\"Wohin mit dem Müll?\" - auf diese eher unangenehme Frage der Politiker reagieren die Werksleiter von Glashütten gelassen: \"Wenn es Glasabfälle sind, dann immer nur her damit zu uns. Wir können zur Zeit gar nicht so viele bekommen, wie wir gerne hätten.\"
Die Behälterglasindustrie begann etwa 1970 damit, gebrauchtes Glas wieder einzuschmelzen und damit einer neuen Verwendung zuzuführen. Mit Erfolg: In den vergangenen 20 Jahren wurden in den überall aufgestellten Glascontainern jährlich steigende Mengen Altglas gesammelt und wiederverwertet. 1991 wurden so insgesamt 2,29 Millionen Tonnen Glas erfaßt. Damit wurde im diesem Jahr praktisch jeder zweite Glasbehälter für den deutschen Markt aus Scherben produziert.
Der Prozeß des Glasrecyclings ist einfach: Wie die Rohstoffe, aus denen Glas hergestellt wird, so werden auch die Glasscherben bei etwa 1600 °C geschmolzen. Das glühend-flüssige Glas wird dann in Formmaschinen gegeben, welche daraus Flaschen und andere Glasbehälter herstellen. Damit ein solcher Schmelzprozeß jedoch zu einem Glas guter Qualität führt, darf das ofenfertige Glasgut nur geringe Mengen an Fremdstoffen enthalten. Altglas, das in Containern gesammelt wird, besteht hauptsächlich aus Flaschen, Konservengläsern und Flachglasabfällen. Es ist durchsetzt mit Verschlußkappen aus Eisen und anderen Metallen, Plastik, Papier, Pozellan- und Keramikteilen sowie Steinen. Vor der Wiederverwertung müssen diese Bestandteile entfernt werden: Was nicht durch Magnetabscheider oder Absaugdüsen aussortiert werden kann, muß mit der Hand herausgelesen werden. Eine vollständige Entfernung ist besonders bei Keramik und Steingut wichtig: Diese Materialien schmelzen bei 1600 °C noch nicht, so daß sie sich als kleine Einschlüsse in den fertigen Gläsern befinden. Gläser mit solchen Einschlüssen springen leicht und sind für keinen Verwendungszweck zu gebrauchen. Daher bestimmt auch heute noch die Effizienz der Handauslese entscheidend die Qualität der Altglas-Scherben.
Die steigenden Anforderungen an die Reinheit der von den Entsorgungsfirmen angebotenen Glasscherben haben dazu geführt, daß Glasscherben heute bereits so teuer sind wie die Rohstoffe, aus denen man Glas herstellen kann. Lohnt die Altglasaufbereitung dann überhaupt noch? Diese Frage ist uneingeschränkt mit Ja zu beantworten:
Die Glaswerke haben festgestellt, daß sie bei der Verwendung von Scherben Energie einsparen können. Bei einem Altglasanteil von 10 Prozent sinkt der Energiebedarf der Glasherstellung bereits um 3 bis 4 Prozent.
Der Einsatz von Glasscherben bei der Glasproduktion von derzeit etwa 50% ist zwar schon beachtlich, scheint jedoch durchaus noch steigerungsfähig zu sein.
Prognosen in dieser Richtung werden zur Zeit nur mit großer Vorsicht und Zurückhaltung abgegeben, da einer Ausweitung der Recyclingquote einige Hindernisse entgegenstehen. Hier kommen mehrere Punkte zusammen:
Zum einen sind die vorhandenen Kapazitäten der aufwendigen Scherbenaufbereitung voll ausgelastet, neue Anlagen sind noch nicht einsatzfähig.
Das Hauptproblem besteht jedoch in dem nicht zufriedenstellenden Ergebnis der Glassammlung: Wird Glas farblich gemischt angeliefert, so kann dieses Glas nur für die Grünglasproduktion verwendet werden. Heute wird bereits über 90% des Grünglases aus Glasscherben hergestellt. Allerdings beträgt der Marktanteil von Grünglas nur etwa ein Drittel. Gebraucht wird jedoch hauptsächlich Weißglas. Sein Marktanteil liegt nach wie vor bei etwa 50% . Für seine Produktion können nur Scherben eingesetzt werden, die farblos sind. Werden in einen Sammelcontainer für Weißglas mehrere Flaschen Grün- oder Braunglas geworfen, kann dieses gesammelte Glas nicht mehr für die Produktion von farblosem Glas verwendet werden! In der Praxis ist dieser Fall leider nicht selten, so daß eine große Nachfrage nach Weißglasscherben besteht. Dies drückt sich auch in der Quote aus, in der Scherben für die Weißglasproduktion eingesetzt werden: Die Menge liegt zur Zeit bei (nur) etwa 40%. Die Industrie würde gerne einen höheren Scherbenanteil einschmelzen - doch diese Mengen sind nicht zu erhalten.
Anders ausgedrückt: Die Produktion von Grünglas erfolgt heute schon praktisch ausschließlich aus Altglas-Scherben, während im Bereich des farblosen Glases noch nicht einmal die Hälfte der Glasbehälter aus Altglas produziert werden. Größere Mengen an gesammeltem farblich gemischtem Glas könnten überhaupt nicht verbraucht werden, sie würden auf Mülldeponien landen. Dagegen ist beim farblosen Glas die Nachfrage groß. Eine weitere Steigerung der Mengen an gesammeltem Glas ist daher nur dann sinnvoll, wenn gewährleistet ist, daß eine bessere Trennung erzielt wird, und damit der Weißglasanteil vergrößert werden kann.
Daher erklärt sich auch die Zurückhaltung der Industrie bei der Schaffung weiterer Kapazitäten zur Glasaufarbeitung: solange nicht sichergestellt ist, daß alles aufgearbeitete Glas auch verwendet werden kann, ist die Aufarbeitung selbst sinnlos.
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