Fußballsport und nationale Identität Gegen Ende des 19. Jahrhundert, als in vielen Städten Kontinentaleuropas junge Männer dem englischen Beispiel folgten, wurde eine neue Sportart eingeführt: Fußball. Anfangs war der Sport noch eine Angelegenheit für die Mittelschicht, mit wenig Publikum und dem Ideal des "fair play". Die Zahl der Zuschauer begann sich bereits in den Vorkriegsjahren deutlich zu erhöhen, aber erst nach dem Ersten Weltkrieg sollte der Fußballsport in diversen Staaten Kontinentaleuropas gesellschaftsrelevant werden. Die Zahl der Stadionbesucher nahm bis nach dem Zweiten Weltkrieg zu und ging erst dann wieder zurück, als die Spiele im Fernsehen übertragen wurden. Somit kann Fußball als Massensport bezeichnet werden und hat eine Dimension die mit Identität in Zusammenhang steht; es können lokale, regionale Identitäten sichtbar gemacht, verstärkt, konserviert oder verändert werden.
Der zentrale Faktor der Massenwirksamkeit ist dei Auslösung von Gemeinschaftserlebnissen und Gruppenbewusstsein. Der Anhänger kann sich also mit "seiner" Mannschaft identifizieren, es entsteht ein intensives Wir - Gefühl. Von seiner Genese her ist der Fußballsport mit Krieg und Kriegsspiel verknüpft. Er entstand in vorindustriellen Zeiten als Kampfspiel, stand in der Tradition des kulturellen Krieges, war geprägt von häufig zu Verletzungen führenden Kampfhandlungen. Man kann die Verbindung zum Krieg auch im Vokabular der Fußballer sehr gut erkennen, wie z.B.
: Schuss, Fußballschlacht, Kampf, etc. Die Identifikation mit der Mannschaft kann als Massenphänomen eine unerhörte Intensität entwickeln - besonders bei den Spielen der Nationalmannschaften, aufgrund der enormen Bedeutung für das nationale Prestige. Siege zur höheren Ehre Vom mittelalterlichen Fußballspiel ist überliefert, dass in England heftige Auseinandersetzungen zwischen zwei Dörfern, im deutschsprachigen Raum zwischen zwei Grundherrschaften und im italienischen Raum zwischen zwei Städten die Folge eines Spiels waren. Toskanische Calcio - Spiele waren oft von enormer Brutalität, bei der es zwischen Spielern und Zuschauern zu Auseinandersetzungen, Vermischungen der beiden Gruppen und sogar zu Todesfällen kam. Blicken wir in den mitteleuropäischen Raum, in die Zeit der Jahrhundertwende, als vornehmlich Mittelschichten im Geiste des "fair - play" dem Fußball nachliefen und meist nur Hunderte Zuseher einem Spiel beiwohnten, gab es wenige Beispiele für gewaltsame Auseinandersetzungen. Als sich nach dem Ersten Weltkrieg die nationalen Konflikte im neuen Europa richtig anschärften, kam es allerdings zu einer Fülle von Ausschreitungen.
Was den Sport als Medium der Vermittlung einer nationalen Gesinnung zumindest bei Männern so wirksam machte, ist die Mühelosigkeit, mit der sich selbst politisch oder öffentlich desinteressierte Individuen mit der Nation identifizieren können, sobald diese durch erfolgreiche Sportler symbolisiert wird, etwa aus dem Fußballsport, in dem damals fast jeder Junge oder Mann gerne einmal Besonderes geleistet hätte. In der Zwischenkriegszeit gab es oft Auseinandersetzungen zwischen den Fans und den Spielern zweier Mannschaften. Ebenso wurde Fußball auch für politische Zwecke eingesetzt. Ein Beispiel dafür wäre das Spiel Österreich gegen Italien, am 25. März 1935. Bei diesem Spiel hatten illegale Nationalsozialisten mit der Hilfe Berlins eine große Zahl von Karten gekauft, um Ausschreitungen zu provozieren: einerseits sollte das Verhältnis Österreich - Italien belastet werden; andererseits sollte durch die Präsentation von Hakenkreuzen und anderen nationalsozialistischen Symbolen vermittelt werden, dass ein Großteil der Österreicher für den "Anschluss" eintreten würde.
Die nationalsozialistischen Pläne scheiterten damals. Mit den zunehmenden Spannungen in der europäischen Gesellschaft, dem Jahr 1938 und schließlich mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde der internationale Spielverkehr eingeschränkt und kam zwischen den "großen" Fußballnationen und auf professioneller Ebene in den Kriegesjahren fast vollständig zum Stillstand. Nationalistische Manifestationen in der jüngeren Vergangenheit Ein Fußballspiel zwischen zwei Nationalmannschaften oder zwei Mannschaften, die symbolisch für zwei Ethnien stehen, ist keine Alltäglichkeit und daher ein Indikator für Spannungen. Es gibt auch Fälle von Ausschreitungen auf die dann Kriege folgten, wie z.B.: im Juli 1969 San Salvador - Honduras Qualifikation für die nächste WM: 3 Personen kamen während dieser zwei Spiele ums Leben und dutzende Verletzte wurden ins Krankenhaus eingeliefert.
Während und nach diesen Spielen kam es zu Angriffen der Luftwaffe Salvadors ebenso wie von deren Fußtruppen. Dieser sogenannte " Fußballkrieg" dauerte 4 Tage lang. Anzuführen wären auch noch Hooligans und die Rechtsradikalen deutschen und englischen Fans, die dem Fußball noch oftmals Probleme bereiteten. Emanzipation oder Integration durch Fußball Das bekannteste Beispiel nationaler Mobilisierung im Fußballsport, die emanzipatorischen Zielen diente, ist der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft durch Argentinien 1978. Die Militärdiktatur gedachte die WM als "Opium für das Volk" zu instrumentalisieren, eine Funktion, die etwa jahrzehntelang von brasilianischen Juntas erfolgreich angewendet wurde. Enorm wichtig war die Rolle des Sports auch in Österreich, beim Aufbau und Ausbau einer eigenen Identität nach dem Zweiten Weltkrieg.
Es galt, sich als ehemaliger Teil des dritten Reiches, nunmehr gegenüber Deutschland abzugrenzen: Österreich-Patriotismus machte sich in den Stadien breit. Ein Sieg gegen deutsche Mannschaften begeisterte breite Bevölkerungsschichten und wurde als Triumph Davids gegen Goliath gehandelt, als Höhepunkt nationaler Emanzipation. Erneut ein Revival des österreichischen Nationalismus erlebten wir 1994. In Anbetracht des Beitritts zur EU reagierten viele mit der in den letzten Jahrzehntengefundenen Identität: mit glühendem Austriazismus. Es gerieten weite Teile des Landes in helle Begeisterung, als Austria Salzburg durch Siege gegen deutsche Mannschaften ein europäisches Cupfinale erreichte. phil hebe
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