6.1 Eve & Rave e.V., Berlin />
(Bei der Beschreibung von Eve & Rave beziehe ich mich vor allem auf die Ausführungen von H. Cousto, 1995, SS.198-203)
Eve & Rave, seit Oktober 1994 eingetragener Verein, bezeichnet sich selber als "ein Raverprojekt für Gesundheit, Kultur und Arbeit zur Förderung der Technokultur und Minderung der Drogenproblematik.\" Die Gründung des Vereins geht auf die Initiative von Ravern aus der Szene einerseits und auf das Engagement des Soziologen Helmut Ahrens andererseits zurück. Der eigentliche Initiator Ahrens führte im zweiten Halbjahr des Jahres 1993 im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums eine Studie der deutschen Aids-Hilfe in der Techno-Szene durch. Da MDMA einen gewissen Ruf als Liebesdroge hat(te), sollte diese Studie der Frage nachgehen, ob wegen des weitverbreiteten Konsums in der Szene ein HIV-riskantes Verhalten und damit ein besonderer Bedarf an Aids-Prävention bestünde.
Durch diese Studie aufmerksam geworden, begann eine Gruppe engagierter Raver, sich einmal in der Woche zu treffen, um wichtige, die Szene betreffende Dinge zu besprechen. Ein Punkt, der diesen Leuten als besonders wichtig erschien, war der, die Raver darauf aufmerksam zu machen, wie man Drogen mit möglichst wenig Risiko konsumieren kann. Da es sich sehr schnell zeigte, daß darüber nur Wenige Bescheid wußten, beschloß man eine Safer-Use-Broschüre zu Ecstasy, Speed, LSD und Kokain herauszubringen. Allerdings stieß der Inhalt dieser ersten Broschüre auf starken Widerstand aus der Politik, insbesondere aus den Reihen der SPD und CDU. Es hieß, das Heft sei eine "jugendgefährdende Schrift\", insofern, als daß es Drogen verharmlose und Jugendliche durch solch eine Gebrauchsanweisung erst zum Drogenkonsum verführe. Die Veröffentlichung der ersten Originalbroschüre in Frankfurt a.M. wurde aufgrund des politischen Drucks zunächst wieder eingezogen. Erst nach einer Überarbeitung durch eine Gruppe von Frankfurter Drogenexperten und erneuter Prüfung durch die Frankfurter Staatsanwaltschaft wurde die nun teilzensierte Fassung wieder veröffentlicht. Alle seitdem gedruckten und neu bearbeiteten Auflagen waren binnen kürzester Zeit vergriffen. Die Broschüren wurden u.a. auf Parties verteilt und fanden reißenden Absatz, was das große Informationsdefizit und -bedürfnis seitens der Party-Gänger deutlich machte.
Weil sich Eve & Rave aus der Szene heraus entwickelt hat, besteht unter den Ravern eine sehr große Akzeptanz für deren Arbeit. Man arbeitet prozeßorientiert, und der Blickwinkel ist auf die Bedürfnisse der Raver ausgerichtet, der Verein ist voll in die Szene integriert.
Innerhalb des Vereins gibt es eine Aufsplittung in verschiedene Arbeitsgruppen, die allerdings nicht strikt getrennt voneinander arbeiten, sondern aufeinander aufbauen und sich sich ergänzen:
1. "Vor-Ort\" - Arbeit in Berlin
Rave Safe Line: Bei dieser Telefongruppe können interessierte Leute anrufen und sich ihre Fragen am Telefon beantworten lassen
Club-Teams: Hier werden Informationsstände organisiert, die direkt auf Parties aufgebaut und an denen unterschiedliche Sachen angeboten werden. Die Partydrogen-Broschüre ist hier erhältlich und es werden Kondome und Safer-Sex-Infos verteilt. Außerdem kann man hier persönliche Beratungsgespräche in Anspruch nehmen.
Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern
Kreativworkshops für Raver: Hier werden allgemeine kreative Aufgaben wie die Gestaltung der Informationsstände, Herstellung von Vereins-Shirts und weitere ähnliche Dinge organisiert und verwirklicht.
