Interpretation: "Der Rote Turm in Halle" von Ernst Ludwig Kirchner
Das Bild zeigt eine Stadtansicht, in deren Zentrum der "Rote Turm" zu sehen ist. Der Turm steht auf einem Platz, der von Straßen umgeben ist. Rechts und links stellen weniger bedeutende Gebäude den Bildrand dar. Im Hintergrund sind eine Kirche und ein schmaler Himmelsstreifen zu sehen. Das Gemälde macht einen eingefrorenen, unbelebten Eindruck. Auffallend sind die roten Straßen und die fragwürdige Farbgebung aller Gebäude.
Es handelt sich um ein Ölgemälde, das überwiegend grob und deckend gemalt wurde. Ernst Ludwig Kirchner verwendete nur bläuliche und rötliche Farbtöne, die in einem starken
kalt-warm Kontrast stehen. Der Turm im Zentrum des Bildes besteht aus vielen rot-blau Mischtönen und ist somit die einzigste Verbindung von Rot und Blau im ganzen Bild. Die blauen umliegenden Gebäude besitzen hellere Fassaden, aber dunkle Dächer und Fenster. Der Himmel besteht aus einer dunkelblauen Grundfarbe und einer Wolkenformation, für die größtenteils hellblaue und lila Farbtöne verwendet wurden. Die beiden Straßen wurden in kräftigem Rot gemalt, welches dann mit blasseren Rottönen aufgehellt wurde. Die Straßen sind dunkelblau umrandet. Im Vordergrund ist eine ebenfalls rote Straßenbahn gemalt, die sich nur aus der Nähe von der Straße abhebt. Die gewählten Farben wirken auf mich trotz der roten Straßen eher kühl. Die Malweise ist eindeutig expressionistisch.
Das Gemälde ist aus einer realistischen Betrachtungsperspektive gemalt, die dem Betrachter das Gefühl gibt, auf dem Dach eines Hauses zu stehen. Der Turm ist im Verhältnis zur Umgebung etwas unrealistisch verzerrt. Insgesamt macht die Bildweite und Gebäudegröße aber einen dreidimensionalen Eindruck.
Ernst Ludwig Kirchner malte sehr undetailliert und grob. Sowohl im Vordergrund wie im Hintergrund ist kein Unterschied an den Flächen zu sehen.
Der Turm stellt das Hauptthema des Bildes, er ist deutlich durch ihm untergeordnete Straßen und Gebäude eingerahmt.
Biographie Ernst Ludwig Kirchners
Ernst Ludwig Kirchner wurde 1880 in Aschaffenburg geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Aschaffenburg, Frankfurt am Main, Perlen bei Luzern und Chemnitz. 1901 bestand er das Abitur am Realgymnasium in Chemnitz und begann ein Architekturstudium in Dresden. Dort freundete er sich mit Fritz Bleyl an. Zur selben Zeit beginnt er sich selbst zum Künstler fortzubilden. Nebenher arbeitet er im Versuchsatelier für Angewandte und Freie Kunst von Wilhelm Debschitz und Hermann Obrist. 1904/05 macht er in Dresden die Bekanntschaft von Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff. 1905 schließt er sein Architekturstudium als Diplomingenieur ab und gründet im selben Jahr mit Bleyl, Heckel und Schmidt-Rottluff die Künstlergruppe \"Brücke\". 1911 zieht er nach Berlin. 1913 löst sich die \"Brücke\" bereits wieder auf. Im Frühjahr 1915 wird Kirchner zum Militärdienst in Halle eingezogen. Schon im Herbst wird er aufgrund eines körperlichen und seelischen Zusammenbruchs freigestellt. Aufenthalte in verschiedenen Sanatorien schließen sich an. 1917 übersiedelt er nach Davos und lebt fortan in Frauenkirch. Dort gründet er 1925 die Gruppe \"Rot-Blau\". Seit 1926 reist er wieder gelegentlich nach Deutschland und wird 1931 zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste in Berlin berufen. Allerdings wird er bereits 6 Jahre später als entarteter Künstler verfemt, aus der Akademie ausgeschlossen und alle seine Werke in deutschen Museen werden beschlagnahmt. 1938 begeht Kirchner Selbstmord in Frauenkirch.
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