Die grossen Seuchenzüge des Mittelalters hatten auch vielfältige soziale Auswirkungen zur Folge: die Menschen verließen ihre Familien und Freunde, um sich vor einer Ansteckung zu schützen, und der Egoismus begann, um sich zu greifen. Besonders Adelige und Kleriker konnte sich die Flucht leisten und waren die ersten, die ihre Heimat verließen. Durch den somit entstandenen Mangel an Ärzten und Priestern wurde die Not im Volke nur noch größer: die Leute wurden nicht mehr behandelt und gepflegt, erhielten die Sakramente, besonders die Letzte Ölung, nicht mehr und starben physisch und psychisch total abgewrackt.
Teilweise ereigneten sich gar richtige Tragödien: Mütter schlugen ihre Kinder zu Tode, damit diese nicht den brutalen Tod sterben mussten, Männer beerdigten sich selbst bei lebendigem Leibe, um nicht vor dem Sterben von Mäusen, Ratten oder Würmern angefressen zu werden.
Die Obrigkeit begann, Menschenansammlungen, darunter sogar Gottesdienste, zu verbieten, was dazu führte, dass die Absolution aus der Ferne erteilt wurde und das Abendmahl auf zwei Meter langen Löffeln gereicht wurde. Auch erste Hygienevorschriften wurden in dieser Zeit erlassen.
Allerdings versuchten die Behörden vielerorts das Auftreten der Seuche zu verheimlichen und wenn nötig zu vertuschen: man wollte die Handelsbeziehungen mit anderen Städten nicht gefährden und die Panik im Volk möglichst verhindern.
Viele Leute lebten nun, im Angesichte eines furchtbaren Todes, viel bewusster, was auch erfreuliche Auswirkungen zur Folge hatte. So stammen die prächtigsten Beispiele von Prozessionen und Umgängen aus der Zeit des Barock und sind eine direkte Reaktion auf die grosse Zahl von zum Teil Tausenden von Toten täglich. Diese wunderbaren Prozessionen zu Ehren verschiedener Heiliger und der Gottesmutter Maria führten durch sämtliche Straßen der Stadt, wurden von allen einigermaßen gesunden Einwohnern besucht und dauerten meist den ganzen Tag. Während dieser Tagen läuteten die Kirchenglocken ununterbrochen und Tausende von Gebeten wurden zum Himmel geschickt.
Manche Leute blieben den ganzen Tag in der Kirche, andere begannen ihre Sünden zu beichten und sich dafür zu geisseln (Flagellanten); Judenverfolgungen griffen um sich, vielerorts wurden sämtliche Haustiere geschlachtet, Totentänze wurden aufgeführt, Plünderungen waren an der Tagesordnung. Auch missbrauchten einige Herrscher die Panik in der Bevölkerung für ihre eigenen Interessen. Und in Avignon wurden 1722 einige Krankenschwestern entlassen, da sie die Pest für ihr persönliches Vergnügen missbraucht hatten: sie spielten mit den Pestleichen Bockspringen!
In dieser Zeit entstanden sehr viele Bilder mit Pestmotiven (von brutal bis makaber), die oftmals, besonders die Altarbilder, bis heute erhalten geblieben sind. Ebenfalls aus dieser Zeit stammen die sehr populären \"Schutzmantel-Madonnen\". Ein weiteres Zeugnis dieses Zeitalters ist das Buch \"Bericht vom Pestjahr\" von Daniel Defoe; die beste Dokumentation einer Pestepidemie.
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