Nach der Weihnachtspause eröffnete der französische Hauptankläger Francis de Menthon am 17.1.1946 die französische Klage. Er warf den Angeklagten hauptsächlich und in erster Linie Kriegsverbrechen vor und wandte sich nun den Beweisen für die Begehung derartiger Verbrechen in den besetzten westeuropäischen Ländern zu. (Es gab eine Arbeitsteilung: Rudenko, der sowjet. Hauptankläger konzentrierte sich auf die osteuropäischen Länder).
De Menthon teilte die den Angeklagten zu Last gelegten Kriegsverbrechen in 3 Hauptkategorien ein: \"die Zwangsarbeit, die wirtschaftliche Ausplünderung und die Verbrechen gegen die menschlichen Lebensgrundlagen\". (14) Sauckel, der \"in Verbindung\" mit Göring und Speer handelte, trug laut Anklage die schwerste Last der Schuld für das Zwangsarbeitsprogramm. (Sauckels Programm ist im Anhang abgedruckt). Unter \"wirtschaftlicher Plünderung\" verstand de Menthon \"sowohl die Wegnahme von Gütern aller Art wie die Ausbeutung der nationalen Reichtümer an Ort und Stelle zugunsten des deutschen Krieges\". Im Zusammenhang mit den \"Verbrechen gegen physische Personen\" behandelte de Menthon die \"Exekutionen von Geiseln, die Verbrechen der Polizei, die Deportationen, die Verbrechen gegen Kriegsgefangene sowie die Terroraktionen gegen die Widerstandsbewegung und die Massaker an der Zivilbevölkerung\". (15) In seinem Resümee hielt de Menthon fest: \" .
. der Krieg war von langer Hand vorbereitet und geplant, und bis zum letzten Tag wäre es ein leichtes gewesen, ihn zu vermeiden, ohne auch nur im geringsten etwas von den berechtigten Interessen des deutschen Volkes zu opfern. Und die Greueltaten sind im Laufe des Krieges nicht unter dem Einfluß einer wilden Leidenschaft oder eines kriegerischen Zornes oder aus einem Gefühl der Rache begangen worden, sondern aus kalter Berechnung, in bewußter Anwendung von Methoden und einer schon früh vorhandenen Lehre.\" (16) Nach de Menthons Eröffnungsrede begann der stellvertretende französische Hauptankläger Edgar Faure mit der Präsentation des Beweismaterials. Beweismaterial bezüglich der \"Arbeitspflicht\" und der \"Ausplünderung der Wirtschaft\" wurde für die Länder Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich vorgelegt. Allein die Zahlen waren niederschmetternd.
Über 150.000 Belgier, 430.000 Holländer und 2,6 Millionen Franzosen waren gezwungen worden, \"für die Kriegsanstrengungen des nationalsozialistischen Deutschlands zu arbeiten\". (17) .Über 875.000 französische Arbeiter waren nach Deutschland deportiert und fast eine Million Kriegsgefangene zur Unterstützung militärischer Zwecke herangezogen worden.
In der Beweisführung über die \"Ausplünderung der Wirtschaft\" stellten die Franzosen dar, wie Fabriken, Maschinen und andere Produktionsgüter beschlagnahmt und nach Deutschland geschafft wurden. Noch schädlicher aber wirkte sich die Beschlagnahme von Lebensmitteln sowie von Holz und anderen Brennstoffen aus. Im Laufe des Krieges gingen die französischen Lebensmittelrationen auf 1.800 bis 1.300 oder weniger Kalorien pro Tag zurück, ein Niveau, das sogar nach Ansicht der deutschen Regierung \"eine Aushungerung bedeutet, die langsam zum Tode führt\". Im nächsten Schritt präsentierte die französische Anklagevertretung Beweismaterialien über die deutschen Konzentrationslager und über die Tötung von Geiseln.
Allein in Frankreich wurden fast 30.000 Geiseln umgebracht. In den Niederlanden waren es insgesamt 3.000 und auch in den anderen westeuropäischen Ländern verhielt es sich ähnlich. Viele Tausende wurden eingesperrt oder in Konzentrationslager deportiert. 40.
000 Franzosen starben in französischen Gefängnissen unter deutscher Kontrolle. Dubost legte Beweise für viele Einzelfälle vor, bei denen es vor der Tötung zu unaussprechlichen Folterungen gekommen war. (18)
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