2.1 Erste Hälfte des 19. Jahrhunderts
Der Impressionismus – den man als eine Revolution in der Malerei bezeichnen darf – hat sich in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zunächst in Frankreich und später in anderen Ländern entwickelt. Er ist eine Kunstrichtung, die auf der Leinwand schlicht die Impression wiedergeben will, wie sie materiell empfunden wurde. Der Impressionist ist ein Maler, der die Gegenstände seinen persönlichen Eindrücken gemäß festhalten will, ohne sich an die überkommenen Kunstregeln zu halten. Er malt draußen in der Natur, fraktioniert und fragmentiert die Pinselstriche, verwendet ausschließlich die reinen Farben des Prismas, bemüht sich um die größtmögliche Lichtintensität. Er will die Lichtwirkungen und das Leben in seiner Augenblicklichkeit erfassen.
Obschon die Impressionisten Neuerer waren, hatten sie dennoch nähere oder fernere Vorgänger. So versuchten die venezianischen Maler der Renaissance bereits die lebendige Wirklichkeit zu schildern und sich leuchtender Töne und Komplementärfarben zu bedienen. Die Spanier Greco, Velazquez und Goya gingen in dieser Richtung noch weiter: Manet und Renoir haben an ihren Werken gelernt.
Camon Aznar, der den spanischen Impressionismus dieser Zeit untersucht, bemerkt: „Man könnte ihn Instantismus (Kunst des Augenblicks) nennen“. Das Hauptmerkmal dieses spanischen Impressionismus ist die Erfassung eines lichten und kraftvollen Augenblicks, ist die Leere zwischen den Pinselstrichen. Allerdings haben wir es hier noch nicht grundsätzlich mit Freilichtmalerei noch auch ausschließlich mit der Verwendung von Grundfarben zu tun. Die spanischen Impressionisten benutzten viel und gerne schwarz.
Der Niederländer Frans Hals hat mit seiner Technik der unterbrochenen Pinselführung durch die Gegenüberstellung von leuchtenden Farben und tiefem Schwarz einen entscheidenden Einfluss auf Edouard Manet ausgeübt.
Die Engländer nehmen ebenfalls eine Vorrangstellung in der Entwicklung der Malerei zum Impressionismus ein. Claude Monet, Sisley und Pissarro begeben sich bezeichnenderweise während des Krieges 70/71 nach London und studieren dort eingehend die großen englischen Landschaftsmaler, vor allem Constable, Bonington und Turner.
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Der unmittelbare Ausgangspunkt des Impressionismus ist jedoch Delacroix, der feststellte, dass in der Malerei alles nur Lichtreflex sei. In seinem Tagebuch tritt die Verwandtschaft seiner Kunstauffassung mit dem Impressionismus am deutlichsten zutage. Von ihm stammt die Unterscheidung zwischen Lokalfarbe und Lichtfarbe. Er stellt die Forderung auf: Die Lokalfarbe muss mit der Lichtfarbe harmonieren. In seinem Gemälde Das Meer in Dieppe (1852) zeigt sich sein Früh-Impressionismus, der bereits die zwanzig Jahre später von Claude Monet am Hafen von Le Havre gemalte Impression, Sonnenaufgang (1872) ankündigt.
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2.2 Zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trugen die Landschaftsmaler in Barbizon – besonders Daubigny und Diaz – ebenfalls das ihre zur impressionistischen Kunst bei. Daubigny war einer der ersten, der von einem Boot aus malte, dem Botin; er fuhr die Oise flussaufwärts und gab damit praktisch den Auftakt zur Freilichtmalerei.
Zwei Künstlern jedoch, Corot und Courbet, sollte bei der Entstehung des Impressionismus eine viel wesentlichere Rolle zufallen.
Das Schöne an der Kunst, sagt Corot, ist die Wahrheit, wenn sie aus der Impression lebt, die uns der Anblick der Natur vermittelt. Die unmittelbare Schau der Natur, die sensible und dichterische Fühlungnahme mit ihr tritt in seinem Werk mit immer größerer Deutlichkeit zutage. Corot, der sich zunächst vom Licht angezogen fühlte, bemüht sich später die besondere Atmosphäre einer jeden Örtlichkeit wiederzugeben. Seine Farbtöne werden immer nuancierter, sie verschmelzen immer mehr miteinander, um das Unwägbare der Luft anzudeuten, die alle Gegenstände umhüllt. Der Künstler verwendet eine immer umfassendere Skala von angefärbten Grautönen. Im Gegensatz zu Delacroix, der behauptete, Grau ist der Feind aller Malerei, erreicht Corot – nicht durch die Mischung von weiß und schwarz, sondern durch die Mischung aller Farben des Prismas – Grau-Werte von erstaunlicher Zartheit und Ausdruckskraft.
