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kunst artikel (Interpretation und charakterisierung)

Werkbeispiel: vorstellung und interpretation




Halluzinogener Torero /> um 1968-1970

(Le torero hallucinogène)

Öl auf Leinwand, 398,8 x 299,7 cm

St. Petersburg (Fla.), The Salvador Dali Museum

Leihgabe des Morse Charitable Trust














Oft hört man, dass wenn man stirbt ein Film vor seinem geistigen Auge abläuft, der sein Leben im schnell durchlauf zeigt. Halluzinogener Torero ist gewissermaßen dieser beschleunigte Film, den Dali sich projiziert, bevor er sich auf den Weg zum Tode begibt. Ein Artikel Im "Art Magazine" vom April 1970 endet wie folgt:


"Der Halluzinogene Torero, ein wichtiges Werk von Dali, besteht aus verschiedenen Elementen; die Dualität der Abbildung und die Vortäuschung des Raumes erinnern an das Bild, das den Titel Das Gespenst des Sex-Appeal trägt. Die Venus von Milo erscheint wie auf seiner Venus von Milo mit Schubladen. In dem Bild wird das vollständige Wörterbuch der Metaphern, die im paranoisch-kritischen System zusammengetragen sind, ausgestellt: die Biene, der Stier, seine Frau Gala, Dali als Kind, seine kreativen und seine destruktiven Kräfte. Die Ikonographie ist zugleich fein ausgearbeitet und so klar, wie es die Technik des Malers erlaubt; sie ist hellsichtige Illusion, atemberaubender Wirbel, der auf das in eine eingebildete Chronologie verhüllte Bild, in der jedes Ding seinen Platz hat, aufgesetzt ist. Wir haben hier vielleicht eines von Dalis bemerkenswertesten Werken vor uns, das er seit vielen Jahren geschaffen hat. Dem Künstler ist es gelungen, seine Malerei vom Wappenbild Gottes zu befreien."


In Dalis Augen ist das Bild bestimmt wichtig, denn er empfiehlt Luis Romero, das Buch "Tout Dali dans un visage" (Der ganze Dali in einem Gesicht), auf Halluzinogener Torero zu begründen, ihn als Ausgangspunkt und Leitfaden zu nehmen. Und in dem Buch wird tatsächlich das wiederaufgenommen, was in dem Bild angedeutet ist, nebst den dalischen Themen und dem, was ihn beunruhigt und wovon er besessen ist: Gala, Engel, Felsen, Fliegen, Venus, Versteinerungen, Landschaft, Träne, Mond ... Nur selten kommen in Dalis Werk Themen vor, die mit dem Stierkampf zu tun haben, während sie sich bei Picasso häufen. Seltsam bei diesem typischen Spanier, der sich auch als solchen versteht.


Es handelt sich selbstverständlich wieder ein mal um ein verschlüsseltes Bild: Der Torero, der "da er sterben wird, schon tot ist" (Dali), stellt den Bruder des Malers dar, jenen andern Salvador Dali Domenech, der geboren wurde und starb, bevor er auf die Welt kam; seine Eltern wollten, dass er dessen genaue "Kopie" werde. Aber dieser Torero stellt nach Dalis Aussage auch eine lange Reihe von toten Freunden dar, die von Garcia Lorca bis Rene Crevel reicht und zu der auch der Prinz Alexis Midivani gehört, der bei einem Unfall mit seinem Rolls-Royce umgekommen war, und sogar die Brüder Kennedy ... Der Torero, wie Luis Romero unter Dalis Diktat schreibt, "der ruhig und überlegen wirkt und dessen Stoizismus sich in eine resignierte Träne verflüssigt, ist das Paradigma, die Summe aller jungen Freude, die wir hinter uns gelassen haben und die in das Reich der Toten eingegangen sind ... Das Bild des Toreros ist vielleicht so etwas wie die Grabfigur des Pantheons der Freundschaft, ist vielleicht heute Dalis Mittel ... das Gespenst der Angst vor dem Tode zu beschwören". Dieser Tod des Toreros in der Arena gehört bekanntlich zu den Standardthemen der Kunst und des Lebens in Spanien.


Man kann sagen, dass Halluzinogener Torero und Der unsichtbare Mann sich über die Jahre hinweg die Hände reichen. Oder vielmehr, dass Halluzinogener Torero die schließlich gelungende und vollendete Version von Der unsichtbare Mann ist, den Dali beiseite gelegt hat, weil er mit seiner Arbeit nicht zufrieden war, dem er aber trotzdem magische Kräfte zuschreibt, die ihn und Gala zu beschützen vermögen. Das neue Bild, dieses wahre Patchwork, vereinigt die Elemente, die vorhergehenden Werken entrissen wurden und von der Großmutter Ana beim Nähen bis zum kleinen Kind in der Wiege reichen; diese Elemente findet man in zahlreichen Werken, insbesondere in Das Gespenst des Sex-Appeal.


Dali hat sein Bild in Quadrate aufgeteilt, und jeder dieser Quadratmeter ist ein Bild für sich. Eine ganze Ausstellung ist es, fast eine Retrospektive, die er so mit einem einzigen Gemälde zeigt. Und vor diesem Kind, das nach und nach die bekannten Passagen der Ikonographie Dalis betrachtet, die Venus von Milo-Figuren, die Kliffs, die Felsen, die ein von Banderillas gespickter Stier sind, der im Todeskampf sein Maul in den Sand der Arena, in das klare Wasser einer Felsenbucht bei Cadaques stößt, sagen die bösen Zungen gleich: Dali wiederholt sich! Dali kopiert sich selbst!


Bleiben diese entsetzlichen Fliegen, die sich, einem Geschwader gleich, auf den kleinen Dali stürzen, ohne dass er überings, er, der so feige ist, eine Bewegung des Rückzugs macht. In den mystischen "Bodegóns" stehen Fliegen für den Tod. Spanien ist immer Land der Fliegen gewesen. "Sie sind die Musen des Mittelmeeres. Sie brachten den griechischen Philosophen, die ihre Mußestunden, in der Sonne ausgestreckt und von Fliegen bedeckt, verbrachten, Inspiration." (Dali)


In Halluzinogener Torero setzt Dali die Fliegen auch mit kleinen Hubschraubern gleich oder genauer gesagt mit dem Autogiro von La Cierva, einem spanischen Forscher, der 1923 einen Apparat entwickelt hatte, der vertikal aufsteigt und landen konnte.









 
 

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