In jedem gutbürgerlichen Haus war ein Klavier vorhanden auf dem die Töchter des Hauses Unterricht erhielten. Es ziemte sich für jedes Mädchen, Klavier zu spielen und eine Gesangsausbildung zu beginnen. Die Verbindung, Klavier und Gesang, verbesserte sogar die Heiratschancen für Frauen, denn die Frau sollte dem Mann zu Verfügung stehen, wenn er von den Anstrengungen des Dienstes Erholung sucht. Frauen sollten den Mann lediglich mit Musik inspirieren. Doch es gab auch einige Frauen, die sich weigerten, dem Mann voll zur Verfügung zu stehen, und es war dann nicht selten, daß sie deshalb von der vornehmen Gesellschaft vollständig ausgeschlossen wurden.
Gerade Komponisten wurden von Frauen sozusagen vergöttert. Sie sahen zu dieser Zeit im Komponisten einen großen Schöpfer, denn er hatte Fähigkeiten die viele damals nicht hatten.
Die Frau wurde genauso gesehen wie von Franz Liszt in seiner Faust-Synphonie verarbeitet wurde. Sie durfte unter keinen Umständen mit dem Mann aufgrund ihres eigenen Willens in Konkurrenz treten. Sie durfte nämlich gar keinen haben. Dieses war die einfachste Lösung, den Willen der Frau mit allen Mitteln, sei es mit der Musik, auszuschalten. So werden Frauen oft, aufgrund ihrer Unterwürdigkeit, mit Komponisten auf Denkmälern verewigt.
Hier, an diesem Bild, zeigt sich, wie die Frau ihren Komponisten, hier Bruckner, anhimmelt. Mit ihrem Blick versucht sie Bruckner für sich zu gewinnen, doch er schaut nur ernst und gönnerhaft beiseite. Sie hält auch zu seiner Person deutlichen Abstand, der noch einmal die Unterlegenheit der Frau veranschaulicht. In diesem kleinen Exkurs wird klar, wie angenehm es Männer doch empfunden haben mussten, wenn sie von Frauen derart angehimmelt wurden. Daß sie diese Situation unter allen Umständen bewahren wollten, ist auch in der heutigen Zeit sehr verständlich.
Der Grund für diese Bewunderung war, daß Frauen im Mann das finden konnten, was sie selbst nicht besaßen. Sie konnten keine derartige Kompetenz besitzen, da die Ausbildung für Frauen sehr mäßig war.
Denn der normale Schulunterricht bezog sich hauptsächlich nur auf die Kindererziehung, Hauswirtschaft, Gesundheitslehre und auf die Wohlfahrtskunde sowie "die Gebiete der Barmherzigkeit und Nächstenliebe". (Warum die Männer in den letzten beiden Unterrichtseinheiten nicht ausgebildet wurden, blieb offen). Das Fach Musik fehlte gänzlich.
Ab 1870 wurden vermehrt Frauen in staatlich unterstützten Schulen zugelassen. Männer und Frauen wurden streng separiert. Für Frauen, die ernsthaft eine musikalischen Beruf ausüben wollten, blieb lediglich der Sologesang als einzige Möglichkeit. Hier wurden Frauen professionell ausgebildet, da sie als Opernsängerinnen unentbehrlich waren.
In den Konversatorien gab es für begabte Musikerinnen dennoch keine voll subventionierte Förderung, so daß man auf die Unterstützung aus dem Elternhaus zurückgreifen mußte. Auch wurden unterschiedliche Bildungschancen für Männer und Frauen praktiziert. So sollten sich einige Mädchen mit Elementarkenntnissen zufrieden geben, die gerade zu Chorgesang und zu familiärer Verwendung ausreichten.
Da eine musikalische Ausbildung in Klavier und Gesang dem sozialen Ansehen des Hauses keineswegs schadete, wurden teilweise auch unbegabte und völlig lustlose Kinder zu einer Musikausbildung gezwungen. "...und ich möchte jede Mutter davor warnen, aus bloßer Modesucht einen Teil der Lebenszeit ihres Kindes dem Erlernen derselben aufzuopfern, wenn es nicht natürliches Talent oder große Vorliebe dafür äußert...". Viele Kinder mussten von ihren Eltern aus ein Instrument erlernen, ohne dabei irgendeinen Gefallen zu finden. Die Eltern scheuten keine Kosten, dem Kind eine fundierte Ausbildung zu leisten, die aber unter der oft eingeschränkten Kompetenz litt. Später wurden ihre bescheidenen Leistungen als "naturgegebene" Unterlegenheit der Frau ausgelegt.
Nach der Ausbildung folgte meist die Heirat der Frau. Nun entstand eine gespaltene Situation: Auf der einen Seite war eine intensive Beschäftigung mit den Künsten und Wissenschaften nicht erlaubt, andererseits war sie aber für das Ansehen ihres Mannes verantwortlich, da sie die Gäste mit musikalischen Einlagen unterhalten musste.
Gegen Ende des 18 Jahrhunderts stellt der Pädagoge Johann Daniel Hensel eine Liste auf. Zu den unbedingt erforderlichen Kenntnissen zählt er Fähigkeiten wie Stricken, Nähen, Kochen, Backen, Waschen, Getränkeherstellung usw.; zu den weniger unentbehrlichen, aber doch sehr nützlichen Kenntnissen gehört die Musik, die er in Instrumentalspiel und Singen unterteilt. In der Rubrik der völlig entbehrlichen Kenntnisse stuft er die Musiktheorie und Komposition ein.
Der Mann fürchtete früher, daß durch ein Engagement der Frau in einer Sparte, außerhalb des Haushalts, ihre häuslichen Pflichten vernachlässigt oder sogar ihre traditionellen Werte verloren gingen. Die Frau sollte geben, nicht nehmen.
Aufgrund ihrer häuslichen Pflichten konnte sie dem Musikstudium nicht nachkommen. So war es für Frauen oft ein großes Problem, beide Interessen zu verbinden. Für Frauen in dieser Zeit war es das Beste, sich so viel wie möglich anzueignen.
"Je mehr eines jungen Frauenzimmers Anlagen auf alle mögliche Weise gebildet werden, je vielfältiger ihre Geistes- und Körpergewandheit entwickelt ist, je mehr sie Kenntnisse, Fähigkeiten, Geschicklichkeiten und Talente zu erwerben wußte: desto sicherer ist sie des Besitzes eines seltenen Glücks, weil diese Art von Glück von keinem Stande und keiner Lage abhängig wird, und ebenso für jenen Stand und in jede Lage paßt".
Dennoch wurde begabten Frauen der Auftritt in der Öffentlichkeit von ihren Vätern oder später von ihren Ehemännern verboten.
Frauen, die sich zuhause mit dem Komponieren beschäftigt hatten, mussten daher teilweise ihre Werke unter männlichen Namen veröffentlichen, um nicht das Ansehen der Familie gravierend zu schädigen.
Ab 1908 wurde der Unterricht im Bezug auf Musik neu überarbeitet. Auch Mädchen wurde nun der Zutritt zu musikalischen Unterrichtseinheiten nicht mehr verwährt. Ihnen wurde folgendes vermittelt: Erziehung zum Musikhören, die aus Gesangslehre und Förderung des musikalischen Geschmacks bestand. Hier war erstmals der Versuch gemacht, Frau und Mann im Fach Musik halbwegs gleichzustellen.
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