Twin-Planet: Der Twin-Planet ist ein freistehendes Haus in der Nähe von Berlin. Hier gibt es gruppentherapeutische Angebote für Leute, die Probleme mit ihrem Drogenkonsum haben oder "partysüchtig\" geworden sind. Es bestehen Angebote wie Meditationen und kreative Workshops. Der Vorteil hierbei besteht in der Tatsache, daß die Leute hier in ihren Szenezusammenhängen bleiben und somit die Hemmschwelle, dieses Angebot wahrzunehmen, sehr niedrig liegt
Drug-checking: Bis vor ca. einem halben Jahr war den Testen einer Ecstasy-Pille nur durch Einsenden von 70,-DM möglich. Aufgrund dieser hohen Kosten, war es eigentlich nur für Dealer interessant, dies durchzuführen, da es sich wahrscheinlich nur wenige Konsumenten leisten können, so viel Geld für das Testenlassen auszugeben. Nun bietet auch Eve & Rave den Schnelltest auf Parties an, der zwar auch nicht aussagen kann, was wirklich in der Pille enthalten ist, aber wenigstens die Hauptstoffe (MDMA, Amphetamin oder Halluzinogene) identifiziert.
2.Kommerzielle Kreativarbeit
In diesen Bereich fallen Dinge wie die Gestaltung der Chill-Out-Räume, der Informationsstände und -zelte sowie Konzeption, Gestaltung und Bau der Mind-Machines, die weiter oben schon beschrieben wurden. Diese Arbeitsgruppe ist auch für die Produktion einer Benefiz-CD für Eve & Rave verantwortlich. Diese Arbeit verfolgt zum einen das Ziel, Künstlern aus der Szene Gelegenheitsjobs zu verschaffen, zum anderen aber auch Geld für den Verein zu erwirtschaften.
3. Außenkontakte und Entwicklung neuer Konzepte
In dieser Arbeitsgruppe werden Kontakte zu anderen in der Szene tätigen Präventionseinrichtungen gepflegt. Hier wird überprüft, inwiefern sich bewährte Konzepte anderer Einrichtungen, wie z.B. das aus Manchester stammende "Safer-Dancing\" auf Berlin oder auf die übrige deutsche Party-Szene übertragen lassen.
Weiterhin werden hier DJ\'s dahingehend ausgebildet, wie sie die Partybesucher durch ihre Musik in Trance versetzen, aber auch wieder zurückholen können. Hierbei profitieren Verein und DJ gegenseitig voneinander. Die Gage wird von Eve & Rave kassiert, der DJ erlangt einen Bekanntheitsgrad über die Grenzen von Berlin heraus, was normalerweise bei der Masse an ambitionierten DJ\'s sehr schwierig ist.
In dieser Kontaktgruppe wird außerdem ein Informationsaustausch mit Drogenberatungsstellen, Drogennotdiensten, Gesundheitsministerien und -ämtern sowie den Senats-Regierungsstellen betrieben. Dort stoßen jedoch die Vorschläge für eine liberalere Drogenpolitik in der Regel auf "taube Ohren\" (vgl. Cousto, H., 1995, S. 209-213).
Ziele von Eve & Rave
Die von Eve & Rave verfolgten Ziele sind einerseits auf die Gesundheit der Raver, andererseits auf die Entwicklung und Fortführung der Techno-Kultur ausgerichtet. In der Präventionsarbeit werden Drogen nicht verteufelt, es wird auch nicht auf eine absolute Drogenabstinenz hin gearbeitet. Vielmehr wird es angestrebt, die Eigenverantwortung der Partygänger hinsichtlich ihres Drogenkonsums, ihrer Gesundheit und ihres Wohlergehens entwickelt, bzw. verstärkt werden. Bewirkt werden soll dies durch eine Stärkung und Anregung des Bewußtseins der Raver für Beziehungen untereinander. Diese Beziehungen sollen einer Suchtentwicklung entgegentreten. Im Gegensatz zur immer stärkeren Kommerzialisierung der Szene sollen die "alten Werte\" wie Toleranz und Gemeinschaft untereinander besonders den Neueinsteigern nahegebracht werden. Außerdem soll die Technokultur in der Musik und der Körperarbeit weiterentwickelt werden.
