Michail Gorbatschow hatte am 40. Jahrestag der DDR noch warnend betont: Gefährlich werde es für diejenigen, \"die nicht auf das Leben reagieren". Diese Äußerungen erscheinen im Nachhinein wie eine Aufforderung an die DDR-Regierung, den Forderungen aus dem Volk nachzugeben.[5] Der Gedanke an den Beginn einer politischen Umgestaltung der DDR (siehe Anhang 1) begann jedoch zu spät. Das politische System war bereits destabilisiert. Wesentliche Faktoren dafür lassen sich parallel dazu an den jüngsten Entwicklungen zeitgenössischer politischer Systeme erkennen: Ihre Leistungsfähigkeit und damit ihr Bestand hängen letztlich von ihrer handlungsmäßigen und institutionellen Anpassungsfähigkeit durch strukturelle Differenzierungen ab, d.h. solche politischen Systeme, die Anpassungsleistungen an neue, sich rapide verändernde Umwelten auf Dauer nicht zu erbringen vermögen, geraten zunehmend stärker und auswegloser in Krisen, die sich zunächst als Regierbarkeitskrisen offenbaren, sich dann jedoch unaufhaltsam zu Systemkrisen vertiefen.[6]
Das Problem war also die Fortsetzung der politisch-ökonomischen Strategie, denn solange die gesetzmäßige Entwicklung zum Sozialismus/Kommunismus als immunisierende Ideologie zur Erhaltung des Status quo gefördert wird, ist nicht zu erwarten, daß anders verfahren wird als nach der Melodie: \"Mehr desselben!\". Die Eigendynamik ökonomischer und gesellschaftlicher Prozesse wird weiter in das Korsett eines repressiven und pädagogisierenden Staates gepreßt. Der reale Sozialismus wird ständig an einem gegebenen Verständnis von "Sozialismus" gemessen, doch die Realität kommt nicht ans Ideal heran, es sei denn, man erklärt das Ideal zur Realität.
Das Ergebnis: Die proletarische Gesellschaft erscheint als \"Prometheus in Fesseln\", gefesselt durch eine rigide staatlich-parteiliche Kontrollmaschinerie, die gerade das blockiert, was sie selbst immer propagiert, nämlich Kollektivität und Plandemokratie.[7]
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