Das Immunsystem soll im allgemeinen den Körper vor Krankheitserregern und anderen körperfremden Substanzen schützen.
Der Mensch kommt im Laufe seines Lebens mit unzähligen Mikroorganismen in Berührung. Diese können Krankheiten hervorrufen. In der Regel haben solche Erreger, wenn sie in den Körper eindringen, keinerlei Auswirkungen. Normalerweise werden nämlich fremde Zellen durch die Immunabwehr des Organismus abgefangen und zerstört. Der Organismus kann sehr gut zwischen "selbst"- also Freund- und "nicht selbst"- Feind- unterscheiden. Dies geschieht durch sogenannte MHC- Proteine. Dies sind Membranproteine deren Zahl sehr groß ist. An ihnen erkennt das Immunsystem körperfremde Zellen, daher nennt man sie Gewebsverträglichkeits-Proteine (kurz MHC- Proteine von major histocompatibility complex). Beim Menschen wird ihre Bildung von sechs Genen gesteuert. (Lindner 8. Kasse Seite 178) Da es viele Kombinationen der Gene gibt, gibt es eine große Zahl von Varianten der MHC- Proteine. Daher besitzen zwei nicht sehr nahe verwandte Menschen sehr selten den gleichen Satz von MHC- Proteinen.
Das Immunsystem greift auch Zellen an, die von einem anderen gleichartigen Organismus stammen, aber nicht mit den eigenen Zellen übereinstimmen. Trotzdem lassen sich Blutübertragungen fast risikofrei durchführen, weil es durch kernlose und daher verhältnismäßig einfach gebaute rote Blutkörperchen leicht ist, Spenderblut auszusuchen, das sich mit dem Empfängerblut verträgt.
Bei Organverpflanzungen oder Gewebsverpflanzungen ist es jedoch schwieriger. Die MHC- Proteine wirken als Gewebs- Antigene und lösen die Bildung von Antikörpern aus. Daher werden oft verpflanzte Gewebe abgestossen. Folglich muss man bei Verpflanzungen darauf achten, dass die Zellen des zu verpflanzenden Gewebes mit den eigenen zum Großteil übereinstimmen. Dies kann jedoch problematisch werden, da nicht immer gleich änliche Gewebe gefunden werden. Daher gibt es immer wieder Leute, die verzweifelt auf ein Organ warten, das ähnlich dem eigenen ist.
Bei einem Irrtum aber kann es zu einem Angriff auf das körpereigene Gewebe kommen. Folge können gefährliche Erkrankungen sein, sogenannte Autoimmunkrankheiten.
Es wird angenommen, dass sich Vorstufen des Immunsystems bereits in primitivsten vielzelligen Organismen entwickelt haben, denn sie mussten Zellen erkennen, die dem eigenen Zelltyp entsprachen. Weiters war es wichtig ein Kommunikationsnetz zwischen den Zellen aufzubauen, um Organe mit speziellen Funktionen ausbilden zu können. Zellen mussten dabei koordiniert arbeiten. Das bedeutet, dass der Organismus schon damals zwischen körpereigenen und körperfremden Substanzen unterscheiden konnte, die Aufgabe, die das Immunsystem erfüllt. Im Laufe der Zeit kam eine weiter Aufgabe hinzu: Die Zerstörung und Vernichtung fremder Zellen, die in den Organismus gelangt sind.
Außerdem soll das Immunsystem körpereigene Zellen ausfindig machen, die zu Krebszellen entartet sind und sie zerstören.
Der erste Forscher, der den Unterschied zwischen "selbst" und "nicht selbst" erkannte und auch untersuchte war der deutsche Mikrobiologe Paul Ehrlich. Er wollte ursprünglich um 1900 herausfinden, was mit Blut, das nach inneren Blutungen zurückbleibt, geschieht. Er injizierte Blut in die Bauchhöhle von Ziegen, das von einer anderen Tierart stammte. Die Ziegen bildeten sogenannte Antikörper. Antikörper sind in Blut und Körperflüssigkeiten enthaltene Proteine. Sie erkennen körperfremde Stoffe, verbinden sich mit deren Oberfläche und helfen so dem Immunsystem diese zu zerstören.
Nachdem Ehrlich Blut injiziert hatte zerstörten diese Antikörper die fremden roten Blutkörperchen. Erstaunlich war, dass bei Ziegen auch das Blut von Artgenossen als Antigen wirkte. Bei der Zerstörung von körperfremden roten Blutkörperchen blieben aber die eigenen Blutkörperchen stets unbeschädigt. Behandelte Ehrlich eine Ziege mit ihrem eigenen Blut, so blieb die Zerstörung der roten Blutkörperchen aus. Selbst wenn er einer Ziege Blutkörperchen entnommen hat und nach einiger Zeit ihr wieder injizierte erzeugte die Ziege keine Antikörper. Er nannte dies "horror autotoxicus" (Furcht vor der Selbstzerstörung) Antikörper, die ein Individuum gegen die Zellen von Artgenossen produzierte, nannte Ehrlich Isoantikörper. Entsprechende Antigene hießen Isoantigene.
In den folgenden Jahren konnten sich viele Forscher davon überzeugen, dass Ehrlichs Prinzip des "horror autotoxicus" allgemein gilt. Sie fanden dafür jedoch keine Begründung.
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