Finanzierung
Da der Verein keinerlei finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite erhält, finanziert er sich aus eigener Kraft durch die Arbeit der einzelnen Mitglieder. Ein großer Teil des Geldes kommt durch z.T. zweckgebundene Spenden von Diskothekenbetreibern oder DJ\'s zusammen. Auch für Vorträge auf Informationsveranstaltungen oder im Fernsehen bekommt man Geld. Der Verein arbeitet daraufhin, daß man sich mehr und mehr aus eigener Kraft finanzieren kann. Dies soll dadurch erreicht werden, daß man sich die Arbeitskraft der Mitglieder verstärkt bezahlen läßt - entweder durch die Nutzer oder durch Sponsoren.
6.2 Der Drogeninfobus der Beratungsstelle Hannover
Ausgehend von Beobachtungen in England sahen die Mitarbeiter der Drogenberatungsstelle in Hannover, was für Probleme in Verbindung mit Ecstasy auf sie zukommen würden. Deshalb beschlossen sie, ein Faltblatt zu konzipieren und zu veröffentlichen, in dem darüber aufgeklärt werden sollte, welche Dinge man als Konsument von Pillen beachten sollte. 1993 schließlich wurde der "Raver\'s Guide\" als erstes Informationsheft über Ecstasy veröffentlicht. Parallel zur Erstellung der Broschüre wurde ein ausrangierter Doppeldecker-Bus der Berliner Verkehrsbetriebe angeschafft und umgebaut. Im unteren Bereich des Busses befinden sich nun Stehtische und Barhocker, außerdem werden dort Säfte und Mineralwasser zum Selbstkostenpreis verkauft. Im Oberdeck befindet sich ein Chill-Out-Raum, wo sich bis zu 20 Leute bei angenehmen Temperaturen erholen können. Der gesamte Bus ist ein drogenfreier Raum, d.h. es dürfen dort keinerlei Rauschmittel konsumiert werden, auch kein Alkohol.
Mit diesem Bus fahren Mitarbeiter der DROBS nun direkt zu den Parties, vornehmlich im Bereich Hannover und Umgebung. Zugänglich für die Besucher ist er von 22 Uhr abends bis 6 Uhr am Morgen. Die Besucher haben hier aber nicht nur die Möglichkeit, sich auszuruhen oder preiswerte Getränke zu kaufen. Vielmehr wollen die Mitarbeiter mit Usern ins Gespräch kommen, was vor allem durch die Nähe zur Szene erreicht werden soll. Nach der Sicht der Drobs brauchen Jugendliche eine differenzierte und objektive Aufklärung zum Thema Ecstasy und anderer Party-Drogen. Sie will nicht zur absoluten Drogenabstinenz aufrufen, da sie diese Zielsetzung als unrealistisch ansieht. Vielmehr soll es darum gehen, den Drogenkonsumenten zu akzeptieren und ihm zu einem vernünftigen Umgang mit Rauschmitteln zu verhelfen. Außerdem soll der Konsument Gefahren beim Konsum erkennen und abschätzen können, genauso wie Verantwortung zu übernehmen.
Ein oft vorkommender Einsatzort des Buses sind die "Hanomag-Hallen\" in Hannover. Dort finden an Wochenenden Techno-Großveranstaltungen mit mehreren tausend Besuchern statt. Trotz des großen Publikums gibt es dort keinen Chill-Out, so daß die Kapazität des Busses eigentlich jederzeit voll ausgeschöpft wird, die Akzeptanz der Raver ist nach einigen Anfangsschwierigkeiten sehr hoch.