Dieser neue Weg war der der Stimmungsmalerei, wenn man sich so ausdrücken darf, der sich die Maler in der Normandie – im Mündungsgebiet der Seine, an der Kanalküste zwischen Deauville, Trouville, Honfleur und Le Havre – zugewandt hatten. Hier stand im wahrsten Sinne des Wortes die Wiege des Impressionismus. Hier entschloss sich zum ersten Mal eine Gruppe von Künstlern – die sich um Boudin und Jongkind geschart hatten direkt und ausschließlich unter freiem Himmel zu malen. Boudin hatte schon 1859 Corot und Schanne nach Honfleur geführt, ehe er sich selbst 1862 dort niederließ. Der Holländer Jongkind folgt 1863 der Gruppe und verweilt dort mehrere Jahre. Claude Monet schließlich verbringt den Herbst 1864 in Honfleur. In Honfleur und an der Seine-Mündung schafft Boudin seine grandiosen Pastell- und Aquarellstudien von Himmel und Wasser, deren Poesie Baudelaire entzückte. Dort führt auch Jongkind seine lebhaften, farbenfreudigen Aquarelle aus. Beide überreden den jungen Claude Monet, in der Natur mit hellen Farben zu malen.
Eine ebenso wichtige Rolle wie Corot fiel Courbet zu. Als Führer der realistischen Schule, die in Frankreich während der Revolution von 1848 gegründet wurde, tat er sich besonders in der Landschaftsmalerei hervor: Er ist vor allem der Maler des Lichts. Auch während seiner kurzen Lehrtätigkeit trat er als Neuerer auf.
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Seine Vorliebe für intensive Lichteffekte führt Courbet dazu, seinen Bildern, die er ausschließlich im Atelier malt, den Charakter von Freilichtgemälden zu geben. Er gelangt in den hellen Partien seiner Kompositionen zu einer Art farbigem und lebhaftem Tachismus, der besonders in seinem berühmten Gemälde Bonjour Monsieur Courbet (1854, Museum von Montpellier) und in einigen seiner Landschaften deutlich wird. 1854 begab er sich nach Honfleur, wo er Boudin begegnete.
Der Einfluss Courbets machte sich jedoch besonders bei den zum Realismus neigenden Künstlern geltend, die in der Provence malten: bei Paul Gigou und Frédéric Bazille, der wie Courbet leuchtende, helle Farben tiefen Schatten gegenüberstellt. Die Kompositionen Bazilles – wie auch die frühen Werke Claude Monets, die Personen in der freien Natur darstellen – sind in dieser Hinsicht bezeichnend. Der Künstler jedoch, bei dem sich der Einfloss Courbets am stärksten auswirkte, ist Edouard Manet. Die realistischen, dem modernen Leben entnommenen Motive, die Porträts, die offene, eindeutige Vorliebe für die spanischen Maler, die malerische Substanz, die Leichtigkeit des Pinselstrichs, die hellen, lebhaften Farben, die durch die warmen, getönten Schatten noch mehr hervortreten, zeigen mit besonderer Deutlichkeit die enge Verwandtschaft der beiden Meister, die auch schon von ihren Zeitgenossen bemerkt wurde.
Im Fahrwasser des Impressionismus, hat außerdem eine große Anzahl von Künstlern aller Länder gewirkt. Einige unterhielten mit den französischen Malern Beziehungen, andere arbeiteten ohne persönlichen Kontakt. Sowohl Europäer wie Amerikaner haben mit dem ihrer nationalen Tradition entsprechenden Gespür die Bedeutung der Freilichtmalerei und später des symbolistischen Umbruchs erkannt.
Der deutsche Impressionismus, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Erscheinung tritt, unterscheidet sich wesentlich vom französischen. Wenn sich die deutschen Künstler auch für die impressionistische Ausstellung von 1879 interessiert hatten, so schloss sich ihre Freilichtmalerei jedoch weit mehr an die Kunst eines Corot, Courbet oder Daubigny als an die Manets und seiner Freunde an.
Adolf Menzel, Max Liebermann, Max Slevogt, Hans Thoma oder Fritz von Uhde haben die Farben nicht fragmentiert, aber ihr Sinn für Natur und leuchtende Kolorite beweist, dass sie den Eigenarten des französischen Impressionismus nicht unzugänglich waren, der es ihnen erlaubte, die Fesseln einer allzu akademischen Kunst abzuschütteln.
So fand in etwas über fünfzig Jahren eine völlige künstlerische Wandlung statt. Es ist sicherlich interessant, sich vor Augen zu halten, dass es – lange vor den Bildhauern, Musikern, Schriftstellern oder Dichtern – die Maler waren, die zur ästhetischen Neuerung den Auftakt gaben und den Vorrang der Empfindung und des Eindrucks im Impressionismus betonten.
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