Die am stärksten akzeptierte Theorie setzt die Motive in Bezug zu biologischen Mängeln. Diese Theorie entwickelte sich aus der Darwinschen Betonung von Selbsterhaltung, Arterhaltung und Anpassung. Geschichtlich wurde der Begriff "biologisch" so interpretiert, dass er sich nur auf bestimmte allgemein bekannte physiologische Bedürfnisse wie das Bedürfnis nach Wasser, Nahrung, Sauerstoff beziehe. Diesem Ansatz liegt ein Konzept zugrunde, das als Mangelmotivation bezeichnet wurde, die Auffassung, dass ein Organismus nur dann zum Handeln getrieben werde, wenn es ihm an einem wichtigen Ingrediens fehlt. Ein Motiv ist demnach das Resultat eines physiologischen Ungleichgewichts.
Homöostase
Das physiologische System wahrt das Gleichgewicht der Bedingungen, die notwendig sind, um den Organismus am Leben zu erhalten. Dieser sich selbst regulierende Prozess wird als Homöostase bezeichnet.
Cannon beschrieb zum Beispiel die automatischen physiologischen Mechanismen, durch die die Blutmenge und die darin enthaltenen Konzentrationen von Zucker, Salz, Sauerstoff und Kohlendioxid konstant gehalten werden. Früher oder später können jedoch die automatischen homöostatischen Mechanismen die notwendigen Gleichgewichtszustände im Körper nicht mehr aufrechterhalten.
Manche Störungen des Gleichgewichts rufen ungewöhnliche und unnatürliche bzw. artifizielle Bedürfnisse hervor. So kann beispielsweise ein Kalziummangel in seltenen Fällen zu einem bizarren Kalziumhunger führen. In solchen Situationen muss man bewusste Maßnahmen setzen. Maßnahmen die der Körper selbst steuert sind Zittern oder Schwitzen.
Körperliche Bedürfnisse und bewusste Antriebe
Die homöostatische Auffassung von Motivation stößt auf häufige Diskrepanzen zwischen physiologischen Bedürfnissen und bewussten Antrieben. Einerseits kann uns selbst ein dringender physiologischer Mangel, etwa an Vitaminen, verborgen bleiben, andererseits können wir, obwohl nicht der geringste Nahrungsmangel vorliegt, Hunger empfinden.
Diese mangelnde Entsprechung zwischen physiologischen Bedürfnissen und psychologischen Antrieben kann teilweise der Tatsache zugeschrieben werden, dass in der äußeren Umwelt vorhandene Reize als wichtige Auslöser der motivierenden Zustände dienen, die wir als Triebe oder Antriebe bezeichnen. Die Reize lösen einen Drang aus, der im Augenblick zuvor noch nicht existierte und der sich steuernd auf das Verhalten auswirken kann, auch wenn die inneren körperlichen Bedürfnisse vollständig gesättigt sind. In anderen Fällen steigern oder verlängern Dinge und Ereignisse in der Außenwelt einen bereits vorhandenen motivationalen Zustand, wie beispielsweise der Geruch von Speisen bei einem Hungrigen.
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