Pillentesten
Das Testen von Pillen stellt innerhalb der Arbeit des Busses einen wichtigen Faktor dar. Durch das Pillentesten hat die DROBS einen recht guten Überblick über die sich momentan auf dem Markt befindlichen Pillen. Sie führt einerseits den Schnell-Test durch, bei dem einige Krümmel einer Pille mit Indikatorflüssigkeit beträufelt werden. An der sich anschließend einstellenden Verfärbung kann abgelesen werden, ob es sich beim enthaltenden Wirkstoff um MDMA oder ein Derivat davon handelt, ob eventuell Amphetamine oder Halluzinogene enthalten sind bzw., ob überhaupt ein Rauschmittel drin ist. Allerdings kann dieser Test keine Aussage dahingehend machen, wie hoch der Wirkstoffgehalt ist, bzw. wieviele Verunreinigungen die Pille enthält (daher wird in diesem Zusammenhang auch eher von "Pillenidentifikation\" als vom "Pillentest\" gesprochen).
Deshalb werden die meisten Tabletten in einem Labor, das mit der DROBS zusammenarbeitet, per Spekroskop untersucht. Anhand von Form, Farbe, Abmessung und Prägung läßt sich so fast jede Pille zuordnen.
Kommt eine "schlechte\" Pille in das Labor, also eine Pille, die hohe Verunreinigungen oder andere gefährliche Beimischungen wie z.B. DOB (ein Halluzinogen mit bis zu 30 Stunden Wirkungsdauer) enthält, werden so schnell wie möglich Warnzettel gedruckt und auf den Parties verteilt. Parallel zu solchen Aktionen arbeitet die Drobs mit dem Techno-Magazin "Mushrooms\" zusammen. Inzwischen hat die Drobs in diesem Veranstaltungsheft eine eigene Rubrik, in der neben allgemeinen Fragen zu Ecstasy oder anderen Drogen Analyseergebnisse und Warnungen vor schlechten Pillen veröffentlicht werden. Die Akzeptanz ist nach Aussage von Peter Märtens sehr groß, viele Raver rufen auch unter einer Hotline an und fragen nicht nur nach Testergebnissen, sondern vor allem nach gesundheitlichen Auswirkungen des Drogenkonsums.
Es gibt eine Kontroverse zwischen der Beratungsstelle und Eve & Rave, dahingehend, ob die Testergebnisse aller Pillen veröffentlicht werden sollten, oder nur die der schlechten. Eve & Rave ist der Ansicht, daß die Leute über qualitativ gute Pillen genauso informiert werden sollten, wie über schlechte oder gefährliche. Die Mitarbeiter des Drogeninfobusses sehen allerdings die Gefahr, daß sich User auf ein Testergebnis einer angeblich guten Pille verlassen könnten, ohne mit Gewißheit sagen zu können, ob es sich wirklich um die gleiche und nicht um eine Kopie handelt. Die User könnten sich in einer nicht vorhandenen Sicherheit wiegen und lassen ihre Pillen dann evtl. nicht mehr testen.
Ziele und Absichten der Beratungsstelle Hannover
In seinem Vortrag auf der Fachtagung Ecstasy machte Lennart Grube deutlich, daß es in der Arbeit der Drogenberatungsstelle nicht mehr nur darum gehen könne, Hilfen zum Ausstieg aus dem Drogenkonsum zu geben, sondern daß ein weiterer und wichtiger Schwerpunkt auf den Bereich der Drogenerziehung gelegt werden müsse. Seiner Meinung nach ist nicht der asketisch lebende Mensch das Ideal unserer Gesellschaft, sondern vielmehr der mündige Konsument.
"Davon ausgehend, daß das Ausprobieren und der Konsum auch von illegalen Rauschmitteln ein jugendtypisches Risikoverhalten darstellt, muß sich die Prävention auch als eine Art "Drogenerziehung\" verstehen.\"
(Grube, L., eigenes Protokoll der Fachtagung Ecstsy, 1997)
Um die Ziele der Drogenerziehung zu verfolgen, fährt der Drogeninfobus unter der Woche zu Schulen. Dort werden die Schüler über Drogen informiert und Fragen dazu werden beantwortet. Die Informationsschrift "Raver\'s Guide\" wird dort übrigens nicht verteilt, da sie für Leute gedacht ist, die sich bereits dazu entschlossen haben, MDMA zu nehmen.
