Wie der Mob in Paris anläßlich der öffentlichen Degradierung des Hauptmanns Dreyfus "Tod den Juden" schrie ... Theodor Herzl berichtete 1895 für die Wiener Neue Freie Presse über die öffentliche Degradierung des Hauptmanns Alfred Dreyfus in Paris, dem fälschlicherweise Spionage für die Deutschen vorgeworfen wurde. Wie Herzl stammte Dreyfus aus einer assimilierten jüdischen Familie. Die Dreyfus-Affaire hatte in Frankreich eine Welle des Antisemitismus zur Folge - ein Schlüsselerlebnis für Herzl, unter dessen Eindruck er den "Judenstaat", den "Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage" schrieb.
"Bei der öffentlichen Degradierung des Alfred Dreyfus auf dem Paradeplatz des Ecole militaire im Jänner 1895 brüllte der Pariser Mob 'Mort aux Juifs' (Tod den Juden) und nicht bloß 'Tod dem Verräter'. In einem Bericht aus Paris fünf Jahre später berichtete Theodor Herzl, der damals noch ein Wiener Journalist war, daß diese herzzerreißende Zeremonie für ihn einen Wendepunkt in seiner eigenen Entwicklung bedeutet hatte. Für Herzl stellte Dreyfus den Juden in der modernen Gesellschaft dar, 'den Juden, der versucht, sich an seine Umwelt anzupassen, der versucht, ihre Sprache zu sprechen, ihre Gedanken zu denken, ihre Anzeichen an seine Ärmel zu nähen, nur um sie rüde abgerissen zu erhalten. Dreyfus stellt eine immer noch umkämpfte Befestigung dar. Wenn wir uns nicht irren, ist diese Festung bereits gefallen.' Herzls Pessimismus nach dem zweiten Kriegsgericht im September 1899 schien übermäßig beunruhigt und wurde von den meisten französischen Juden und den Juden im Ausland nicht geteilt. Er sah den Fall als Vorboten einer Apokalypse. Falls das liberale, republikanische Frankreich, die Wiege der Menschenrechte und das erste europäische Land, das die Juden emanzipierte, derart von antisemitischem Chauvinismus infiziert worden war, was konnten die europäischen Juden noch weniger zivilisierter Nationen erwarten?
... worauf Herzl den "Judenstaat" schrieb Die einzige Lösung, die blieb, bestand darin, daß die Juden sich einen getrennten, unabhängigen Staat in ihrer alten Heimat Palästina schufen, wo sie freie unabhängige Bürger des eigenen Landes sein würden. Vom Hotel Castille, in dem Herzl seinen Judenstaat (mit Pausen, während derer er sich in der Parìser Oper den Wagnerschen Tannhäuser anhörte) schrieb, bis zum heutigen Staat Israel führt eine gerade Linie. Eine weitere gerade Linie führt direkt von den antisemitischen Ligen und der Massenagitation des Frankreich der Jahrhundertwende zum Vichy-Regime des Marschall Pétain, der im Jahre 1940 die Dritte Republik abschaffte, der Rassengesetze beschloß, die 80.000 Juden ausschlossen und dann in die deutschen Vernichtungslager deportierten. Unter den Opfern war die Enkelin des Alfred Dreyfus, Madeleine Lévy, die in Auschwitz im Jahre 1944 starb. Zum Zeitpunkt des Todes wog sie nicht einmal 35 Kilogramm."
Daß es schon vor Herzl den Begriff "Zionismus" und landwirtschaftliche Siedlungen in Palästina gegeben hat Zionistenkongresse die Herzl regelmäßig einberief, machten die "jüdische Frage" zum Gegenstand internationaler Politik.
Als Herzl seine zionistischen Aktivitäten 1896 begann, hatten sich im Rahmen einer ersten Einwanderungswelle, der "ersten Aliya" (ab 1882), für die Verfolgungen im Zarenreich den Anlaß gegeben hatte, bereits 16 landwirtschaftliche Siedlungen etabliert.
Herzl hat den Zionismus nicht geschaffen. Zionistische Vordenker waren beispielsweise Moses Hess ("Rom und Jerusalem") und Leon Pinsker ("Autoemanzipation") gewesen. Den Begriff des Zionismus hat Nathan Birnbaum, der Gründer des ersten jüdischnationalen Studentenvereins ("Kadima") in Wien, geprägt.
Daß Herzls Pläne nur in England mit Sympathie aufgenommen wurden Herzl ging davon aus, daß die Ziele des Zionismus nur durch politische Aktivitäten verwirklicht werden konnten. Er fand aber weder bei Sultan Abdul Hamid II., noch beim deutschen Kaiser Unterstützung. In England wurde die Idee des Zionismus mit Sympathie aufgenommen, aber Palästina befand sich nicht in englischer Hand. Herzl und der britische Colonial Scretary Joseph Chamberlain erwogen eine Ansiedlung von Juden auf Cypern oder auf dem Sinai. Den Vorschlag jüdischer Ansiedlung in Uganda lehnte Herzl ab. Unter dem Eindruck des Pogroms, das zu Ostern 1903 in Kischinew (Bessarabien) zwei Tage lang wütete, änderte Herzl seinen Standpunkt gegenüber dem Uganda-Plan. Diesen lehnte aber auf dem 6. Zionistenkongreß 1903 die Mehrheit der Delegierten ab. Herzl starb kurze Zeit später.
Im Lauf des ersten Weltkriegs deportierten die Türken viele Juden. Unter ihnen war Joseph Trumpeldor, der dann das Zion Mule Corps ins Leben rief, das an die Front in Gallipoli entsandt wurde. In London rekrutierte Ze'ev Jabotinsky die Jüdische Legion. Er sagte: "Nun werden wir das Land Israel auf die Weise gewinnen, die uns als Nation ansteht. Wenn Blut für seine Befreiung vergossen werden muß, werden Juden Waffen tragen."
Überdies erwies Chaim Weizmann durch seine wissenschaftliche Arbeit als Chemiker Großbritannien einen großen Dienst, indem er das Problem der Versorgung mit dem zur Munitionsherstellung notwendigen Aceton löste. David Lloyd George, Vorsitzender des Munitions of War Committee, fragte Weizmann, was er sich als Belohnung für den wissenschaftlichen Dienst, den er Großbritannien geleistet hatte, wünsche. Weizmann antwortete: "Ein Land für mein Volk".
1916 wurden in einem neuen britischen Kabinett zwei Schlüsselpositionen von prozionistischen Staatsmännern gehalten: Lloyd George und Balfour. Dieser schrieb als Foreign Secretary am 2. November 1917 eine "Erklärung der Sympathie mit den jüdisch-zionistischen Aspirationen", deren Schlüsselsatz lautet: "His Majesty's Governement view with favour the establishment in Palestine of a national home for the Jewish people ..."
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