Ende des 19. Jahrhunderts verschmolzen die verschiedenartigen Einflüsse zum ersten vollausgebildeten Stil des Jazz, nach dem Ort seiner Entstehung New-Orleans-Jazz genannt. Hier wurde die Melodie vom Kornett oder von der Trompete getragen, während die Klarinette reich verzierte Gegenmelodien und die Posaune rhythmische Slides spielte und die Grundtöne der Akkorde und Harmonien vorgab. Tuba oder Kontrabaß legten unter diese Standard-Dreiergruppe eine Baßlinie, das Schlagzeug lieferte den Rhythmus. Vitalität und Lautstärke waren wichtiger als musikalische Feinheiten, und die Improvisation wurde von mehreren Stimmen des Ensembles durchgeführt (Gruppenimprovisation).
Der legendäre Kornettist Buddy Bolden leitete einige der ersten Jazzbands, von denen jedoch nur noch wenige Beispiele überliefert sind. Frühe Musikaufzeichnungen zeigen zwar den Einfluß des Jazz auf die damalige Musik, doch machte erst im Jahr 1917 die erste wirkliche Jazzband eine Musikaufnahme. Diese Jazzgruppe, die "Original Dixieland Jazz Band", eine Gruppe aus weißen Musikern aus New Orleans, erregte in den USA und der ganzen Welt mit ihrer Musik Aufsehen. Ein neuer Stil war geboren: der Dixieland-Jazz der Weißen aus dem Süden der USA. Damit zeigte sich jedoch auch zum ersten Mal ein Prozeß, der später für die Geschichte des Jazz typisch werden sollte: Nachdem schwarze Musiker neue Stile entwickelt hatten, wurden sie von Weißen dem Geschmack eines breiteren Publikums angepaßt und anschließend kommerziell verwertet. Nach dieser Gruppe wurden zwei weitere Bands berühmt: die "New Orleans Rhythm Kings" (1922) und die "Creole Jazz Band" (1923, unter der Leitung des stilbestimmenden Kornettisten King Oliver). Die Aufnahmen von King Oliver und seiner Band sind die bedeutendsten Beispiele im New-Orleans-Stil. Andere führende Musiker aus New Orleans waren die Trompeter Bunk Johnson und Freddie Keppard, der Sopransaxophonist Sidney Bechet, der Schlagzeuger Warren "Baby" Dodds und der Pianist und Komponist Jelly Roll Morton. Zu einer der einflußreichsten Persönlichkeiten des Jazz sollte später jedoch King Olivers zweiter Trompeter Louis Armstrong werden.
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