Eine weitere Zielgruppe der präventiven Arbeit sind Lehrer, Eltern und Freunde der Konsumenten. Diese sollen genauso über Ecstasy, LSD und Speed aufgeklärt werden. Deshalb hat die DROBS Hannover auch eine speziell für Eltern konzipierte Broschüre herausgegeben, in der über eben diese Drogen informiert wird. Die Eltern sollen ihre Informationen nicht aus unsachlichen oder panikmachenden Zeitungsartikel bekommen, sondern sich mit der Thematik angstfrei(er) auseinandersetzen. Außerdem soll erreicht werden, daß sie auf der Basis kompetenter Informationen einen besseren Zugang zu Gesprächen mit ihren Kindern bekommen.
Die Finanzierung des Busses
Die Finanzierung des Busses steht auf keinem sicheren Boden. Die Mitarbeiter werden hauptsächlich über ABM-Stellen finanziert, die in den meisten Fällen nur über ein Jahr laufen. Dies hat natürlich den Nachteil, daß die Klienten zum Jahresende eine Umstrukturierung der Mitarbeiter in Kauf nehmen müssen, was eine Konstanz der Beziehung zwischen Mitarbeiter und Klient nicht zuläßt.
Auf Veranstaltungen stellt der Bus eine Dienstleistung dar, die vom Veranstalter und somit eigentlich vom Besucher bezahlt werden muß. Der Veranstalter muß pro verkaufter Eintrittskarte 50 Pfennig an die DROBS abführen. Bei einer Besuchermenge von 3000 Personen erwirtschaftet sie also 1500,- DM.
6.3 Das Jellinek-Zentrum, Amsterdam
Obwohl es immer wieder heißt, die niederländischen Drogengesetze seinen besonders liberal, unterscheiden sie sich nicht sonderlich von denen der Nachbarländer. Lediglich die politischen Auslegungen der Gesetze sind liberaler. Die Politik in den Niederlanden verfolgt nicht das grundsätzliche Ziel, seine Bürger vom Drogenkonsum abzuhalten. Es wird stattdessen versucht, die Risiken des Konsums sowohl für die Konsumenten als auch für die Gesellschaft so niedrig wie möglich zu halten. Repressive Maßnahmen erstrecken sich nicht auf die Konsumenten, sondern auf Hersteller und Händler.
Wegen ihres sehr pragmatischen Umgangs mit dem Drogenproblem steht die Niederlande immer wieder im Kreuzfeuer der Kritk der anderen Nachbarländer. Unter solchen Umständen ist es natürlich schwer für ein einzelnes Land, neue Wege in der Art und Weise, mit Drogen umzugehen, zu beschreiten. Trotzdem versucht die niederländische Politik, alternative Strategien zur Repression einzuschlagen.
Das Hauptziel des Jellinek-Instituts ist es, dem problematischen Konsum vorzubeugen, nicht dem Konsum im Allgemeinen. Diesen Anspruch kann man mittlerweile auch in deutschen Beratungsstellen finden, auch wenn er hier nicht so unumstritten ist wie in den Niederlanden. Ein für die Präventionsarbeit sicherlich sehr interessanter Ansatz soll im folgenden vorgestellt werden.
6.4 Das Projekt "Antenne\"
Antenne ist eine Art Basis für die Präventionsarbeit. Nur wenn man genau darüber informiert ist, was die Menschen bewegt und beschäftigt und was sie eigentlich wollen, kann man ihnen auf eine dafür zugeschnittenen Art und Weise Hilfe anbieten.
