"Die Nase" entstand 1926 - 28. Schostakowitsch formte mit drei Mitarbeitern Gogols gleichnamige Novelle[55] von 1836, eine Satire auf die Beamten Bürokratie unter Zar Nikolaus II., zu einem Libretto, in das er auch Bruchstücke aus Dostojewskis "Brüder Karamasow"[56] verwob. Das Werk atmet den Geist jenes hektischen kulturellen Aufbruchs, wie er bezeichnend war für das erste Jahrzehnt nach der Oktoberrevolution unter dem Kultusminister Anatoli Lunatscharski[57], und der bald von Stalin abgewürgt werden sollte. Auf musikalischer Ebene montierte Schostakowitsch Bruchstücke aus verschiedenen Genres der Unterhaltungs-, Kirchen- und Opernmusik aneinander. Opernhafte Lyrik findet sich in der Nase kaum. Vielmehr entspricht das Werk dem damals aktuellen Ideal der "Neuen Sachlichkeit". Schostakowitsch übertrifft allerdings seine Vorbilder an Radikalität bei weitem. Das Zwischenspiel nach dem 2. Bild ist die erste Komposition für ein reines Schlagzeugensemble.
Obwohl das Stück deutlich gesellschaftskritische Züge trägt, die Perspektivlosigkeit der bürgerlichen Gesellschaft enthüllt - also ideologisch durchaus der antibürgerlichen Revolution entsprach - war das Echo auf die konzertante Voraufführung am 16. Juni 1929 und die szenische Uraufführung am 18. Januar 1930 in Leningrad sehr geteilt. Man vermisste den positiven Helden, wie ihn die Sowjetideologie[58] forderte. Nach 16 Aufführungen verschwand das Stück von der Bühne des Maly-Theaters, erst 44 Jahre später, ein Jahr vor dem Tod des Komponisten, wurde es in Moskau wieder aufgenommen.
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