folgen 14 bis 30 Tage lang tägliche Injektionen des Tollwutimpfstoffes; zudem werden in Abständen von jeweils zehn Tagen zwei weitere Auffrischungsimpfungen gegeben
(Der herkömmliche Impfstoff enthält abgetötete Viren, die in Hühnereiern gezüchtet werden. Eine neuere Vakzine besteht aus Erregern, die aus menschlichen Labor-Zellkulturen stammen; dieser Impfstoff ist ungefährlicher, und es sind weniger Injektionen erforderlich.)
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