"Diese Überlegungen dürfen aber nicht starr auf den Drogenkonsum der Leute gerichtet sein, sondern müssen den Menschen als Ganzes einbeziehen. So muß man sich zum Beispiel fragen, welchen Lebensstil die Person oder die Gruppe verfolgt, ob und wie sie politisch engagiert sind, in welcher Kultur sie erzogen werden / worden sind, welche Wünsche, Ziele und spezifischen Probleme (...) sie in ihrem Leben haben.\"
(Wirth, N., 1996, S.91)
Um diese Fragen beantworten zu können, hat das Jellinek-Zentrum ein Befragungssystem entwickelt, das halb-und ganzjährlich durchgeführt wird, um immer auf dem neuesten Stand zu sein. Dieses Projekt heißt "Antenne\".
Aus den Ergebnissen ergibt sich ein Einblick in das gegenwärtige Konsumverhalten der Jugendlichen. Außerdem lassen sich gewisse Trends für die nahe Zukunft ablesen, so daß man einige Prognosen treffen kann, ob es bald Personenkreise geben wird, die vermehrt Drogen konsumieren werden, und welche Drogen bald beliebter werden. Somit ergibt sich der Vorteil, nicht auf bereits aufgetretene Probleme reagieren zu müssen, sondern schon im voraus handeln zu können.
Um zu diesen Informationen zu kommen, gliedert sich das Projekt in drei Arbeitsschritte. Als erstes werden im jährlichen Abstand Schüler verschiedener Altersklassen und Angehörige spezieller Risikogruppen, wie z.B. Klienten der Jugendsozialarbeit befragt. Im halbjährlichen Abstand bezieht man Informationen aus einem Forum von 25 Personen, die eine wichtige Stellung innehaben. Hierzu gehören Schlüsselfiguren aus dem Diskotheken- und Gaststättengewerbe, der Jugendsozialarbeit, aus Dealerkreisen, aus Verbänden der ausländischen Arbeitnehmer und der Polizei. Außerdem schickt das Jellinek-Institut zweimal pro Jahr ungefähr 25 Mitarbeiter in die Stadt, um dort in einschlägigen Kreisen nach neuen Trends zu suchen.
"Die Interviewer und die befragten Personen kennen sich zum Teil seit vielen Jahren und haben ein vertrauliches Verhältnis zueinander. Es ist selbstverständlich, daß alle Angaben vertraulich behandelt werden und daß niemand ein polizeiliches oder juristisches Nachspiel befürchten muß.\"
(Cousto, H., 1995, S.180)
Beim zweiten Schritt setzen sich Personen aus ganz unterschiedlichen Berufsgruppen zusammen, um das gewonnene Zahlenmaterial auszuwerten: Sozialarbeiter, Mitarbeiter der Prävention, Forscher, Soziologen, Polizeibeamte und Politiker. Durch die Überschneidungen zwischen diesen Berufsgruppen ist dies ein sehr guter Weg, eine Lösung für eine bestehende oder aufkommende Problematik zu suchen und zu finden.
Der dritte Schritt der Arbeit besteht darin, auf der Basis der jährlichen Berichterstattung Empfehlungen und Anregungen zu geben, in welchen Bereichen noch weiter geforscht
werden muß, oder an welchen Stellen die Polizei oder die Präventionsarbeiter verstärkt tätig werden müssen.
Ziel des Jellinek-Zentrums
Mit der Befragungstechnik wie sie das Jellinek-Zentrum für ihre Arbeit gebraucht, können die neuesten Trends in der Drogenszene aufgespürt werden, und man kann schnell und situationsbezogen beginnen, Konzepte zu entwickeln, um gefährlichen Trends entgegenzuwirken.
Außerdem will das Zentrum den Konsumenten das Wissen vermitteln, wie ein verantwortlicher Umgang mit Drogen erreicht werden kann. Die Entscheidung einer Person für den gelegentlichen Konsum von Drogen muß nicht automatisch schlechter sein, als überhaupt keine Drogen zu nehmen, nur muß der Gebraucher wissen, wie er die damit verbundenen Risiken minimalisieren kann. Die Mitarbeiter des Zentrums wollen den Konsumenten Hilfe anbieten, sich dieses Wissen anzueignen.
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